Wosik und Hain-Hofmann gewinnen DM der Überraschungen

Hamburg. Die deutschen Meisterschaften der Damen und Herren blieben auch am Schlusstag ein Turnier der Überraschungen. Dabei kamen die rund 2200 Zuschauer am Sonntag in der Sporthalle Hamburg vor allem bei den vier Endspielen, die alle über die volle Distanz von sieben Sätzen gingen, voll auf ihre Kosten.

Der 34-jährige Torben Wosik (Angers, Frankreich) sicherte sich nach 1999 seinen zweiten nationalen Einzeltitel, für die 28-jährige Tanja Hain-Hofmann (Berlin) war es der erste Einzelerfolg. In den Doppeln standen erstmals Dimitrij Ovtcharov (Düsseldorf) und Patrick Baum (Frickenhausen) ganz oben auf dem Treppchen. Die Damen-Konkurrenz entschieden Nadine Bollmeier (Tostedt) und Alexandra Scheld (Uentrop) zum dritten Mal für sich.

Wosik war nach Sieg ergriffen
Vor allem Wosiks Endspielgegner hatte während des gesamten Turniers für Schlagzeilen gesorgt. Lei Yang, 30-jährige Nummer zwei und Spielertrainer des badischen Oberligameisters ASV Grünwettersbach, spielte sich bei seiner ersten DM-Teilnahme als Ungesetzter in die Hauptrunde – mit einer Niederlage gegen Roman Rosenberg aus Bergneustadt -, wo er nach Rekordnationalspieler Jörg Roßkopf im Achtelfinale am Morgen im Halbfinale auch Titelverteidiger Timo Boll (Düsseldorf) bezwang. „Ich bin in einer guten Form", erklärte Lei Yang. "Ich kann diesen Sieg gegen Timo aber durchaus einschätzen. Normalerweise darf er gegen mich nicht verlieren, aber ich habe heute meine Chance genutzt“, sagte er und spielte dabei auf den Trainings- und Wettkampfrückstand des amtierenden dreifachen Europameisters nach dessen mehrwöchiger Verletzungspause an.
Lei indes ist national keine unbekannte Größe. Als Spitzenspieler des TSV Gräfelfing spielte er in der 1. Bundesliga sowie lange Zeit in der zweithöchsten deutschen Spielklasse. In Deutschland lebt der gebürtige Chinese seit 1998, seit Anfang 2007 hat er einen deutschen Pass. „International oder für Deutschland zu spielen, ist nicht mein Ziel. Ich spiele jetzt in erster Linie für mich selbst und natürlich für meinen Verein“, so Lei. Und entsprechend locker war er auch während des gesamten Turniers.

rst Torben Wosik konnte seinen Siegeszug im Finale stoppen. Der EM-Zweite von 2003 war nach dem Sieben-Satz-Match voller Emotionen, hatte in der Box Tränen in den Augen: „Dieser Titel bedeutet mir mehr, als der vor neun Jahren. Ich spiele erfolgreich in Frankreich, aber in Deutschland bekommt das fast keiner mit. Da ist so ein Erfolg natürlich eine besondere Genugtuung.“ Er ergänzte: "Lei hätte den Titel genauso verdient. Er hat zwei Stars rausgehauen und ein tolles Turnier gespielt. Er hat vor allem mit seiner Penholder-Rückhand sehr starke Topspins getroffen. Das hat mich überrascht." Für Lei Yang, amtierender baden-württembergischer Meister, endete seine erste Teilnahme an den deutschen Meisterschaften mit einer unerwarteten Silbermedaille. Seine Niederlage nahm er sportlich: "Ich bin hergekommen, um Spaß zu haben. Ich dachte, ich fliege in der ersten Runde raus und schaue mir dann die Stadt an. Dass es der zweite Platz geworden ist, freut mich natürlich."

Timo Boll nahm sein Halbfinal-Aus gelassen. „Davon geht die Welt nicht unter. Nach den letzten Trainingseindrücken war mir klar, dass ich keine gute Form habe. Das Wichtigste ist, dass ich schmerzfrei und unverletzt durch das Turnier gekommen bin. Ich werde jedes Training, jedes Spiel und jedes Turnier in den kommenden Wochen nutzen, um mich auf die Olympischen Spiele vorzubereiten. Noch ist alles drin. Mein Ziel waren nicht diese deutschen Meisterschaften, sondern es sind und bleiben die Olympischen Spiele.“ Torben Wosik war durch einen Sieg über Bremens Lars Hielscher ins Endspiel eingezogen.

