Gäb bezieht gegen Olympia-Boykott Stellung

Frankfurt/Main. Hans Wilhelm Gäb hat deutlich Stellung gegen einen Boykott der Olympischen Spiele in Peking bezogen. Der DTTB-Ehrenpräsident bezeichnete es in einem Interview mit dem Sport-Informationsdienst (sid) als „grotesk, den Sport, seine Athleten und seine Funktionäre in einen Kampf zu schicken, den die Politik selbst nicht führen will oder kann“. Die öffentliche Diskussion wirke zurzeit vielfach heuchlerisch, gekennzeichnet durch einen Mangel an Logik und intellektueller Ehrlichkeit.

Der Sport bewege sich seit jeher im Spannungsfeld der Politik und politischer Interessen, genau so wie Kunst, Literatur und andere gesellschaftliche Bereiche, erklärte Gäb. Der Sport werde immer für seine Unabhängigkeit und Autonomie kämpfen müssen, aber auch für eine faire Bewertung seiner tatsächlichen Macht und Möglichkeiten. Dieselben Kritiker, die beklagten, dass der Sport politisiert sei und sich gegen politischen Missbrauch nicht ausreichend wehre, wollten diesen im selben Atemzug als politische Waffe einsetzen – „diesmal gegen ein totalitäres System und für die Freiheit der Tibeter, morgen dann vielleicht gegen die Gefahren der Atomkraft, den Einfluss der Kirchen oder das Wiedererstarken kommunistischer Ideen".

„Olympische Spiele haben dem Thema Menschenrechte Aufmerksamkeit verschafft“

Hans Wilhelm Gäb ist ein Kenner aller von der Diskussion berührten Ebenen. Er ist Sportfunktionär, war Tischtennis-Nationalspieler, Wirtschaftsboss unter anderem in Vorstandspositionen bei Ford, Opel und General Motors, und ist gesellschaftspolitisch engagiert als Aufsichtsratsvorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe und Gründer des Vereins Sportler für Organspende sowie der Kinderhilfe Organtransplantation.

"Vielleicht hätte IOC-Präsident Jacques Rogge zu einem früheren Zeitpunkt die Prinzipien des Sports im Umgang mit den Menschenrechten ansprechen sollen“, so Gäb gegenüber dem sid weiter. „Aber es war doch ohnehin das globale Interesse an den Olympischen Spielen, das den Tibetern die Plattform geboten hat, auf ihre Nöte aufmerksam zu machen. Nie zuvor in seiner Geschichte hat das chinesische Regime so massive weltweite Kritik erfahren wie jetzt. Da ist eine Art von Druck entstanden, den keine Erklärung des IOC und des DOSB hätte verstärken können. Das Phänomen ’Olympische Spiele in China’ hat dem Thema Menschenrechte weltweit einzigartige Aufmerksamkeit verschafft."

Demonstrationen und Aktionen während der Spiele lehnt Hans Wilhelm Gäb ab. „Eine Tolerierung von Demonstrationen im Rahmen der sportlichen Wettbewerbe würde die ’Olympics’ zum größten Propaganda-Schlachtfeld der Welt machen. Dann ließen Diktaturen ihre Sportler vielleicht mit Trikots starten, auf denen die ‚gekaufte, kapitalistische Presse’ verteufelt wird. Der Iran würde mit ‚USA - raus dem Irak’ auflaufen, die Amerikaner vielleicht mit ‚Keine Atomwaffen für den Iran’. Es wäre das Ende der Spiele."

Rückzug der Sponsoren ist kein probates Mittel

Einen Rückzug der Olympia-Sponsoren sieht er nicht als probates Mittel. Es sei unfair, einzelne Industrieunternehmen für ihr Engagement in Peking zu kritisieren oder gar ihren Rückzug zu fordern. „Wie viele Regierungen der westlichen Welt haben denn aus Protest ihren Botschafter aus Peking zurückgezogen?" Das IOC trage zudem mit den bei Olympia erzielten Werbeeinnahmen ganz wesentlich zur Arbeit der Nationalen Olympischen Komitees und internationalen Fachverbände in mehr als zweihundert Nationen bei.

Gäb lobte dagegen den Mut, den eigenen Standpunkt zu verdeutlichen, wie den Empfang des Dalai Lama durch Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Zudem muss auch der Sport für Handels- und Informations-Austausch eintreten, für politische, kulturelle und eben sportliche Kontakte, für den Dialog auch in schwierigen Zeiten. Wollen wir 1,3 Milliarden Menschen in China isolieren? Haben wir vergessen, dass man im Zeitalter der Atombombe totalitäre Systeme eher mit Informationen und Gesprächen aufweichen kann als mit Drohungen?“

Hans Wilhelm Gäb selbst wird im August nach Peking reisen.“Bliebe die demokratische Welt in Peking fern, würde es den Tibetern nicht helfen, die Fremdenfeindlichkeit würde steigen und die Parteiführung in China hätte genau jene Propagande-Werkzeuge in der Hand, mit denen man eine Bevölkerung einseitig informieren und auf Kurs halten kann“, gibt er zu bedenken. „Würden die Bürger aus freien Ländern nicht nach China reisen, wäre das für die chinesischen Menschenrechtler und all diejenigen, die dort für eine Liberalisierung des Regimes streiten, eine große Enttäuschung."
Zur Person

Hans Wilhelm Gäb gehört zu den führenden Persönlichkeiten des Sports und der Wirtschaft in Deutschland. Der Fachmann für Kommunikation und Public Relations war Gründer und Chefredakteur der „AutoZeitung“ und bekleidete unter anderem Vorstandspositionen bei Ford, Opel und General Motors. Zuletzt fungierte Gäb als Aufsichtsratsvorsitzender der Adam Opel AG und Vizepräsident von General Motors Europe.

Auch als Tischtennisspieler war er erfolgreich. Zwischen 1958 und 1962 gewann er viermal die Nationalen Deutschen Meisterschaften im Doppel und Gemischten Doppel und wurde mit Borussia Düsseldorf zweimal Deutscher Mannschaftsmeister. Als Nationalspieler vertrat er Deutschland bei Welt- und Europameisterschaften. Auch nach seiner aktiven Laufbahn blieb der heute 72-Jährige seinem Sport treu. Von 1981 bis 1994 war er Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB), von 1992 bis 1994 leitete er als Präsident die Geschicke der Europäischen Tischtennis-Union (ETTU). Heute ist Gäb Ehrenpräsident des DTTB und Aufsichtsratsvorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Er gründete den Verein Sportler für Organspende sowie die Kinderhilfe Organtransplantation. Zudem war er Initiator des Deutschen Tischtennis-Zentrums in Düsseldorf, das im August 2006 seinen Betrieb aufgenommen hat.

Vielfach ist er bereits für sein Engagement geehrt worden. Unter anderem erhielt er im September 2006 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland im Namen von Bundespräsident Horst Köhler, einen Monat darauf zeichnete ihn IOC-Vizepräsident und DOSB-Chef, Dr. Thomas Bach, mit dem Olympischen Orden des Internationalen Olympischen Komitees für seine herausragenden Leistungen und besonderen Verdienste zu Gunsten der Olympischen Bewegung aus.