EHC Eisbären
Hannover ist Indianerland
Montag, 12. Oktober 2009 01:32 - Von Marcel Stein

Es war alles ziemlich ungewohnt für Youri Ziffzer. Fünf Jahre spielte der 23-Jährige für den EHC Eisbären, bevor er im Sommer zu den Hannover Scorpions wechselte. Als er gestern deren Tor hütete, erlebte er nun zum ersten Mal eine Partie als Gegner der Berliner.

Anders als sonst war aber auch das Umfeld. Wenn Ziffzer den Blick über die Eisfläche hinaus schweifen lässt, sieht er normalerweise sehr viele leere Plätze in der TUI Arena. Gegen die Eisbären waren erstmals in dieser Saison weniger Plätze frei als besetzt.

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Der Meister zieht eben in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Doch auch 5899 Zuschauer wirken in einer Halle, in die 10 325 passen, nicht gerade üppig. Die aktuelle Misere, das 0:4 (0:1, 0:1, 0:2) gegen den EHC war die sechste Heimniederlage im siebten Spiel, reicht zur Erklärung des spärlichen Interesses an den Scorpions nicht aus.

Noch schlechter ergeht es nämlich dem Stadtrivalen Hannover Indians in der Zweiten Liga, die Rothäute tragen dort, irgendwie passend, die Rote Laterne. Was die Zuschauer keineswegs abschreckt. Im Durchschnitt kamen bisher 3544 Besucher in das Stadion am Pferdeturm. Die Scorpions, immerhin Halbfinalist der Vorsaison, sahen vor dem EHC-Spiel durchschnittlich nur 3353 Zuschauer.

Ein Zweitligist, der mehr Zuchauer anzieht als ein recht erfolgreicher Erstligist, das klingt merkwürdig. "Ich weiß nicht, was da ungewöhnlich aussieht", sagt Marco Stichnoth, Geschäftsführer der Scorpions. Die Klubs seien nicht zu vergleichen. Aber es ist ziemlich interessant, genau das zu tun.

Obwohl Scorpions und Indians den gleichen Sport betreiben, leben beide in zwei verschiedenen Welten. "Wir haben unterschiedliche Zielgruppen", sagt Stichnoth. Sein Klub zielt auf Familienpublikum, auf Eventfans, die sich in der schicken, halbsterilen Umgebung einer Multifunktionsarena ein bisschen Eishockey anschauen wollen.

Am Pferdeturm ist Eishockey noch absolut puristisch. Das kleine Stadion ist halb offen, der Wind pfeift durch, es wirkt ein bisschen schäbig, es riecht nach Glühwein und Schweiß. Kein Zuschauer ist weit weg vom Eis, die Atmosphäre ist intensiver. Die Fans lieben das, für sie sind die Indians Kult. "Denen ist egal, was auf dem Eis passiert", sagt Stichnoth.

Bei Dirk Wroblewski hört sich das ganz anders an. "Wir sind und bleiben die heißeste und geilste Marke der Stadt", erzählt der Indians-Geschäftsführer. Man sieht sich als das St. Pauli des Eishockeys. Es gibt einen Spruch, den man in der Stadt häufig hören kann, wenn die Scorpions zur Sprache kommen: Hannover ist Indianerland.

Das liegt auch daran, dass die Indians früher da waren, sie sind seit über 60 Jahren in Hannover verwurzelt. Erst vor acht Jahren kamen die Scorpions aus Wedemark in die Landeshauptstadt. Seither kämpfen sie um Anerkennung. Ende der Vorsaison sah es so aus, als würden sie die endlich bekommen. Nach vier Jahren spielte man wieder vor ausverkauftem Haus - gegen die Eisbären übrigens. Preiserhöhungen zum Play-off, die selbst Trainer Hans Zach in Rage brachten, verdarben alles. Jetzt müssen die Scorpions wieder von vorn anfangen, manchmal vor nicht mehr als 2800 Zuschauern. Ganz schön gruselig in so einer großen Arena.

"Wir sind die heißeste und geilste Marke der Stadt"


Berliner Morgenpost