Im Herren-Viertelfinale ist der Tischtennis-Gott Franzose

Nantes. Patrick Chila hatte seinem Kontrahenten schon zu Beginn des dritten Satzes zum Sieg gratuliert - zumindest im Kopf. Mit 0:2 lag der Franzose in Sätzen zurück, nach einem unerreichbaren Netzball Aleksandar Karakasevics zum 1:3 in Punkten flog Chilas Schläger auf die gegenüberliegende Tischhälfte. Das Time-out, das sein Coach Stéphane Hucliez mit dem Mut der Verzweiflung kurzerhand nahm, nutzte der zweifache Mannschafts-Europameister, um erst einmal die Umrandung neben seinem Trainer umzutreten und diesem danach mehr zu erzählen, als Hucliez ihm zu sagen hatte. So war es auch in den Satzpausen zuvor gewesen. 3:11, 3:11, gleich zu Beginn des dritten Durchgangs Rückstände - es schien nicht das Spiel des Franzosen zu sein. Karakasevic, der Mann mit dem brillanten Händchen und der wenig sportgerechten Lebensweise, musste dazu noch nicht einmal brillieren. Die Zuschauer im etwa halb gefüllten Palais des Sports Beaulieu in Nantes konzentrierten sich bereits auf ihre anderen beiden Kandidaten im Viertelfinale: Damien Eloi, der Daniel Gorak aus Polen in fünf Sätzen vergleichsweise abfertigte, und Christophe Legout (Foto oben), dessen Partie gegen Petr Korbel ausgeglichen verlief.

Patrick Chila verfolgte ebenfalls interessiert die Spiele seiner Teamkollegen, für seine eigene Begegnung hatte er dagegen meist nur Achselzucken, Kopfschütteln und genervte Blicke auf die Zuschauertribüne übrig. Bis zum 6:10 im dritten Satz. Was auch immer dann passierte, wird er selbst kaum beschreiben können. "So ist der Sport", heißt es immer wieder. Was das bedeutet, wird wohl offen bleiben, so lange es sportliche Vergleiche gibt. Vielleicht war es die Lockerheit, die Spieler in aussichtslosen Situationen beizeiten befällt: Augen zu und durch. Wenn dann zwei, drei für unmögliche gehaltene Bälle gelingen, kommt der Ehrgeiz plötzlich zurück, zusammen mit dem Glauben an die eigene Chance. Was es in diesem Fall auch war; auch die französischen Fans merkten es mit leichter Verzögerung. "Pa-trick", "Pa-trick", skandierten sie, die kurz nach ihrem dritten Mann im Turnier erwacht waren. Und dieser dritte Mann drehte nicht nur diesen Satz, sondern die komplette Partie. Den dritten Durchgang entschied er nach sechs Punkten in Folge noch mit 12:10 für sich, den vierten gegen den noch völlig verdutzten Serben zu sechs, und vom Verlust des fünften blieb er unbeeindruckt. Warum auch, das Gefühl für den Ball war endlich da, der Wille nun auch. Mit 11:6 schaffte er den Satzausgleich. Zu dieser Zeit hatte Damien Eloi Frankreichs Tischtennisfans schon zu einem Drittel erlöst. Die Menge konnte sich auf Chila und Legout konzentrieren. Diese beiden spielten in ihren Entscheidungssätzen so, dass der Jubel nicht abriss. Punkt um Punkt machten sie gegen Karakasevic bzw. Korbel. Für Chila war die Spannung zuerst gelöst, 11:7, danach der Blick zum Himmel oder zumindest an die Hallendecke. Der Tischtennis-Gott schien in diesen Minuten des Sonntagnachmittags Franzose zu sein. Freudensprünge durch die Box, Umarmungen, dann die Konzentration auf den Freund am Tisch nebenan. Nervös ging Chila auf und ab, lief bei jedem Punkt Legouts laut rufend und die Fäuste ballend fast auf Körperkontakt an die Umrandung. Legout benötigte exakt drei Minuten länger gegen einen der nun großen Verlierer des Turniers. Mit 11:8 rang Christophe Legout im siebten Satz Petr Korbel nieder. Danach war alles nur noch ein blau-weiß-rotes, glückliches Knäuel aus Spielern und Trainern.

Kuzmin: bessere Nerven im französischen Freudentaumel

Dass am dritten Tisch noch die vierte Entscheidung lief, interessierte in dieser Halle nur noch vier Menschen: Fedor Kuzmin, Wang Zeng Yi und ihre beiden Betreuer. Dass an Wang das Turnier gezehrt hatte, zeigte sich schon im sechsten Durchgang. Beim Stand von 2:3 in Sätzen und 5:7 aus seiner Sicht, machte er das Time-out-Zeichen und trabte auf Stefan Dryszel zu. Sein Coach schickte ihn jedoch zurück - seine Auszeit hatte der Pole schließlich zuvor bereits gehabt. Trotzdem sollte es noch für diesen Durchgang reichen: Bei 10:7 ließ Russland Hasardeur Kuzmin gleich drei Matchbälle in Folge aus und verlor. Am Ende hatte er jedoch die besseren Nerven im französischen Freudentaumel um ihn herum.

Ganz gerettet sind Frankreichs Herren übrigens noch nicht. Vier Plätze gibt es für drei Athleten, der vierte Spieler wird nur erster Ersatzmann sein. Im Halbfinale um 15.30 Uhr gibt es zwischen Chila und Eloi die Neuauflage des Duells von 2003. Damals hatte sich in einer ähnlichen Situation, dem Spiel um Platz drei, Chila gegen seinen Trauzeugen durchsetzen können. Dem Verlierer bleibt das Spiel um das dritte Ticket um 17.30 Uhr, dem Vierten des Turniers noch Budapest.