Kreiszeitung 06.02.2008

"Ruhe und Verbissenheit"


Wie Thomas Schaaf zurück zum Erfolg finden will / "Diesmal wehren wir uns gegen die Bayern anders"

Von Björn Knips

BREMEN Der Start ins neue Fußball-Jahr ging für ihn und sein Team gehörig daneben. Doch Werder-Coach Thomas Schaaf ist deswegen alles andere als missmutig. Im Gegenteil: Geduldig stellt er sich den Fragen nach den Gründen für den verpatzten Auftakt. Der 46-Jährige glaubt fest daran, dass Werder weiter auf einem guten Weg ist und den Bayern sowohl am Sonntag als auch in Zukunft Paroli bieten kann. Dabei vertraut er seinem Erfolgsrezept "Ruhe und Verbissenheit" - sowie Sportchef Klaus Allofs. Von dessen Verbleib in Bremen ist Schaaf fest überzeugt.

Zwei Pflichtspiele, zwei Niederlagen - würden Sie das als Fehlstart bezeichnen?

"Wenn Sie das so interpretieren, ist das Ihr gutes Recht. Aber ich sage: Wir haben die Ergebnisse nicht liefern können. Wir haben gut und intensiv in der Vorbereitung gearbeitet, das konnte man jetzt auch auf dem Platz sehen. Aber letztendlich fehlt uns etwas, um diese Spiele durchzubringen."


Was genau?

"Wir machen in der Defensive zu einfache Fehler - auch individuell. Und in der Offensive verpassen wir es, den Gegner auf Abstand zu halten. Wir müssen dem Gegner den Mut nehmen, und das geht am besten mit Toren."


Aber warum gelingt das nicht?

"Uns fehlen wichtige Spieler. Außerdem sind Akteure wie Diego noch nicht im optimalen körperlichen Zustand. Vielleicht hat man jetzt auch registriert, warum ich Diego in Dortmund nicht von Beginn an gebracht habe. Glauben Sie denn, ich würde mich ohne Grund der Qualität eines solch herausragenden Spielers berauben? Da müsste ich doch krank sein."


Es scheint fast so, als käme das Spitzenspiel gegen die Bayern wieder zu früh. In der Hinrunde gab's bei ähnlichen Voraussetzungen ein heftiges 0:4.

"Diese beiden Situationen kann man nicht miteinander vergleichen. Wir haben zwar jetzt auch Verletzungssorgen, aber damals war es anders. Da konnten wir vorher nichts aufbauen, da musste viel zu viel hin- und hergeworfen werden. Die Spieler, die damals zur Verfügung standen, waren bei weitem noch nicht so weit wie jetzt. Deshalb erwarte ich, dass wir uns diesmal anders wehren werden."


Die Bayern haben in der Winterpause mal eben zwölf Millionen Euro für den Brasilianer Breno locker gemacht. Das ist bei Werder im Moment noch undenkbar. Sind Sie da als Trainer nicht neidisch auf Ihren Kollegen?

"Nein, ich kenne doch die Möglichkeiten von Werder. Es ist sicherlich für uns utopisch, im Winter noch einmal so eine Summe nachzulegen, nachdem man schon im Sommer so groß investiert hat. Da müsste schon ein Großinvestor kommen, obwohl sich Werder in den letzten Jahren auch wirtschaftlich weiter entwickelt hat."


Für die kurzfristige Verpflichtung von Mesut Özil wurden über vier Millionen Euro Ablösesumme hingeblättert. Nicht gerade wenig für einen 19-Jährigen . . .

"Das war realisierbar, weil wir andere Spieler abgegeben haben. Aber schauen Sie doch mal, was andere Vereine auf dem Transfermarkt für diese Summe bekommen haben. Wir haben einen 19-Jährigen geholt, der U 21-Nationalspieler ist, der als eines der größten Talente Deutschlands gilt, der schon 30 Pflichtspiele gemacht hat, der schon Champions League gespielt hat. Dann muss man einfach auch mal sagen: Diesen Schritt machen wir, weil er eine gewisse Phantasie beinhaltet."


