DTTB-Herren und -Damen reisen optimistisch zur WM nach China

Frankfurt/Tokio/Guangzhou. Zwei Tage sind es noch bis zum ersten Aufschlag bei den 49. Evergrande Real Estate Mannschafts-Weltmeisterschaften im südchinesischen Guangzhou. Gestern Abend erreichte die deutsche Auswahl nach dem mehrtägigen Trainingsaufenthalt in Tokio die Provinzhauptstadt Guangdongs mit leichter Verspätung. "Das Trainingslager in Japan war sehr gut", sagte DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig. "Alle sind jetzt ganz fokussiert auf die WM."

Trotz der Absage von Europameister Timo Boll (Düsseldorf), der mit einer Patellasehnenentzündung ausfällt, ist Herren-Bundestrainer Richard Prause mit seinem Team um Dimitrij Ovtcharov (Düsseldorf, Foto) optimistisch vor dem ersten Höhepunkt des Jahres 2008 – neben den Olympischen Spielen im August in Peking und den Europameisterschaften im Oktober in St. Petersburg. „Wir haben nach wie vor eine spielstarke Mannschaft. Das beweisen die Weltranglistenpositionen ebenso wie die internationalen Erfolge unserer fünf Spieler“, stellte Prause klar, der mit seinem Team vor zwei Jahren Bronze und vor vier Jahren die Silbermedaille gewann. „Auch ohne Timo sind wir ein junges, begeisterungsfähiges Team, gegen das nur wenige andere Mannschaften gerne spielen werden. Daher reisen wir mit breiter Brust nach China.“ Die Wiederholung des Medaillenerfolgs der vergangenen beiden Weltmeisterschaften sei ohne Boll schwer, aber nicht ausgeschlossen. „Unser Ziel ist weiterhin, unter die ersten Drei in der Vorrundengruppe zu kommen“, fuhr Prause fort und versprach. „Wenn jeder seine Leistung abrufen kann, ist danach in der Hauptrunde Einiges möglich. Wir werden für viel Spannung bei der WM sorgen.“

Auftaktgegner der Herren: Russland

Bei der Mannschafts-WM sind die teilnehmenden Nationen auf vier Divisionen verteilt, zwischen denen es Auf- und Abstieg gibt. Die deutschen Herren und Damen spielen jeweils in der obersten Division, der Championship Division, und nur in dieser geht es um Medaillen und Titel. Dort sind jeweils 24 Mannschaften auf vier Sechsergruppen verteilt, in denen die Teams zunächst im System „jeder gegen jeden“ gegeneinander antreten. Mindestens Dritter von sechs Teams muss eine Mannschaft werden, um weiterhin um die Medaillen zu spielen. Der Gruppensieger wird direkt ins Viertelfinale gesetzt, der -zweite und -dritte beginnt im Achtelfinale, trägt also ein Spiel mehr aus. Als Vierter, Fünfter oder Sechster der Gruppe spielt ein Team um die Plätze 13 bis 24. In der Endrunde geht es im K.-o.-Verfahren weiter. Der dritte Platz wird nicht ausgespielt. Das WM-Austragungssystem ist unverändert geblieben: In einer Dreier-Mannschaft werden bis zu fünf Einzel ausgetragen. Gespielt wird auf drei Gewinnsätze. Sobald eine Mannschaft drei Begegnungen für sich entscheiden hat, hat sie die Partie gewonnen. Die Aufstellung ist frei wählbar.

Beide deutsche Teams wurden Ende Januar in Gruppe C gelost. Die DTTB-Herren (Dimitrij Ovtcharov, Christian Süß (beide Düsseldorf), Jörg Roßkopf (Jülich), Patrick Baum und Bastian Steger (beide Frickenhausen)) treffen als in der Gruppe an Position eins gesetzte Mannschaft auf Japan, Russland, Frankreich, Serbien und die Slowakische Republik. Auftaktgegner am Sonntag um 9.30 Uhr deutscher Zeit (Guangzhou liegt sieben Stunden voraus) ist Russland. Dann könnte es für den Weltranglisten-15., Dimitrij Ovtcharov, ein Aufeinandertreffen mit Spitzenspieler Alexei Smirnov geben, dem er sich im Viertelfinale des LIEBHERR Europe Top 12 in Frankfurt vor zwei Wochen noch geschlagen geben musste.

