Presseschau Weser-Kurier 08.02.2008

Ungeahntes Ungemach


Tim Borowski schafft es zum FC Bayern - aber derzeit nicht in Löws Kader

Von Olaf Dorow

BREMEN. Werder muss effizienter sein, sagt Tim Borowski. So wie die Nationalmannschaft, hätte er noch ergänzen können. Die Nationalmannschaft erwirtschaftete in Wien gerade aus 3:15 Chancen einen 3:0-Sieg. Werder hingegen schürfte sowohl gegen Dortmund als auch gegen Bochum aus ganz viel ganz wenig heraus. Tim Borowski unterließ den auf der Hand liegenden Vergleich. Er war nicht dabei in Wien.

Das sagt nicht alles, aber doch recht viel darüber aus, wie es gerade so um ihn bestellt ist, sportlich gesehen. Er ist 27. Er ist immer noch und für alle Zeit ein Held des Sommermärchens, auch WM genannt. Er ist gerade vom FC Bayern verpflichtet worden. Er ist in diesen Tagen der deutsche Fußballprofi mit den meisten Interviewanfragen, weil am Sonntag um 17 Uhr im Spitzenspiel der FC Bayern gegen Werder Bremen spielt. Deswegen gab es gestern im Weserstadion sogar eine Pressekonferenz außer der Reihe.

Und Tim Borowski musste sich auf dieser Konferenz fragen lassen, ob er nicht überrascht gewesen wäre, dass Bundestrainer Joachim Löw ihn nicht eingeladen hatte nach Wien. Ob er gar um sein EM-Ticket fürchte? Bis zur endgültigen Nominierung versendet Löw nicht mehr so oft Einladungen, nur noch ein einziges Mal, Ende März zu einem Länderspiel in der Schweiz.

Ja, er sei überrascht gewesen, sagt Tim Borowski, und nein, er trage keine Gedanken in sich, die sich um eine EM-Ausbootung drehen würden. Er wisse um seine Stärke. Er wisse ebenfalls, dass er wichtig sei fürs DFB-Team. Er müsse jetzt erstmal mit Werder in die Spur kommen, alles andere ergebe sich automatisch. Löw habe ihm in einem Gespräch alles erklärt. "Das Gespräch war okay. Damit konnte ich leben", sagt er.

Er bietet wenig Angriffsfläche, wenn er über sich spricht und man ertappt sich bei dem Gedanken, dass er in Klinsmanns Mentalseminaren in Kalifornien gesessen haben könnte. Selbstverständlich fürchtet er sich nicht vor dem Sprung ins Münchner Haifischbecken. Andi Herzog geriet einst darin ins Schwimmen, Torsten Frings auch, zuletzt Valerien Ismaël. Nicht mal einen Spießrutenlauf fürs letzte halbe Werder-Jahr erwarte der zukünftige Bayern-Spieler Tim Borowski. Miroslav Klose, sein Ex- und Bald-Kollege hatte ihm genau dies prophezeit.

Nein, nein, sagt Borowski wieder, es sei von den Werder-Fans sehr honoriert worden, wie offen und ehrlich er seinen Transfer betrieb. Und außerdem "ist es ja immer die Frage, wie man sich verabschiedet". Damit war indirekt und unfreiwillig noch mal eine ganze Menge gesagt über jenen umtosten Klose-Wechsel gen Süden.

Tim Borowski hat auf seiner Pressekonferenz gestern mentale Stärke ausgesendet. Die mentale Stärke wird er brauchen, um den sportlichen Motorschaden zu beheben, der sich in heftiger Beharrlichkeit einschlich seit jenen Sommermärchentagen. Auf dem Zenit der Karriere, ein halbes Jahr vor EM und Bayerndress, droht der Karriere ungeahntes Ungemach. Vor der WM 2006 traf er in einer Bundesliga-Saison zehn Mal. Er lieferte dazu elf Torvorlagen. Das war ein Spitzenwert, den er nach der WM nicht annähernd erreichen konnte. Eine Knieverletzung jagte die nächste. Nach der letzten Zwangspause "bin ich schlecht ’reingekommen", sagt er. Einmal wechselte sein Trainer Thomas Schaaf ihn noch vor der Halbzeitpause aus."Zuletzt gab’s aber einen Aufwärtstrend", sagt Tim Borowski über sich selbst. Es wäre nicht das Schlechteste, wenn der Trend sich Sonntag fortsetzt und noch mit Effizienz angereichert wird, für ihn nicht, für Löw nicht - und für Werder auch nicht.