13.01.2008, 08:31 Uhr News

TL-Tagebuch 5: Extremsportart Ohrenschnipsen

Werder Bremen bereitet sich vom 08.01. bis 16.01.2008 im türkischen Belek auf die Bundesliga-Rückrunde vor. Zur Trainingslager-Delegation des Tabellen-Zweiten der Bundesliga gehört auch Mediendirektor Tino Polster. Er wird in dieser Zeit für werder.de berichten. Regelmäßig unterrichtet er nicht nur über die aktuellen Neuigkeiten aus Belek, sondern veröffentlicht wie in den vergangenen Jahren sein ganz persönliches Trainingslager-Tagebuch. Mit seinen Anekdoten, Anmerkungen und Randgeschichten bietet er allen Fans einen einzigartigen Einblick in die grün-weiße Welt.

Sonntag, 13. Januar 2008, 10.30 Uhr (Ortszeit), Belek

Ganz am Ende des Samstags, kurz vor Mitternacht schien es, als redete unser Trainer wirres Zeug. Das lag aber nicht an der Niederlage gegen Schalke 04 sondern an dem Mann, der ihm im Speisesaal gegenüber saß. Wir hatten Besuch von Ümit Davala bekommen. Der aktuelle Co-Trainer der türkischen U 21-Nationalmannschaft und der als Ur-Bremer abgespeicherte Werder-Coach unterhielten sich an der türkischen Riviera im breitesten "Mannheemer Dialekt" - skurrile Szene mit einfacher Erklärung: Ümit, unser Ex-Spieler ist nicht etwa in der Türkei geboren, sondern ebenso wie Thomas Schaaf in Mannheim. Mittlerweile lebt Ümit Davala wieder in Izmir und nimmt zur Zeit in der Region Belek an einem Lehrgang teil, um den höchsten Trainerschein zu erwerben.

Unsere Partie gegen Schalke hatte er nicht mit verfolgen können. Die Anfahrt zur Sportanlage durch enge, kurvige und holprige Straßen des Küstenstreifens, beide Mannschaftsbusse im kurzen Abstand hintereinander, davor jeweils eine Polizeieskorte mit Blaulicht war dramatischer als die Partie selbst. Werder gegen Schalke in Kundu: ein durchaus intensives, aber jederzeit faires Spiel, in dem klar wurde, dass beiden Teams noch ein bisschen was fehlt - Vorbereitung eben.
Viele Auswechslungen prägen das Bild einer solchen Testbegegnung, eine echte Herausforderung für den Stadionsprecher. Diesen Nebenjob hatte ich schon beim Spiel gegen Freiburg übernommen, gestern wäre ich nicht unglücklich gewesen, Werder als Sieger des Victoria-Cups zu verkünden, aber es gibt schlimmeres.

Ein Mann durfte trotz des 1:2 richtig zufrieden sein, unser Torwart Nico Pellatz. Im Sommer von Hertha BSC gekommen, war er bisher bei den Profis auch in Tests noch nie eingesetzt worden. Die zweite Hälfte gegen S 04 war aber seine und er machte einen guten Eindruck. Selbstvertrauen hatte Nico sich schon morgens im Training geholt, das abschließende Kleinfeldspiel derer, die abends nicht in der Anfangsformation standen, wurde im Elfmeterschießen entschieden. Einen hielt er und verwandelte dann selbst.

Nach seinem Debut bei den Profis traf Nico Pellatz am Stadion dann noch seinen ehemaligen Berliner Auswahltrainer, der mit der A-Jugend von Tennis Borussia in Belek trainiert.
Im Kabinentrakt kam es derweil zu diversen Gesprächen zwischen den Profis. Die Dänen Larsen, Lovenkrands, Andreasen und Jensen tauschten sich aus und Schalkes Rafinha versuchte sich von Hugo Almeida Tipps für die Champions-League-Spiele gegen den FC Porto zu holen. Belek ist wie ein Fußballmarktplatz, man trifft immer irgendwen.

Fünf Tage sind wir jetzt im Trainingscamp und die Stimmung ist immer noch okay. Dafür sorgt im Mannschaftkreis unter anderen Ivan Klasnic. Gestern nach dem Morgentraining hatten sich mal wieder fünf Spieler für eine in Fußballerkreisen beliebte "Extremsportart" gefunden. Und die geht so: Der Ball muss von jedem Spieler genau zweimal berührt werden (Oberschenkel-Berührung verboten), darf dabei nicht auf den Boden kommen und wird dann ohne feste Reihenfolge zu einem der im Kreis stehenden Mitspieler weitergespielt. Wer zuerst drei Fehler macht, darf von allen anderen am Ohr geschnipst werden. Zweimal hatte es Ivan selbst getroffen, als in der letzten Runde Markus Rosenberg zum Opfer wurde. Ivan muss das Ohr des Schweden so dermaßen malträtiert haben, dass "Rosi" sich sofort rächen wollte. Es kam zu einem wilden Verfolgungsrennen mit Abschlussgrätsche ins Leere. Ein Riesenspaß für alle.

Nach absolvierter Arbeit am Vormittag wird Thomas Schaaf den heutigen Sonntag zur freien Verfügung stellen. Die Spieler können durchschnaufen, in Ruhe das umfangreiche Wellnessangebot des Hotels nutzen, Golf spielen oder gar einen Ausflug nach Antalya starten.

Bis morgen, wenn es wieder heißt: Neues aus Belek.