„Rossi ist ein Weltklasse-Doppelspieler“

Im Entscheidungssatz des Doppelendspiels fehlten Jörg Roßkopf (Jülich) und Nico Stehle (Herbornseelbach) zwei Punkte zum Sieg. Doch beim Stand von 4:9 kamen Patrick Baum und Dimitrij Ovtcharov wieder zurück in die Partie und siegten letztlich in der Verlängerung. "Bei 4:9 mussten wir das Risiko erhöhen", so Ovtcharov. "Was beide Seiten am Ende geboten haben, war wirklich hochklassig. Vor allem Patrick hat sensationelle Bälle getroffen." Mit so einem engen Ausgang des Finals hatte Ovtcharov vor der Partie nicht gerechnet. "Ich dachte schon, dass wir die beiden deutlich schlagen können. Aber Rossi ist ein Weltklasse-Doppelspieler. Das hat er heute erneut bewiesen."

Jörg Roßkopf blickt mit gemischten Gefühlen auf seine eventuell letzten nationalen Meisterschaften zurück: "Ich bin insgesamt mit dem Turnier zufrieden. Mein Abschneiden möchte ich nicht bewerten. Ich bewerte lieber meine Leistung und mit der bin ich im Großen und Ganzen zufrieden - im Doppel mehr, im Einzel weniger. Lobende Worte fand der Rekordnationalspieler abschließend für das Hamburger Publikum und den Veranstalter: "Die Zuschauer haben uns hervorragend unterstützt und eine tolle Atmosphäre geschaffen. Es war eine rundum gelungene Veranstaltung."

„Du fühlst, du glaubst, du fliegst“

Nach Tanja Hain-Hofmanns Sieg in Einzel erklang Herbert Grönemeyers Fußball-WM-Song in der Halle. „Du fühlst, du glaubst, du fliegst“ – die Textzeile drückte auch das Innenleben der 29-fachen Nationalspielerin aus nach dem 11:4 im siebten Durchgang gegen Elke Wosik (Busenbach). „Ich konnte es nach dem Matchball noch gar nicht fassen, dass ich tatsächlich gewonnen habe. Ich freue mich riesig über diesen Titel. Ich habe mir im Doppelfinale wesentlich größere Chancen ausgerechnet als im Einzel. Entsprechend unglücklich war ich nach der Niederlage im Doppelfinale. Dass es dann im Einzel geklappt hat, freut mich umso mehr." Für Wosik hat es im vierten Finalanlauf erneut nicht zum ersten DM-Einzel-Titel gereicht: „Ich habe in allen sieben Sätzen Probleme mit Tanjas Aufschlägen gehabt. Aber ich bin ja noch jung“, sagte die 34-Jährige lächelnd. „Da kann ich den deutschen Meistertitel ja irgendwann mal holen. Der Öffentlichkeit liegt, glaube ich, fast mehr daran als mir, dass ich den Einzeltitel hole. Obwohl ich ihn natürlich gerne mal gewinnen würde.“ Wosik war mit einem Sieg über ihre Busenbacher Teamkollegin Kristin Silbereisen ins Finale eingezogen, Hain-Hofmann hatte Alexandra Scheld besiegt.

Im Doppel hatten sich die Titelverteidigerinnen, Hain-Hofmann zusammen mit Amelie Solja (Fraulautern), dem Duo Bollmeier/Scheld beugen müssen. „Wir haben gut gespielt und hatten das bessere Ende für uns. Dass die beiden nach 1:3-Satzrückstand noch einmal zurückgekommen sind, lag sicherlich an der starken Leistung von Tanja“, lobte Bollmeier. Der dritte Doppeltitel für das ehemalige Uerdinger Bundesliga-Duo war keineswegs selbstverständlich, verriet Alexandra Scheld. „Wir haben lange nicht mehr zusammen gespielt und mussten uns erst wieder aufeinander einstellen“, erklärte die frisch gebackene Diplom-Wirtschaftsjuristin. „Das hat immer besser geklappt, die alte Harmonie war dann wieder da.“

Sportlicher und organisatorischer Erfolg

In erster Linie sehe er diese deutschen Meisterschaften als weitere Vorbereitung auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Peking, leitete Dirk Schimmelpfennig, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes seine Bilanz ein. "Man hat gesehen, dass wir steigerungsfähiges Potenzial haben", so Schimmelpfennig. Für Timo Boll sei nach seiner Verletzungspause am wichtigsten, dass er fit und gesund bleibe und seine Form weiter steigere, damit er rechtzeitig zu Olympia in Peking wieder fit sei. "Wir werden dabei auch einige Turniere ausfallen lassen", so Schimmelpfennig, "denn uns ist es egal, ob Samsonov in der Weltrangliste an ihm vorbeizieht. Für uns steht das ganz große Highlight in China an erster Stelle."

