Schmadtke bittet um Vertragsauflösung

Die Lage in Hannover spitzt sich zu, obwohl doch sportlich mit der erneuten Qualifikation für die Europa League der nächste große Erfolg winkt - am Samstag kann Hannover im Auswärtsspiel bei Bayer Leverkusen (15.30 Uhr, live! bei kicker.de) das Ziel erreichen. Doch intern kracht es: Manager Jörg Schmadtke hat inzwischen gegenüber dem SID bestätigt, dass er Klubchef Martin Kind "um Auflösung meines Vertrages gebeten" habe. "Der Grund dafür ist meine familiäre Situation", so Schmadtke.

Samstag wäre für ihn ein Tag wie gemacht zum Feiern: Hannover 96 könnte in Leverkusen zumindest einen weiteren großen Schritt Richtung erneute Europa-League-Qualifikation machen, gleichzeitig begeht Martin Kind seinen 68. Geburtstag. Jetzt ist der Klubchef nicht gerade als Freund rauschender Partys bekannt. Doch dass dunkle Wolken über seinem Verein aufziehen, hätte er sich sicher auch nicht gewünscht.

Doch es gibt Handlungsbedarf in Hannover, wieder einmal. Und "Schuld" hat nicht der 1. FC Köln, dessen neue Führung um die Dienste von 96-Manager Jörg Schmadtke (48) buhlt. Unabhängig von den Entwicklungen beim FC hat Schmadtke Kind um die Vertragsauflösung gebeten.

Anhaltende latente atmosphärischen Störungen im Führungstrio haben eine schwere Krise heraufbeschwört. Und die Troika wird nun zum Rundenende auseinanderbrechen. "Ich habe um Auflösung meines Vertrages gebeten. Der Grund dafür ist meine familiäre Situation", sagte Schmadtke am Freitag und betonte, dass er mit "noch keinem anderen Verein" gesprochen habe.

Schmadtke soll dem Vernehmen nach jedoch auch keine Bereitschaft mehr verspürt haben, sich mit den Gegebenheiten in jenem Klub zu arrangieren, den er seit Sommer 2009 mit seinem Dazutun nachhaltig nach oben begleitete.
Schmadtke: "Solch eine Situation habe ich noch nie durchlebt"

Die breite Öffentlichkeit erlebte den Manager in den vergangenen Tagen mehr denn je als Grantler. "Ich bin jetzt seit 30 Jahren im Profi-Fußball zu Hause, aber solch eine Situation habe ich noch nie durchlebt", schimpfte er schon am Sonntagabend via Liga total über die Spekulationen aus Köln. Worte, die sich auf die sich zuspitzende Lage in Hannover übertragen lassen. Die bezeichnet selbst Martin Kind als von "einer höheren Dramatik geprägt".

Kind will eigentlich reden, schlichten, bewahren. Doch nur eine Gebärde scheint der Verweis auf jenes Konstrukt vom März 2011, bei dem er Schmadtke zum "Geschäftsführer Sport" per Vertrag ohne Ablaufdatum machte. Auf diesen Vertrag, der extrem lange Kündigungsfristen enthalten soll, ließe sich im Kampf um Schmadtke pochen. Kind setzte lieber auf die aus seinem Unternehmerleben vertraute Überzeugungskraft, auf den Konsens unter Männern mit eigentlich doch gleichen Interessen, für den es nun jedoch wohl zu spät ist.

Von "Bremer Verhältnissen" als Ziel hatte Kind immer gesprochen, von ähnlicher Kontinuität wie beim norddeutschen Nachbarn Werder. Tatsächlich ließ es sich bei 96 ja in der jüngeren Vergangenheit gut an. Hier der gewandt auftretende Erfolgstrainer Slomka als Frontmann, der eine Mannschaft von Format baute und zuletzt stets betonte, die bestehende Zusammenarbeit fortsetzen zu wollen. Dort der lieber im Hintergrund wirkende Manager Schmadtke, der den Kader mit viel Geschick und Knowhow weitgehend zusammenstellte und zusammenhielt. Und über allen Kind als anerkannter Boss.

Doch anders als bei Allofs und Schaaf stimmte in Hannover die Chemie von Anfang an nicht. Schmadtke und Slomka führen eine Art Scheinehe, zusammengehalten durch den gemeinsamen Erfolg, nicht aber durch eine gemeinsame Philosophie. Martin Kind hatte dies vielleicht unterschätzt, vielleicht wollte er es auch einfach nicht so sehen. Zu schön erschien schließlich die Vision von einem aus den Niederungen nach oben strebenden Klub - inklusive Top-Coach, intakter Mannschaft und eines Geschäftsführers, der bei Kinds geplantem allmählichen Rückzug künftig weitere Führungsaufgaben bei 96 übernehmen sollte.

Nun droht das bestellte Feld wieder zur Kraterlandschaft zu werden, verbunden mit der bitteren Erkenntnis: Kontinuität besteht in Hannover letztlich eben doch eher im Wandel und Wechsel der Personen. Und Martin Kind? Der steht wieder vor einem Neuanfang. Abzuwarten, ob er mit bald 68 Jahren noch einmal die Kraft aufbringt.

kicker.de