Weser-Kurier 04.02.2008

Weiner im Abseits


Ein Schiedsrichterfehler wirft Werder aus der Bahn - Bochum siegt 2:1 / Rot für Naldo

Von Oliver Matiszick

BREMEN. Als das Spiel beendet war, stand Markus Rosenberg nur so da im Mittelkreis. Er zog sich sein Trikot bis über die Augen hoch. Eine hilfreiche Zweckentfremdung der Arbeitsbekleidung, was ihm Aaron Hunt und Tim Borowski gleich taten. So mussten sich die Werder-Profis nicht mitansehen, was nur ein paar Meter entfernt geschah. Dort feierten die Spieler des VfL Bochum, zu einem Kreis formiert, tanzend ihren 2:1 (0:1)-Sieg im Weserstadion. Den ersten überhaupt - und nicht nur das fiel gestern schwer zu glauben.Denn nur selten in der Vergangenheit hatten sich die Bremer bei einer Heimniederlage vor größere Akzeptanzprobleme gestellt gesehen, als bei diesem Rückrundenauftakt.

Die Auslöser dieses Problems ließen sich zweifelsfrei bestimmen: Schiedsrichter Michael Weiner und sein Assistent Kai Voss, der an der Seitenlinie vor der Nordtribüne Dienst verrichtete.Denn die Auffassung, dass Bochums Vorlagengeber Shinji Ono nicht wenigstens drei Meter im Abseits stand, als er von Benjamin Auer, Augenblicke später dann der unbedrängte Schütze des 1:1-Ausgleichs, zunächst in Richtung Grundlinie geschickt wurde, vertrat das Gespann Weiner und Voss äußerst exklusiv. 37 150 Menschen im Stadion hatten die Szene anders gesehen, selbst Marcel Koller, der VfL-Trainer. Er sprach von "ein bisschen Glück", das seine Elf dabei hatte. Und das, was Werder hatte, war ein dickes Problem.Denn die Entscheidung, den Treffer als regulär anzuerkennen, drehte ein Spiel, das die Bremer hätten gewinnen müssen.

Nur: Die Mannschaft von Trainer Thomas Schaaf hatte es, wie schon beim Pokal-Aus in Dortmund am vergangenen Dienstag, bis zu jener 68. Minute abermals versäumt, ihre zahlreichen Torchancen in einen Vorteil umzumünzen, der sie auf der Siegerstraße sicher in der Spur halten würde.Allein Spielmacher Diego hatte drei gute Möglichkeiten (23./24./66.), Tim Borowski schoss so knapp rechts am Tor vorbei (67.) wie auch Hunt (41.), der zudem noch die Querlatte traf (57.). Tatsächlich aber hatte sich Jan Lastuvka im Bochumer Tor nur einmal überwinden lassen müssen: Als Daniel Jensen vom rechten Strafraumeck nach einem Hunt-Querpass Zeit zum Maßnehmen hatte und den Ball hoch zum 1:0 einschoss (44.).

"Und damit hatten wir es eigentlich", urteilte Sportchef Klaus Allofs.Denn mit Ausnahme ihres verflixt schnellen Goalgetters Stanislav Sestak, der die Laufduelle gegen Per Mertesacker deutlich gewann, produzierten die Bochumer nur wenig Gefahr. Und die entschärfte Torwart Tim Wiese so verlässlich wie die beste Bochumer Torgelegenheit - Naldos verunglückten Abwehrversuch nach einer VfL-Ecke. Wieses reflexartige Parade bewahrte Werders Abwehrhünen vor einem schönen Treffer ins eigene Tor (17.).

Doch der Tag sollte für Naldo auch so noch unglücklich genug werden. Die Wirren um den Bochumer Ausgleich waren noch nicht abgeklungen, da flog er vom Platz - Schiedsrichter Weiner zeigte ihm ohne Zögern die Rote Karte, nachdem er als letzter Mann Sestak bei einem Konter kurz vor dem Strafraum am Oberkörper berührt und dessen Fall bewirkt hatte (70.). "Kein grobes Foul, aber ein Platzverweis, den man geben kann", räumte Allofs ein.Doch auch Naldos Missgeschick sah er letztlich nur als Glied in einer folgenschweren Wirkungskette. "Er kam auch zustande, weil wir das 2:0 nicht gemacht haben - und der Schiedsrichter vor allem ein Tor gibt, das einfach nur lächerlich ist", ärgerte sich Allofs.

Weiner, so hatte er im Gespräch mit dem Schiri erfahren, war sich zunächst sicher, dass der Ball auf Ono von Mertesacker statt Auer gekommen und es somit kein Abseits gewesen sei. Erst lange nach Spielende und dem Studium der Fernsehbilder räumte Weiner seinen Fehler ("Es war klar Abseits") ein. "Doch dafür gibt es überhaupt keine Entschuldigung", sagte Allofs.Genauso wenig wie es dann eine Entschuldigung für das Verhalten beim Bochumer Siegtreffer gab: Die verbliebenen zehn Werderaner stellten sich bei einer Standardsituation mehr als ungeschickt an. Nach einer Ecke wiederum durch den eingewechselten Ono überließ es Wiese lieber seinen gut platzierten Vorderleuten Tosic und Borowski, Bochums Antar Yahia in die Zange zu nehmen.

Was gar keine gute Idee war. Denn Tosic blieb stehen und Borowski unternahm keine Anstalten, mit Yahia hochzuspringen - also köpfte der ungestört ein (84.). "Da hat dann alles zusammengepasst. . .", flüchtete sich Wiese in Ironie, "eigentlich müssen wir die vorher aus dem Stadion schießen." Statt dessen ist der Schuss nach hinten losgegangen - und Werders Rückrundenstart kräftig misslungen. Davor lassen sich die Augen nicht mehr verschließen. Auch nicht mit Hilfsmitteln.