Dimitrij Ovtcharov sei nach seinem harten Wettkampfprogramm der vergangenen Wochen körperlich etwas erschöpft. Zusammen mit Boll reist der 19-jährige amtierende EM-Dritte am Dienstag zu einem achttägigen Lehrgang nach Katar, um sich dort zusammen mit Dänemarks Michael Maze und Ex-Weltmeister Jörgen Persson aus Schweden fit für Peking zu machen. „Timo wird dort endlich wieder in vollem Umfang trainieren können, Dimitrij wird trainieren, dabei aber auch versuchen, den Kopf wieder frei zu bekommen.“ Bei den Damen sah Schimmelpfennig die Spielerinnen aus dem DTTB-Kader gut repräsentiert. Auch die jungen Spielerinnen haben die Gruppenspiele genutzt, um weitere Spielpraxis zu bekommen, aber auch, um sich für die Hauptrunde zu qualifizieren."

6200 Zuschauer an drei Tagen

Sowohl aus sportlicher als auch aus organisatorischer Sicht können die 76. Nationalen Deutschen Meisterschaften als rundum gelungene Veranstaltung gewertet werden. "Wir hatten sehr viele freiwillige Helfer, die uns tatkräftig unterstützt haben", so Henning Hinsch, Präsident des durchführenden Hamburger Tisch-Tennis-Verbands, "Vielleicht haben uns die Partie des Hamburger Sportvereins und das Final Four im Handball einige Fans gekostet, aber mit den Zuschauerzahlen sind wir dennoch zufrieden.“ Rund 6200 Tischtennisfans haben das nationale Großereignis in der Sporthalle Hamburg verfolgt.

"Es war eine perfekte Rundumbetreuung für die Athleten, das haben mir diese auch zwischendurch immer wieder bestätigt. Auch alle übrigen Bedingungen haben gestimmt", so DTTB-Präsident Thomas Weikert, "Wir würden es daher begrüßen, wenn die Stadt Hamburg auch für weitere Veranstaltungen wie beispielsweise die Mannschafts-WM 2012 Interesse bekunden würde."


Die Ergebnisse am Sonntag
Damen-Doppel, Halbfinale
Nadine Bollmeier/Alexandra Scheld (Tostedt/Uentrop) – Irene Ivancan/Petra Heuberger (beide Böblingen) 4:0 (6,5,3,6)
Tanja Hain-Hofmann/Amelie Solja (Berlin/Fraulautern) - Laura Stumper/Kristin Silbereisen (beide Busenbach) 4:0 (7,5,8,6)

Finale
Bollmeier/Scheld - Hain-Hofmann/Solja 4:3 (9,-6,8,7,-9,-9,12)

Herren-Doppel, Halbfinale
Patrick Baum/Dimitrij Ovtcharov (Frickenhausen/Düsseldorf) – Kay-Andrew Greil/Patrick Franziska (TT-Freunde BVM/Elz) 4:0 (6,7,4,9)
Jörg Roßkopf/Nico Stehle (Jülich/Herbornseelbach) – Sebastian Borchardt/Björn Baum (Berlin/Weinheim) 4:1 (8,5,-10,7,8)

Finale
Baum/Ovtcharov - Roßkopf/Stehle 4:3 (3,-9,9,-7,7,-8,11)

Damen-Einzel, Halbfinale
Tanja Hain-Hofmann (Berlin) - Alexandra Scheld (Uentrop) 4:1 (12,10,-9,-9,8)
Elke Wosik (Busenbach) – Kristin Silbereisen (Busenbach) 4:3 (7,3,-9,-10,-9,9,6)

Finale
Hain-Hofmann - Wosik 4:3 (6,-6,8,8,-5,-8,4)

Herren-Einzel, Halbfinale
Lei Yang (Grünwettersbach) - Timo Boll (Düsseldorf) 4:3 (-9,9,-3,10,5,-6,7)
Torben Wosik (Angers, Frankreich) – Lars Hielscher (Bremen) 4:1 (9,-9,5,7,13)

Finale
Wosik - Lei 4:3 (7,-4,-8,9,-7,10,5)