Weser-Kurier 01.02.2008

Auf den letzten Drücker


Werder legt eine falsche Fährte - und angelt sich im letzten Moment das begehrte Schalker Talent Mesut Özil

Von Olaf Dorow

BREMEN. Es ist noch nicht allzu lange her. Man fragte Manager Klaus Allofs, ob Werder am Schalker Talent Mesut Özil interessiert sei. Özil geriet zum Jahreswechsel auf den Markt. Der Klub und die Fraktion aus Spieler, Spielervater, Spielerberater hatten sich hoffnungslos zerstritten. Allofs verneinte ein Interesse. Gestern hat Werder Mesut Özil verpflichtet, und zwar ab sofort.

Özil ist 19 Jahre jung, Mitglied der deutschen U-21-Auswahl und wird in der Branche so hoch gehandelt wie nicht sehr viele 19-jährige Profis. In den letzten Woche wurde das Stuttgarter sowie das Hannoveraner Begehren ruchbar. Mit dem VfB soll sich der talentierte offensive Mittelfeldspieler sogar schon einig gewesen sein. Nur die Vereine konnten sich nicht auf eine Ablösesumme verständigen, so heißt es.Werder konnte es, wenn auch auf den letzten Drücker. Gegen halb zwölf am Mittag, so teilte Allofs eine Stunde später mit, sei der Spieler gestern auf der Transferliste registriert worden. Für einen sofortigen Wechsel musste das bis spätestens zwölf Uhr geschehen. Zwölf Stunden später wurde dann das Transferfenster für ein halbes Jahr geschlossen. Um 18.57 Uhr meldete die Werder-Homepage, dass Mesut Özil in Bremen einen Vertrag bis 2011 erhält.

Telefonisch hatten am Nachmittag Allofs und sein Schalker Kollege Andreas Müller Einigkeit über die Ablösesumme erzielt. Im Raum standen zunächst fünf Millionen Euro plus eine Aufstockung von einer Million, sollte Özil Länderspiele für die A-Auswahl absolvieren. Vermutlich sank der Grundbetrag auf etwas mehr als vier Millionen, die Länderspiel-Prämie könnte jedoch auf rund anderthalb Millionen gestiegen sein.

"Unser Interesse besteht seit längerem", sagte der Klaus Allofs gestern und ließ damit durchblicken, wie nah an der Wirklichkeit so mancherlei Aussagen im Transfergeschäft sind. Man könne "nicht immer alles nach außen kehren", meinte Allofs. Er sei froh gewesen, dass die Öffentlichkeit sich nach Stuttgart und Hannover wandte, aber nicht nach Bremen. So konnten die Werderaner abseits der falschen Fährte mit dem Spieler, mit dessen Vater Mustafa und dessen Berater Reza Fazeli sprechen. Werder angelte sich den begehrten Spieler - und stach dann die konkurrierenden Vereine aus.

Vater Özil und Berater Fazeli hatten eine tragende Rolle in jener kantigen Geschichte gespielt, an deren Ende Schalke sein Talent nicht mehr haben wollte. Der königsblaue Klub, bei dem Özil bis 2009 unter Vertrag stand, bot zur Weihnachtszeit eine Vertragsverlängerung an, gewürzt mit einer fetten Anhebung des Gehalts. Bei Ausschöpfung aller Prämien wären rund 1,5 Millionen per anno zusammen gekommen. Man kann sich das genau ausrechnen, wenn man die entsprechende Ausgabe der Bild-Zeitung liest. Dort landete das vertrauliche Papier mit der Gehaltsofferte. Mustafa Özil und Reza Fazeli witterten Verrat. Schalke wies den Verdacht, das Papier lanciert zu haben, von sich. Seitdem rätselte man, ob wömöglich eine Hakelei zwischen Spielerberatern Schuld an allem sein könnte. Jedenfalls blieb nur ein zerschnittenes Tischtuch übrig und den jungen Kicker begleitete fortan der Ruf, geldgierig zu sein.

Werder hatte in den letzten Jahren viele Leistungsträger gen Schalke ziehen lassen (Rost, Krstajic, Ailton, Ernst). Jedesmal hieß es dabei, Schalke habe die Bremer Leistungsträger mit Geld zugeschüttet. Nun holt Werder jemanden, den sich der Deutsche Meister aus Stuttgart nicht leisten kann. Jemanden, dem mit 19 ein Millionenvertrag auf Schalke angeblich zu wenig ist? "Wenn wir das so beurteilt hätten, dann hätten wir uns nicht damit beschäftigt", sagt Allofs. Von der Özil-Fraktion heißt es, sie habe der sportlichen Perspektive auf Schalke nicht recht getraut.

Zu seinem neuen Verein sagte Mesut Özil gestern: "Ich sehe für mich bei Werder die beste Möglichkeit, mich weiter zu entwickeln." Werders Trainer Thomas Schaaf sagte: "Mit ihm sind wir im Mittelfeld noch variabler." Er freue sich auf die Zusammenarbeit. Es wäre nicht das erste Mal, dass unter Schaaf ein Talent gedeiht, das andernorts ein Problem darstellte. So wie es auch nicht das erste Mal war, dass Werder einen Transfer in aller Stille abwickelte.