Frankreichs aussichtslose Fälle spielen in Nantes an Tisch drei

Nantes. Die Entscheidung wird nicht leicht sein: Wird Tisch Nummer drei nach dem Ende der europäischen Olympia-Qualifikation im Generalsekretariat des französischen Verbands in Paris aufgestellt oder im halbjährlichen Wechsel in den Wohnzimmern der Familien Chila und Legout? Eins ist jedenfalls sicher: Das Modell "DONIC World Champion" in der Mitte der östlichen Längsseite im Palais des Sports Beaulieu ist der Tisch der sportlichen Wiederauferstehung der Franzosen in Nantes. Nach Patrick Chila, der sich aus einem aussichtslosen Rückstand im Viertelfinale gegen Aleksandar Karakasevic rettete, absolvierte Christophe Legout (Foto) im Halbfinale gegen den Russen Fedor Kuzmin das Spiel seiner Karriere.

Der Sieger der Vorschlussrunde konnte für Peking buchen, und es sah lange so aus, als flöge er von Moskau aus ins Reich der Mitte. 7:11 und 1:10, so begann ein weiteres Drama des Geschichtsbuchs über das Turnier in Frankreich. Legout, der in der Runde zuvor gegen Petr Korbel schon an seine Leistungsgrenze hatte gehen müssen, musste Fedor Kuzmin bis zu diesem Spielstand ziehen lassen.

Dann geschah etwas, das Legouts Freund und Nationalteamkollege Patrick Chila zuvor selbst erleben durfte. Er kam zurück ins Match. Bis 9:10 konnte er noch verkürzen und verlor Durchgang zwei zwar, hatte aber die Gewissheit gewonnen, dass heute offenbar alles möglich war, wenn man für Frankreich spielte. Im fünften Durchgang, bei 1:3 in Sätzen aus seiner Sicht, egalisierte er Rückstände von 1:4 und 4:8 und wehrte bei 9:10 einen Matchball ab - mit einem frechen, langen Vorhandaufschlag auf die Rückhandseite, der gegen den völlig überraschten Kuzmin zum Ass geriet. Auch die folgenden beiden Punkte gingen an den Franzosen. Im sechsten Durchgang konnte Kuzmin einen Rückstand wettmachen und von 7:10 auf 10:10 egalisieren. Beim Stand von 10:11 kann Legout den Aufschlag nur halbhoch zurücklöffeln, der Russe verzieht. In der Satzpause gibt es unter den Zuschauern die erste Welle dieses Turniers. Papa Chila und Mama Legout, die einträchtig auf der Pressetribüne Platz genommen haben, machen mit. Für sie ist dieser Tag gleichzeitig schlimmer und schöner als für ihre Söhne. Den siebten Satz hat Fedor Kuzmin schon nicht mehr in der Hand, 0:3, 3:5, Legout trifft und trifft und steht zudem rechtzeitig auf jeder notwendigen Position. Daran ändert sich nichts, als Kuzmin bei 5:8 einen Riss im Ball entdeckt und dieser gewechselt werden muss. Ihm sollte kein weiterer Punkt gelingen.

Niemand zum Umarmen

Das französische Duell am Nebentisch war zu diesem Zeitpunkt längst beendet. Ob Trauzeugen in Frankreich geloben müssen, bei Spielen ums Olympia-Ticket zu verlieren, ist nicht bekannt. Für Damien Eloi war es jedenfalls die zweite Niederlage im zweiten Spiel gegen Patrick Chila. Als es im Dezember des Jahres 2003 in Luxemburg um Rang drei ging, unterlag er Patrick Chila. Im heutigen Halbfinale ebenso. Auch heute wusste Chila nicht so recht, wohin mit seiner Freude und Erleichterung. Ohne Coach an der Box ist niemand da zum Umarmen. So freute er sich still auf dem leeren Trainerstuhl, ballte nur dann und wann die Fäuste, um sich selbst zu versichern, dass er es wirklich geschafft hatte.

Eloi ging indes zurück zur Tribüne mit Frankreichs Betreuerteam. Sportler kennen diesen Gesichtsausdruck zur Genüge, der einem nach bestimmten Niederlagen entgegen gebracht wird. Es ist der, den sie am wenigsten von ihren Betreuern und Anhängern sehen wollen. Die Lippen sind schmall und aufeinander gepresst, die Mundwinkel ziehen sich auf einer Geraden nach außen. Der Blick wird kurz gesenkt, der Wimpernschlag ist einen Tick länger als normal. "Schade, Kopf hoch", bedeutet das in der weltweiten Sportmimik. Diesen Blick will er nach dem Spiel um 17.30 Uhr nicht noch einmal sehen. Dann geht es gegen Fedor Kuzmin um den letzten Startplatz bei dieser Olympia-Qualifikation.