Weser-Kurier 11.01.2008

"Unsere Spielweise birgt Risiken"

Mertesacker fühlt in Belek der Viererkette auf den Zahn / Innenverteidiger drohen bis zu 40 Partien in 22 Wochen

Von Thorsten Waterkamp

BELEK. Die Offensive, sie funktioniert bei Werder. 42 Tore allein in den bisherigen 17 Bundesliga-Spielen sprechen eine klare Sprache, die Torfabrik Bremen hat ihre Produktion auf einen Spitzenwert getrieben. Vorne hui - und hinten? Pfui sicherlich nicht, doch 41 Gegentreffer in den bisherigen 28 Pflichtspielen - 24 allein in der Bundesliga - sind eine Menge. "Unsere Spielweise", sagt Per Mertesacker, "birgt natürlich Risiken." Es geht in der Vorbereitung auf die Rückrunde weniger ums Toreschießen denn ums Gegentore verhindern. "Dem wollen wir auf den Zahn fühlen", erklärt Mertesacker, und sein Verweis aufs Trainingsziel kommt aus berufenem Mund - schließlich ist der Mann Deutschlands bester Innenverteidiger. Es muss gearbeitet werden an der Abstimmung in der Abwehrreihe, das sagen nicht nur die nackten Zahlen, das sagt auch der lange Blonde. In Spielen wie in Hannover oder in Rom wies die Defensivkette und speziell ihre mittleren Glieder Naldo und Mertesacker Defizite auf, wie sie in der Vergangenheit unbekannt waren.

Den früheren Hannoveraner ärgert dies und besonders diese Partien bei seinem Ex-Klub (3:4) und in Dortmund (0:3), wo Werder jeweils in weniger als einem Dutzend Minuten drei Gegentreffer kassierte. "Es gibt Momente im Leben, da versteht man selbst die Welt nicht mehr", schüttelt der 23-Jährige immer noch den Kopf über die komprimierten Lehrstunden, die die Borussia und die 96er den Bremern erteilten.

Deshalb hat Thomas Schaaf ein neues Trainingsinstrument eingeführt, ein Gummiband, das die Vier der Kette miteinander verbindet. Das laufende Band hat für Gesprächsstoff gesorgt in der Mannschaft, es sieht kurios aus, wenn einer aus der Kette plötzlich herausgeht auf den ballführenden Angreifer und seine Nebenleute zur Folgsamkeit im Wortsinn zwingt.

Doch genau darum geht es: "Dass man gewissermaßen mitgezogen wird von dem, den man absichern muss." So wird ein Band zur Methode und erfüllt Schaafs Anforderung: Intensiver, gibt Mertesacker seinen Trainer wieder, soll in Belek an der Einheit der Kette gearbeitet werden. "Die guten Momente des Gegners zu minimieren, das ist das Ziel."

Die eigenen guten Momente zu pflegen allerdings auch. Werder steht in der Pflicht in Belek, die Grundlagen zu legen für Bundesliga, DFB-Pokal und UEFA-Cup. Wobei Per Mertesacker gleich noch einen Wettbewerb hinterherschiebt für seinen persönlichen Saison-Fahrplan: die Europameisterschaft. Vier Titel wären möglich für den Defensivexperten, eine ganze Menge für einen, der in seiner jungen Karriere noch ohne große Trophäe geblieben ist. Da lacht Mertesacker: "Vier auf einmal, das wäre ein bisschen viel für die erste Titelsammlung."

So oder so: Es wird ein hartes halbes Jahr für den 39-fachen Nationalspieler, ein Spiel jagt das nächste. Für den Nationalspieler Mertesacker könnten zehn Länderspiele zusammenkommen, für den Werderaner Mertesacker stünden bis zu 30 Vereinspflichtspiele an. 40 Partien in weniger als 22 Wochen wären dies theoretisch.

Speziell der UEFA-Cup könnte zum Kraftkiller werden. Denn angesichts der fünf deutschen Starter in dem europäischen B-Wettbewerb droht - sollte sich Werder ähnlich gut behaupten wie in der vergangenen Halbfinalsaison - ein Donnerstag-Sonnabend-Rhythmus. "Da kann es schon Luxus sein, auch mal am Sonntag zu spielen", schwant Mertesacker nichts Gutes. Aber Bangemachen gilt nicht: "In anderen Sportarten ist das gang und gäbe." Und sich hinterher darüber zu beschweren, das, sagt der Innenverteidiger, gibt’s nicht.