Nach dem Ausfall Bolls ist Ovtcharov Deutschlands Nummer eins in Guangzhou. Diese Rolle übernimmt der 19-Jährige gewohnt unbekümmert: „Mit Timo wäre es natürlich etwas anderes. Von ihm erwartet man normalerweise zwei Punkte als Führungsspieler. Jetzt sind wir auf uns allein gestellt. Aber alle fünf sind zurzeit gut in Form, und bei guter Leistung können wir fast jeden schlagen. Ich selbst mache mir daher keinen Druck, immer zwei Spiele gewinnen zu müssen.“ Rekordnationalspieler Jörg Roßkopf, der in Guangzhou seine 16. WM seit 1985 spielen wird, setzt auf den Überraschungseffekt seines Teams: „Die Erfolge von 2004 und 2006 zu wiederholen, wird schwer machbar sein, aber es ist vieles möglich“, so der Doppel-Weltmeister von 1989. „Wir sind fünf Spieler, die für unsere Gegner schwer auszurechnen sind. Bei Mannschafts-Weltmeisterschaften kann immer viel passieren. Es können sich zum Beispiel Athleten in den Mittelpunkt spielen, die vorher nur als Nummer drei, vier oder fünf einer Mannschaft eingeplant waren.“ Für Christian Süß ist es ein leichtes Rechenbeispiel: „Wenn jeder von den drei Leuten, die pro Spiel eingesetzt werden, jeweils einen Punkt holt, haben wir schon gewonnen.“

TTB-Damen streben Achtelfinaleinzug an

Deutschlands Damen (Wu Jiaduo (Kroppach, Foto), Elke Wosik (Busenbach), Zhenqi Barthel (Holsterhausen), Amelie Solja (Saarlouis-Fraulautern)) stehen in ihrer Gruppe C den dort favorisierten Hongkongchinesinnen gegenüber sowie Österreich, Weißrussland Spanien und Thailand, ihrem Gegner im Auftaktspiel am Sonntag um drei Uhr nachts deutscher Zeit. „Hätte ich die Wahl gehabt, hätte ich mir von den sechs Gruppen auch diese ausgesucht“, verriet Jörg Bitzigeio. „Alle Mannschaften in der Championship Division sind stark. Es gibt keine, gegen die wir ganz sicher gewinnen. Der Vorteil der Gruppe C ist, dass wir den Großteil unserer Gegnerinnen dort gut kennen. Hongkong ist der Favorit. Die übrigen Teams sind leistungsmäßig auf einem ähnlichen Niveau, vielleicht etwas abgesetzt von Thailand.“ Der Damen-Bundestrainer hofft auf den Achtelfinaleinzug seines Quartetts. „Das ist ein realistisches Ziel mit einer Mannschaft, die eine Mischung aus erfahrenen und jungen Spielerinnen mit verschiedenen Spielsystemen ist. Wenn wir das Achtelfinale erreicht haben, müssen wir vor allem die Auslosung abwarten. Insgesamt wollen wir besser abschneiden als 2006 in Bremen.“ Bei der Heim-WM wurde die DTTB-Auswahl Elfte.

Elke Wosik, mit 34 Jahren und zwölf WM-Teilnahmen die erfahrenste Spielerin im deutschen Nationaltrikot, steht diesem Ziel positiv gegenüber. „Alle sind fit. Die Stimmung in der Mannschaft ist sehr gut. Schon im Training können wir uns gegenseitig voll motivieren. Das wird uns in Guangzhou sehr zugutekommen.“ Die Jüngste im Aufgebot ist mit 17 Jahren Amelie Solja. Viermal Bronze bei Jugend-Weltmeisterschaften hat die Nummer 113 der Weltrangliste schon gewonnen, bei den Erwachsenen ist es jedoch ihr erster WM-Auftritt. „Natürlich werde ich ein bisschen aufgeregt sein“, weiß sie. „Außerdem gibt es bei den Damen viel mehr und komplexere Spielsysteme als bei den Mädchen. Aber bei Pro-Tour-Turnieren und in der Bundesliga habe ich schon einige kennen gelernt. Und gewinnen will ich sowieso immer – egal ob in der Jugend oder bei den Erwachsenen.“

Titelfavorit und -verteidiger bei Damen und Herren: China

An Position eins gesetzt ist bei Damen wie Herren Titelverteidiger und Gastgeber China. Beide Mannschaften sind in Guangzhou die Topfavoriten. Die Dominanz von Chinas Damen ist erdrückend: In den vergangenen 33 Jahren mussten die Chinesinnen nur 1991 einmal dem vereinten Team aus Nord- und Südkorea den Titel überlassen. In die Phalanx der chinesischen Herren einzubrechen, ist in den vergangenen 27 Jahren bei 13 WM-Turnieren lediglich viermal bei den Herren gelungen - 1989, 1991, 1993 und 2000 durch das Ausnahmeteam Schwedens. Nicht nur diese Statistik macht die Chinesen auch 2008 zum Topfavoriten, sondern auch ihre aktuelle Klasse: Fünf ihrer besten Spieler gehören in der Februar-Weltrangliste zu den ersten Sieben. In Guangzhou spielen die Damen und Herren aus dem Reich der Mitte in Gruppe A.

Veranstaltungsort

Ausgetragen werden die 49. Evergrande Real Estate Mannschafts-Weltmeisterschaften im Guangzhou Tianhe Gymnasium, einem der drei größten Sportarenen im Tianhe Sports Centre, das im Wirtschaftszentrum der Stadt Guangzhou liegt. Die Multifunktionshalle hat eine Grundfläche von 25.600 Quadratmetern und bietet 9000 Zuschauern Platz.