News 07.03.2008, 01:30 Uhr

Wiese-Patzer hinten, Ideenlosigkeit vorn


Das war wieder so ein Abend, den Torhüter am liebsten aus dem Gedächtnis streichen wollen. 45 Minuten lang standen die Grün-Weißen sicher, ließen vor dem eigenen Tor nur ganz wenig zu und dann das: Ein unglaublicher Patzer von Tim Wiese nach einem Schuss von David Cousin. "So ein Mist, das darf natürlich nicht passieren. Der Ball flatterte ganz schön, rutscht mir dann druch die Hände. Ich hatte erst gehofft, dass er von dort noch auf die Latte springt, doch da war er plötzlich drin", nahm Tim Wiese bei der Beschreibung der Szene kein Blatt vor den Mund. Selbstkritisch räumte er auch eine Mitschuld beim zweiten Gegentreffer ein: "Das Ding muss ich festhalten."

Dabei knüpfte der Keeper eigentlich dort an, wo er in den letzten Wochen aufgehört hatte. Bereits in der zweiten Minute entschärfte er einen gefährlichen Schuss mustergültig. "An solchen Tagen, an denen nichts geht, weißt du das eigentlich schon morgens, heute ging es aber auch im Spiel noch ganz gut los", so Wiese ratlos. "Das muss ich jetzt einfach abhaken und weitermachen. "Schön, dass es schon am Samstag weitergeht."

Der Fehler des Keepers spielte den völlig destruktiven, auf Absicherung bedachten Hausherren total in die Karten. "Bis dahin lief es doch ganz gut. Wir hatten zwar vorn auch keine Durchschlagskraft, aber die Rangers hatten fast keine Chance. Bis dahin war es ein typisches 0:0-Spiel. Mit seinem Fehler war Tim heute maßgeblich an der Niederlage beteiligt, von da an änderte sich das Spiel. So ist das für einen Torhüter. Noch vor kurzer Zeit wurde er gefeiert. Erst am Wochenende gegen Dortmund hat er stark gehalten." Aus Sicht von Klaus Allofs wird Tim Wiese diesen Abend aber verarbeiten können. "Er hatte in der Vergangenheit schon solche Situationen erlebt und ist daraus gestärkt hervorgegangen."

Überhaupt blieben Vorwürfe an den Keeper völlig aus. Bei den Kollegen war Zurückhaltung angesagt. "Über diese Szene lässt sich schwer ein richtiges Urteil bilden. Tim weiß am besten, was da genau passiert ist", sagte Diego diplomatisch. Sebastian Boenisch formulierte es so: "Jeder konnte sehen, dass es zwei Torwartfehler waren, aber was sollen wir ihm da sagen. Wir lassen ihn in Ruhe, er wird oft genug an die beiden Situationen zurückdenken." So handhabte es auch Cheftrainer Thomas Schaaf, der den Torhüter erstmal in Ruhe ließ. "Wer den Fußball liebt und schon mal selbst gespielt hat, weiß, wie sich der Spieler jetzt fühlt. Darüber müssen wir heute Abend nicht reden. Jeder weiß, dass er unglücklich ist, das müssen wir nicht betonen. Keiner weiß, warum solche Fehler passieren, aber sie passieren, leider auch in so einem wichtigen Spiel. Aber Tim ist hier nicht allein angetreten. Wir haben hier als Mannschaft verloren."

Auch Klaus Allofs betonte, dass Tim Wiese keineswegs der Alleinschuldige an der Niederlage war. "Insgesamt war ich schon von der Vorstellung enttäuscht. Wenn wir das nächste Mal wieder in der Offensive so spielen, dann werden wir auch dann kein Tor schießen. Hätten wir nur einmal getroffen, sähe die Welt doch schon anders aus, aber es ist uns nichts gelungen." Cheftrainer Thomas Schaaf kritisierte ebenfalls das Spiel nach vorn. "Wir sind nicht zum Abschluss gekommen. Von hinten heraus und im Mittelfeld haben wir teilweise noch ganz ordentlich kombiniert, aber vorn ging nichts. 20 Meter vor dem Tor ist bei uns nichts entscheidendes passiert. Das war schlecht."

Für Werders Diego war dafür die Defensivstärke der Schotten verantwortlich. "Sie haben das Zentrum zugestellt. Wir wollten zwar deswegen über die Außen in die Mitte reinstoßen, doch das ist uns nie gelungen", so der kleine Brasilianer, der auch nicht seinen besten Tag hatte. "So wie ihm ging es aber der gesamten Mannschaft", so Klaus Allofs. Per Mertesacker räumte das ein. "Uns hätte mehr einfallen müssen. Wir haben immer wieder schön die Flanken gewechselt, aber vorn fiel uns dann nichts ein. Das ist schon bitter, dass wir nur einen Torschuss hatten. Zwar hätte uns dann auch ein Remis gereicht, aber wir haben das aus der Hand gegeben. Das ist schon bitter, weil wir erst ganz gut standen, und sogar besser ins Spiel kamen. Die defensive Taktik der Rangers spielte uns sogar zunächst in die Karten. Der Schuss zum 1:0 war doch die pure Verzweiflung der Rangers, weil ihnen auch nichts einfiel."

aus Glasgow berichtet Michael Rudolph