Kreiszeitung 12.03.2008

"100 Millionen? Nicht machbar!"


Werder-Geschäftsführer Manfred Müller über Kosten-Explosion und Prioritäten beim Stadionumbau

Von Arne Flügge

BREMEN Das Weserstadion wird umgebaut, doch die Aufstockung der Zuschauerkapazität auf 50000 Plätze ist vom Tisch. Warum diese Abspeckung der ursprünglichen Pläne notwendig war, was für die Kostenexplosion verantwortlich ist und warum Werder sich nicht in ein noch größeres Risiko stürzen wollte, verrät Werder-Geschäftsführer Manfred Müller im Interview.

Herr Müller, Ihre Vision eines neuen Fußball-Tempels mit 50000 Zuschauern ist vom Tisch. Sind Sie enttäuscht?

"Es war nicht meine Vision, sondern die von Werder Bremen. Doch wir mussten sehen, was machbar ist. Und die ursprüngliche Version war auf Grund der gewaltigen Kostenexplosion einfach nicht mehr durchführbar."

Empfinden Sie das auch als persönliche Niederlage? Immerhin müssen Sie derzeit einiges an Kritik einstecken.

"Ich versuche immer, das Beste für Werder Bremen herauszuholen. Dabei geht es nicht um persönliche Eitelkeiten, Empfindungen oder darum, persönliche Ziele durchzuboxen. Ich bin der Sache unterstellt."

Es heißt, der Aufsichtsratsvorsitzende Willi Lemke hätte Sie schlussendlich ausgebremst.

"Das ist nicht richtig. Es gab einen einstimmigen Beschluss der Geschäftsführung zum jetzt neuen Modell. Und der wurde dann vom Aufsichtsrat einstimmig abgesegnet. Dass wir gemeinsam Lösungen diskutieren, ist klar, aber das hat nichts mit Ausbremsen zu tun."

In der Außendarstellung hat sich Werder beim Thema Stadionausbau durch den ständigen Schlingerkurs nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das war teilweise schon peinlich.

"Und das bedauern wir auch. Vielleicht lag es auch daran, dass wir manchmal Informationen bekommen haben, die nicht gerade glücklich waren."

Inwiefern?

"Es bringt nichts, zurückzuschauen. Wir blicken lieber nach vorne und freuen uns auf das, was kommt."

Die Freude bei den Fans wird aber nicht ungeteilt sein. Immerhin wurden die zusätzlichen 8000 Plätze gestrichen.

"Natürlich kann ich die Enttäuschung bei denen verstehen, die keine Karten bekommen. Der Großteil wird sich aber über das neue Stadion richtig freuen. Die Fans sitzen viel dichter am Geschehen. Das Stadion bekommt noch mehr Eventcharakter. Und durch die Neugestaltung des Gästebereichs können pro Saison rund 15000 Werder-Fans mehr ins Stadion kommen als bisher. Auch wenn das für viele nur ein schwacher Trost ist."

Es heißt, das acht Millionen Euro gefehlt haben. Hätte Werder diese Summe nicht aufbringen können?

"Wir sind nicht Eigentümer des Stadions, sondern zusammen mit der Stadt nur Gesellschafter. Die Stadt war nicht bereit, ihre Anteile aufzustocken. Und wir waren nicht willens, die Anteile des anderen Gesellschafters zu übernehmen."

Bedeutet das, dass Werder bereit gewesen wäre, noch einmal nachzulegen?

"Wir haben zumindest darüber gesprochen, es dann aber verworfen. Denn die oberste Priorität war immer, eine reine Fußball-Arena zu schaffen, nicht die Aufstockung um 8000 Plätze. Wir haben 60 Millionen Euro für den Umbau veranschlagt. Für Kredite brauchen Banken eine Eigenkapitaldeckung. Die war ausgereizt. Und an den Etat der Bundesliga-Mannschaft gehen wir nicht ran. Das wird strikt getrennt. Ohne Wenn und Aber. Außerdem hätten wir für die 68 Millionen Euro zwar den dritten Rang bekommen, doch damit noch nicht das Heranziehen der Ost- und Westtribüne ans Spielfeld. Das hätte noch einmal rund 35 Millionen Euro gekostet."

Was bedeutet, dass der Stadionausbau - so wie er ursprünglich gedacht war - rund 100 Millionen Euro statt der kalkulierten 60 Millionen verschlungen hätte.

"Wenn man alles zusammen nimmt: Ja. Und das kann Werder nicht aufbringen. Daher haben wir uns entschlossen, auf die Aufstockung zu verzichten. Diese Kröte müssen wir zwar schlucken, ansonsten aber bekommen wir das Stadion so, wie wir es uns vorgestellt haben. Auch für die kalkulierte Summe von 60 Millionen Euro."

Diese gewaltige Kosten-Explosion begründen Sie mit den enorm gestiegenen Stahlpreisen. 40 Millionen Euro nur für Stahl?

"Zum größten Teil ja. Es ist gar nicht lange her, da hat die Tonne Stahl 1500 Euro gekostet. Mittlerweile ist der Preis auf 5500 Euro gestiegen. Allein für den Bau des dritten Ranges hätten wir 6500 Tonnen Stahl benötigt. Das macht knapp 36 Millionen Euro reine Stahlkosten. Das ist ja Wahnsinn."

Müssen Sie sich jetzt nicht den Vorwurf gefallen lassen, sich bei der Kalkulation völlig vergalloppiert zu haben?

"Wir hatten den Mut, dieses große Projekt anzugehen. Jetzt müssen wir auch den Mut haben, zu sagen: Das geht so nicht wie geplant, das geben wir auf. Und diesen Mut haben wir. Denn wir fühlen uns unserem Prinzip des vernünftigen Wirtschaftens verpflichtet."