Weser-Kurier 15.01.2008

"Ich habe keine Lügengeschichten erzählt"

Tim Borowski: Fadenscheinige Verhandlungen vermieden / Vorzeitiger Wechsel zu den Bayern derzeit kein Thema

Tagelang wollte er gar nicht reden mit den Journalisten in Belek, gestern musste er: Tim Borowski hat vor einer großen Medienrunde im Mannschaftshotel seine Beweggründe für den Wechsel zum FC Bayern München erläutert. Unser Redakteur Thorsten Waterkamp war dabei und hat das Gespräch mit dem Mittelfeldspieler aufgezeichnet, dessen Dreijahresvertrag mit den Münchnern im Sommer beginnt.

Frage: Herr Borowski, Sie verlassen nach elf Jahren Werder. Warum?

Tim Borowski: Ich habe mir im Winterurlaub Gedanken gemacht zur Situation und mit meiner Familie gesprochen. Ja, dann ist die Anfrage vom FC Bayern gekommen. Ich sehe das als eine Herausforderung, gerade jetzt. Ich bin 28 im Sommer - für mich stand fest, wenn ich noch was Neues machen möchte, dann ist das jetzt der richtige Zeitpunkt.



Von Klaus Allofs heißt es, dass Sie auf Werders Vertragsangebot gar nicht reagiert haben. War der Wechsel so früh schon klar?

Nein, ganz im Gegenteil. Das habe ich ja schon betont: Werder war für mich der erste Ansprechpartner. Ich bin aber nicht so scheinheilig und unehrlich, dass ich im neuen Jahr noch irgendwelche fadenscheinigen Verhandlungen führe, um eine Alibi-Situation herzustellen. Deshalb bin ich am Sonntagabend zu Thomas Schaaf und Klaus Allofs gegangen und habe ihnen mitgeteilt, dass meine sportliche Zukunft ab Sommer 2008 in München liegt.


War das Bremer Angebot zu niedrig? Normalerweise nimmt man ja nicht gleich das erste Angebot an, sondern verhandelt auf dieser Basis. Das ist hier aber nicht passiert.

Daran erkennt man ja auch, dass es mir nicht ums Geld geht, sondern um eine neue sportliche Herausforderung. Das ist der Beweggrund.


Ein vorzeitiger Wechsel kommt nicht in Frage?

Das ist derzeit von allen Seiten kein Thema.


Die Frage liegt aber nahe. Werders Fans begleiten den Wechsel sicherlich nicht mit donnerndem Applaus, das könnte ein Spießrutenlauf werden.

Damit muss ich ein Stück weit schon rechnen. Aber ich denke, dass der Verein mir einiges gegeben hat und ich dem Verein auch einiges gegeben habe. Ich bin offen und ehrlich mit der ganzen Situation umgegangen und habe keine Lügengeschichten erzählt. Das zeichnet mich aus, und ich hoffe, das wird auch akzeptiert. Ich habe ein gutes Gewissen.


Welche Rolle hat Jürgen Klinsmann gespielt?

Gar keine Rolle.


Das heißt, Ihre eigene Entscheidung stand schon zu einem Zeitpunkt fest, als Sie noch gar nicht wussten, dass Jürgen Klinsmann neuer Trainer beim FC Bayern München wird?

So ist es.


Was bedeutet die Klinsmann-Verpflichtung im Nachhinein für Sie?

Das ist sicherlich für mich positiv zu bewerten, aber letztlich muss man sich trotzdem beweisen. Insofern ist es eigentlich egal.


Wie sehr hat die Auswechselung gegen Leverkusen, als Sie schon nach 31 Minuten vom Platz mussten, die Entscheidung beeinflusst?

Das haben wir frühzeitig ausgeräumt, der Trainer und ich. Die Geschichte ist absolut geklärt.


Der Trainer hat gesagt, dass ein Gespräch mit ihm gar nicht mehr stattgefunden hat, es klang, als würde er es bedauern. Können Sie diese Enttäuschung nachvollziehen?

Den Gesprächsbedarf habe ich erfüllt, indem ich gesagt habe, so sieht es aus, ich möchte den Verein im Sommer verlassen. Natürlich haben wir schon ein besonderes Verhältnis, der Trainer und ich, weil wir uns so lang kennen. Ich hab’ damals ein Probetraining in Bremen absolviert, anschließend hat er mich zu Werder beordert. Ich bin ihm sehr dankbar für das, was er mir mit auf den Weg gegeben hat.


Haben Sie das Gefühl gehabt, dass Werder alles versucht hat, Sie zu halten?

Ich denke, dass sie versucht haben zu ermöglichen, was in ihrer Macht steht.


War das erste Angebot inakzeptabel, weil es Ihrer Meinung nach Ihren Stellenwert im Team nicht widergespiegelt hat?

Dazu will ich mich gar nicht weiter äußern.


Was hätte Werder denn in die Waagschale werfen müssen, um doch eine Chance zu haben?

Die Frage stellt sich jetzt nicht, weil die Entscheidung gefallen ist.


Hat Werder überhaupt eine Chance gehabt?

Ja, das habe ich ja mehrmals betont. Jeder, der mich kennt, weiß auch, dass es ernst gemeint ist, was ich sage. Werder war mein erster Ansprechpartner.


Glauben Sie, dass Ihre Entscheidung Auswirkungen hat auf Ihre Spielanteile bei Werder in der Rückrunde?

Das hoffe ich natürlich nicht. Jeder, der mich hier im Trainingslager sieht, erkennt, dass ich Vollgas gebe. Und das werde ich beibehalten. Das ist auch wichtig: Ich stehe schließlich in der Verantwortung als Führungsspieler.