Hoffen auf Boll und Olympia
Dezimiertes deutsches Tischtennis-Team wird WM-Siebter / Ovtcharov trumpft auf


Guangzhou (sid). Am Ende blieb nur die Hoffnung auf Timo Boll. Ohne seinen verletzten Star spielte Tischtennis-Europameister Deutschland bei der Mannschafts-WM mit dem 7. Platz im Konzert der Weltbesten nur die zweite Geige. Hatte sich der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) 2004 (Silber) und 2006 (Bronze) über Edelmetall gefreut, so wurde in Guangzhou durch ein 3:2 gegen Rumänien im letzten Platzierungsspiel die schlechteste Bilanz seit 1985 knapp verhindert.
Der EM-Dritte Dimitrij Ovtcharov (Düsseldorf) avancierte gegen die Rumänen mit 3:0-Siegen gegen George Coroian und Ovidiu Ionescu zum Mann des Spiels. Den dritten Punkt holte der frühere Junioren-Weltmeister Patrick Baum (Frickenhausen) durch ein 3:0 gegen Coroian.
Trotz des versöhnlichen Endes zog das deutsche Team eine klare Bilanz: „Die WM hat gezeigt, dass wir komplett antreten müssen, um gegen die asiatischen Teams zu gewinnen. Das ist unser Ziel für Olympia, und mit Timo haben wir dort eine Medaillenchance“, sagte DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig. Man habe bei der WM aber auch gezeigt, dass man auf europäischer Ebene auch ohne Boll jede Mannschaft schlagen könne.
Schimmelpfennig betonte, gemessen an den Umständen mit dem Ergebnis aber zufrieden zu sein – zumal das DTTB-Team vom Verletzungspech getroffen wurde. Außer dem gar nicht erst angereisten Boll (Patellasehnenreizung) mussten von der K.-o.-Runde an mit Christian Süß (Düsseldorf/Handprellung) und Bastian Steger (Frickenhausen/Muskelfaserriss im Oberschenkel) auch noch die Nummer 2 und 3 hinter Dimitrij Ovtcharov passen.
Der frühere Junioren-Weltmeister Baum und gar der aus dem Vorruhestand reaktivierte Jörg Roßkopf (Jülich) mussten in die Bresche springen. Und sie taten dies mit Bravour. „Was ,Rossi‘ hier gespielt hat, das war wirklich sensationell. Er hat den Kurs vorgegeben und gezeigt, was wir wollen“, sagte Sportdirektor Schimmelpfennig.
Durch seine starken Auftritte im Achtelfinale gegen Österreich und in der Runde der letzten acht gegen Südkorea, hat sich Deutschlands „Mr. Tischtennis“ sogar eine Mini-Chance auf Olympia erarbeitet. In der Peking-Planung gehe man zwar laut Schimmelpfennig von den Startern Boll, Ovtcharov und Süß mit Steger als Ersatzmann aus, „aber man soll nie nie sagen. ,Rossi‘ hat gezeigt, dass er da ist, wenn es darauf ankommt.“
Im Prinzip muss man dennoch von Roßkopfs letztem großen Auftritt auf internationaler Bühne ausgehen. Vom Sommer an soll der Rekordnationalspieler das DTTB-Team im Idealfall als Betreuer verstärken.
Die Zukunft am Tisch gehört anderen, allen voran dem 19 Jahre alten EM-Dritten Ovtcharov, der in Guangzhou seine erste WM spielte. „Er ist hier ja nicht als Debütant, sondern schon in der Rolle des Leistungsträgers aufgetreten. Soweit wie Timo ist er natürlich noch nicht, aber im Hinblick auf Olympia war die WM sehr wichtig für ihn“, meinte Schimmelpfennig.
Lediglich im ersten Platzierungsspiel gegen Taiwan (1:3) leistete sich der frühere Hamelner eine Schwäche, zu groß war die Enttäuschung nach dem verlorenen Viertelfinale gegen Südkorea (1:3). Für Bundestrainer Richard Prause waren die letzten beiden Einsätze ohnehin bedenklich: „Über den Sinn und Unsinn dieser Platzierungsspiele sollte man generell in Zukunft nachdenken. Nach einer verpassten Medaille und sieben harten Turniertagen bewegt man sich da auf einem schmalen Grat.“