Mit Provokation zum Erfolg

Trainer Jol erklärt, wie er seine Profis durch gezielte Sticheleien besser machen will - HSV empfängt am Sonntag Favoritenschreck Bielefeld

Das Training am Freitagmorgen endete mit einer wilden Schneeballschlacht. Paolo Guerrero und Piotr Trochowski nahmen sich gegenseitig ins Visier, während Marcel Jansen damit beschäftigt war, eine besonders große Kugel zu formen. Trainer Martin Jol beobachtete das lustige Treiben aus sicherer Distanz und stellte fest, dass die Stimmung innerhalb der Mannschaft vor dem Heimspiel am Sonntag (17 Uhr, Premiere live) gegen Arminia Bielefeld ausgelassen war. Es dürfte bei ihm die Hoffnung geweckt worden sein, dass die Hamburger Profis ihre "Spielfreude" auch im Wettkampf umsetzen werden.

Nach der Einheit drehte Jol für eine halbe Stunde die Zeit zurück. Der Niederländer hatte überlegt, ob er auf einen Verdrängungs- oder doch lieber auf einen Lernprozess setzen sollte, und entschied sich schließlich dafür, den Kickern "individuell" ihre entscheidenden Fehler bei der Niederlage in Karlsruhe (2:3) anhand von bewegten Bildern vorzuführen. Bisher hatte er dafür keine Zeit gehabt, viele Spieler waren direkt zu ihren Nationalteams gereist.

Bei seiner Analyse ärgerte sich Jol vor allem darüber, dass die drei Gegentreffer allesamt über die Außenbahnen eingeleitet worden waren. Klar, auf den ersten Blick seien es individuelle Patzer gewesen, "aber wenn man diese Situationen mit der Entstehung betrachtet, dann sieht man, dass es ein kollektives Problem war", bekräftigte der Trainer. "Wir hätten schon die Flanken energisch verhindern und richtig zupacken müssen. Wenn das gelingen würde, dann kassiert man 50, 60 Prozent weniger Tore."

Jol schärfte seinen Profis ein, noch aufmerksamer zu sein, sich nicht auf den anderen zu verlassen und darauf zu vertrauen, in den "Knackpunkt-Momenten" im Strafraum zur Stelle zu sein. Klar, in jedem Spiel gebe es Phasen, in denen man sich eine kurze Auszeit nehmen und durchschnaufen könne, "aber das darf nicht passieren, wenn der Ball in der Nähe der gefährlichen Zone ist", betonte der Hamburger Trainer.

Unmittelbar nach der Pleite im Wildparkstadion hatte Jol öffentlich harte Worte gefunden, einzelne Spieler wie den dänischen Debütanten Michael Gravgaard oder Nationalspieler Trochowski verbal attackiert. Dass er dies so schonungslos tat, überraschte Profis und Verantwortliche gleichermaßen. Es wurde vermutet, Jol hätte seine Aussagen, beispielsweise, dass der HSV "kein Spitzenteam" sei und Fehler gemacht worden wären, die "in der Jugend, aber nicht in der Bundesliga passieren dürfen", aus der Emotion heraus getroffen.

Doch es war ein strategisches Vorgehen, wie der 53-Jährige im Gespräch mit der WELT verriet: "Natürlich war ich sehr böse, sehr verärgert. Aber ich sage nie etwas aus der Emotion heraus. Die offene Kritik habe ich ganz bewusst geübt. Jeder hat ja gesehen, welche Patzer uns unterlaufen sind. Ich wurde danach gefragt und habe ehrlich geantwortet." Vor psychologischen Folgeschäden bei seinen Spielern fürchtet sich Jol nicht: "Wir sind alle beim HSV unter Vertrag, um Topsport abzuliefern. Das ist unsere Aufgabe. Als Trainer musst du in gewissen Fällen sehr energisch sein, um wachzurütteln. Dabei überschreitet man manchmal auch eine Linie, die in der Regel eingehalten werden sollte."

Es entspreche seiner Philosophie, die Profis zu fordern und zu fördern, erklärte der Niederländer. "Ich versuche immer, meine Spieler zu provozieren, um sie damit besser zu machen." Und dies sei ihm im bisherigen Saisonverlauf auch gelungen, stellte Jol fest und nannte David Jarolim und Trochowski als Beispiele dafür: "Jarolim ist mein Kapitän, einer meiner wichtigsten Leute. Ich weiß, wie wertvoll er ist. Aber ich sage ihm deshalb nicht, dass er nicht auf das Tor schießen oder den tödlichen Pass spielen muss. Das erwarte ich von ihm. In Karlsruhe hat er zwei Treffer vorbereitet. Oder eben Trochowski, der so wichtig ist für unser Offensivspiel. Aber auch er muss nach hinten arbeiten. Ich finde, er hat erst jetzt den Durchbruch zum Leistungsträger geschafft."

Nach der unnötigen Niederlage in Karlsruhe erwartet Jol am Sonntag gegen Bielefeld eine Trotzreaktion seiner Mannschaft. Allerdings warnt der Hamburger Trainer davor, den Kontrahenten auf die leichte Schulter zu nehmen. "Sie haben eine gute Organisation und spielen schnell nach vorn, wenn sich Gelegenheit bietet. Wir müssen hellwach sein", forderte Jol, der zwar auf Angreifer Mladen Petric (Rotsperre) verzichten muss, dafür aber Ivica Olic und Defensiv-Allrounder Alex Silva wieder aufbieten kann.

HSV: Rost - Demel, Gravgaard, Mathijsen, Aogo - Jarolim, Alex Silva - Trochowski, Jansen - Guerrero, Olic.

Arminia Bielefeld: Eilhoff - Lamey, Mijatovic, Herzig, Rau - Kirch, Kucera, Tesche, Kamper - Katongo, Wichniarek.


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