Timo Boll vor DM: "So viel Matchpraxis wie möglich"

Hamburg/Düsseldorf. Noch einen nationalen Titel benötigt Timo Boll, dann würde er mit den Stars der 50er- bis 70er-Jahre, Conny Freundorfer und Eberhard Schöler, gleichziehen. Bereits acht Mal konnte sich der dreifache Europameister von Belgrad 2007 bei deutschen Meisterschaften durchsetzen und hat damit ebenso viele Erfolge auf seiner Habenseite wie der Doppel-Weltmeister von 1989 und deutsche Rekordnationalspieler, Jörg Roßkopf. "So ein Titel ist immer eine schöne Sache. Auch in der ewigen Bestenliste vorne zu stehen, hat seinen Reiz für mich", sagt Boll, doch in diesem Jahr steht für ihn nur ein Turnier im Vordergrund: die Olympischen Spiele in Peking im August. Eine Medaille will er dort gewinnen, seine erste olympische, und zwei Chance dafür hat er im Einzel- und im Mannschaftswettbewerb.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Dieser führt ihn vom 28. bis 30. März erst einmal über Hamburg. Die deutschen Meisterschaften der Damen und Herren in der Sporthalle Hamburg sind sein erster großer Formtest nach einer Zwangspause. Ein intensives Fitnessprogramm zwischen Weihnachten und Neujahr hatte die Patellasehne im rechten Knie stark belastet. Beim LIEBHERR Europe Top 12 in Frankfurt, dem kontinentalen Ranglistenturnier Anfang Februar, trat Boll gehandicapt an und schied in der Vorrunde aus. "Das war wohl etwas zu früh, aber ich wollte die Fans in meiner Heimatregion nicht durch eine Absage enttäuschen", wie er rückblickend erklärte. Die Mannschafts-Weltmeisterschaften Ende Februar sagte er schweren Herzens, aber konsequenterweise ebenso ab, wie die Pro-Tour-Turniere zu Beginn des Monats in Kuwait und Katar.

Hamburg ist der "erste größere Härtetest"

"Die Entzündung der Patellasehne ist nun abgeklungen. Ich absolviere aber immer noch ein Aufbauprogramm, muss mich zügeln und die Belastung langsam steigern, um nichts zu riskieren", so Boll. "Hamburg ist für mich ein erster größerer Härtetest. Außerdem brauche ich, wenn ich wieder fit bin, so viel Matchpraxis wie möglich. Wenn ich mein Trainings- und Turnierkonzept bis Peking nun konsequent verfolgen kann, ist bei den Spielen für mich noch alles drin." Zügeln muss er sich auch beim Wettkampfprogramm in Hamburg. Auf einen Einsatz im Doppel an der Seite seines Düsseldorfer Teamkollegen Dimitrij Ovtcharov verzichtet er. Im Einzel ist der 19-jährige Ovtcharov, auf den er auf Grund der Setzung frühestens im Finale treffen könnte, einer seiner ärgsten Konkurrenten. "Ich bin als Titelverteidiger natürlich der Gejagte", weiß der 27-jährige gebürtige Hesse. "Dimi ist in ganz guter Verfassung und hat mich bei den Weltmeisterschaften hervorragend vertreten. Aber auch unsere anderen WM-Helden, Bastian Steger, Jörg Roßkopf und Patrick Baum, sind in Hamburg ganz vorne zu erwarten. Die Liste der Medaillenanwärter ist lang." Zoltan Fejer-Konnerth hatte sich im Jahr 2000 in die DM-Siegerliste eingetragen, Torben Wosik im Jahr zuvor. Werder Bremens Lars Hielscher ist auf dem Weg zurück ins Nationalteam. Nicht mit dabei ist Christian Süß. Bolls langjähriger Doppelpartner, mit dem er neben dem EM-Titel im vergangenen Jahr WM-Silber 2005 gewann, bereitet sich auf die europäische Olympia-Qualifikation in Nantes vor, die am 2. April beginnt. Dort will sich Süß das dritte deutsche Ticket nach Peking neben Boll und Ovtcharov erspielen.

Turniere und Wettkämpfe in Deutschland nutzt Boll auch für Medientermine, die gerade vor Olympia immer mehr werden. So ist er am kommenden Donnerstag Gast in der ZDF-Sendung "Johannes B. Kerner", die in Hamburg produziert wird. Auch international ist er gefragt: Bis Peking schreibt er regelmäßig Kolumnen in der auflagenstärksten chinesischen Sportzeitung, Titan Sports, und in einem der angesehensten Internet-Portale, sohu.com. Das chinesische Staatsfernsehen hat sich für Anfang April angekündigt. CCTV porträtiert ausgewählte, ernst zu nehmende Gegner chinesischer Athleten. Boll, zurzeit die Nummer fünf der Weltrangliste in der vom Reich der Mitte dominierten Sportart, gehört seit Langem dazu. Während der WM wurde in chinesischen Foren sogar gemutmaßt, er verzichte auf die WM, um sich mit einem Geheimtraining speziell auf Olympia vorzubereiten. Solche Gerüchte zeigen seinen Stellenwert im Welttischtennis, aber amüsieren Deutschlands und Europas Nummer eins eher. "Zu meinem Leidwesen war das nicht so", kommentierte er knapp. In Hamburg präsentiert er sich und seine aktuelle Form zumindest national. "Bis zu den Olympischen Spielen muss ich mit meiner Leistung noch einen großen Sprung nach vorne machen", weiß er. "In Hamburg werde ich dazu jedes Spiel nutzen."