Ist der Druck für einen Bayern-Trainer größer als für einen Werder-Coach? Schließlich heißt es immer so schön: In Bremen kann in Ruhe gearbeitet werden.

"Natürlich ist die Erwartungshaltung bei den finanziellen Voraussetzungen der Bayern prinzipiell so, dass man immer der Beste sein muss. Das ist nicht einfach für einen Trainer. Und es zeugt von Qualität, wenn man es schafft, diese hohen Erwartungen zu erfüllen."


Mit Werder befinden Sie sich in der angenehmen Rolle, die Bayern mit weniger Mitteln nur ärgern zu müssen?

"Es geht nicht darum, irgendjemanden zu ärgern, sondern darum, alles zu erzielen, was machbar ist. Dazu braucht man eine gewisse Ruhe, Souveränität und Gelassenheit, aber eben auch Druck, Verbissenheit und Initiative."


Dennoch: Wenn Bayern und Werder ihre Voraussetzungen voll ausschöpfen, ist doch klar, wer am Ende vorne liegt, oder?

"Nein. Beide Mannschaften besitzen hervorragende Spieler und können deshalb auf einem Level spielen, wenn alles gut geht. Aber Bayern kann mit seinem Kader in der Breite besser reagieren als wir. Die schieben bei Ausfällen auch am Ende noch einen Spieler nach, der seine Klasse schon über einen längeren Zeitraum bewiesen hat. Wir sind auch von allen unseren Spielern überzeugt, jeder hat hervorragendes Potenzial. Aber einige im Kader müssen sich noch entwickeln, da kann es sein, dass nicht in jedem Spiel eine Leistung auf konstant hohem Niveau herauskommt."


Woran liegt es, dass bei Werder gerade in dieser Saison so viele Spieler verletzungsbedingt ausgefallen sind?

"Das ist schwer zu erklären, zum Teil war es ganz einfach Unglück. Zum anderen haben wir schon vor drei Jahren angemerkt, dass die Belastung der Spieler durch die verschiedenen Wettbewerbe und die Nationalmannschaft viel zu hoch ist. Irgendwann fallen diese Akteure für einen längeren Zeitraum aus - das gilt für alle Clubs."


Aber warum kommt es bei Werder zu so vielen Rückschlägen bei gerade genesenen Spielern?

"Fakt ist doch, dass man bei einer Verletzung eigentlich nie sagen kann, wie lange es dauert. Und Rückschläge gehören leider auch dazu, obwohl vorher alles beachtet worden ist. Wir sind ganz sicher kein Verein, der einen verletzten Spieler öffentlich unter Druck setzt, dass er schnell wieder auflaufen muss. Wir geben ihm die Zeit zur Gesundung."


Was schlagen Sie vor, um die Belastung der Profis zu verringern?

"Viele sagen ja, die Winterpause muss weg. Aber das ist für einige Spieler die einzige Gelegenheit, Ruhe zu bekommen. Denn im Sommer sind die guten Spieler mittlerweile doch jedes Jahr bei großen Turnieren oder irgendwelchen Qualifikationsspielen im Einsatz. Die spielen praktisch durch. Deshalb ist die Winterpause mehr als sinnvoll, möglicherweise könnte eine Verlängerung helfen. Meinetwegen macht man dann die Sommerpause etwas kürzer."


Anderes Thema: Sportchef Klaus Allofs hat seinen 2009 auslaufenden Vertrag noch nicht verlängert. Glauben Sie, dass er bleibt?

"Ich hoffe und wünsche es mir. Er ist ein absoluter Fachmann, der die richtige Nase und das notwendige Geschick hat, Dinge anzugehen. Er steht mit seiner Arbeit für eine unglaubliche Qualität. Ich denke, dass er seinen Weg mit Werder weitergeht, denn auch für Klaus passt es hier gut."


Und was würde Klaus Allofs an Werder Bremen verlieren?

"Klaus Allofs ist ein kreativer Mensch und hat hier in Bremen die notwendigen Freiheiten für seine Arbeit, weil das Vertrauen sehr groß ist."