Hoffenheim – wer ist das eigentlich?
20.10.2008

Die TSG Hoffenheim und ihr Geldgeber Hopp spaltet die Nation. Aber was steckt da eigentlich hinter?

Ich glaube es ist nicht einfach, sich hier ein umfassendes Urteil zu bilden, dafür muss man schon mal ein wenig hinter die Kulissen blicken. Was, und vor allem wer, ist eigentlich Hoffenheim?

Hoffenheim ist ein Dorf im Rhein-Neckar Kreis mit ca. 3.200 Einwohnern, welches seit dem 01.07.1972 nach Sinsheim (ca. 35.000 Einwohner) eingemeindet ist. Der 01.07. scheint sich in Hoffenheim zu einem Geschichtsträchtigen Datum zu entwickeln, denn an diesem Datum im Jahre 1899 wurde der Hoffenheimer Turnverein gegründet. 1945, nach dem zweiten Weltkrieg wird dann der lang beabsichtigte Zusammenschluss zwischen dem Turnverein und dem Fußballverein zur „Turn- und Sportgemeinschaft Hoffenheim“ vollzogen. Mittlerweile heißt der Verein offiziell „Turn- und Sportgemeinschaft 1899 Hoffenheim“ und möchte 1899 Hoffenheim genannt werden. Man möchte eben auf die Tradition und die Vergangenheit hinweisen…

Durch die finanzielle Unterstützung des ehemaligen Spielers und SAP Gründers Dietmar Hopp gelang ein in Deutschland bis dato einzigartiges Projekt. Ein ehemaliger Kreisligist (Saison 1990/91) steigt innerhalb von 18 Jahren 7-mal auf und landet schließlich in der ersten Bundesliga. Soweit hört sich das ja alles ganz toll an, was gibt es daran eigentlich zu kritisieren? Ein sehr reicher Mann unterstützt seinen Lieblingsverein für den er sogar mal gespielt hat, ist doch toll. Aber stimmt das eigentlich alles so, was uns die Medien und die Befürworter dieses Projekt weismachen wollen?

Nehmen wir den Ball doch gleich mal auf und schauen, was wirklich geschah im beschaulichen Hoffenheim.
Dietmar Hopp hat eine lange und enge Verbindung zum Verein, er ging im Verein früher selber auf Torejagd und unterstützt den Verein schon seit Anfang der 90er. Mal mit neuen Bällen oder Trainingsanzügen, mal mit einem neuen Sportplatz. Soweit nicht unüblich und natürlich nicht verwerflich, wer würde das nicht tun, hätte er geschätzte 6,3 Mrd. Euro auf der hohen Kante.
Der Erfolg stellte sich schnell ein und die TSG stieg ein ums andere mal auf, bis man von 1999 bis 2001 schließlich den direkten Durchmarsch von der Verbandsliga (5. Liga) in die Regionalliga (damals noch 3. Liga) schaffte. 2005 drohte man aber trotz des gesteigerten „Investments“ in der Drittklassigkeit hängen zu bleiben und so versuchte man –auch auf der Suche nach einem bessern Standort- eine Fusion mit Sandhausen, Astoria Walldorf, Hoffenheim und einem weiteren Heidelberger Verein um unter dem Namen HSW Heidelberg 06 abzutreten. Neben Standortvorteilen in Heidelberg, hat natürlich auch die Stadt Heidelberg einen viel höheren Bekanntheitsgrad. Diese Fusion scheiterte an der Absage Sandhausens und so konzentrierte Dietmar Hopp sich weiter auf „seinen Lieblingsverein“.
Stellt sich einem, bei diesen Tatsachen, nicht automatisch die Frage ob Hopp nicht vielmehr daran interessiert war, mit einen breiter aufgestellten und potentiell erfolgreicheren Verein, als es Hoffenheim war, viel schneller erfolgreich zu sein anstatt seiner „großen Liebe“ auf die Sprünge zu helfen? Er hätte dafür sogar seine so sehr geliebte TSG Hoffenheim geopfert und in eine völlig neugegründete Spielgemeinschaft integriert. So weit kann es mit dem Herz nicht sein, denke ich. Und wenn man sich dem bewusst wird, geht die so gern dargestellte Romantik des edelmütigen Herrn Hopp, der seinen Jugendverein unterstützt, doch etwas verloren.

Fazit: Es ging Dietmar Hopp wohl doch nicht darum, der TSG auf die Sprünge zu helfen, sondern eher darum, einen potentiell erfolgreichen Verein in der Region zu etablieren. Welcher das wäre, war ihm offenbar egal. Das ist natürlich sein gute Recht aber eben nicht die strahlende Aktion, als die es immer dargestellt wird. Der Mäzen, der den Verein unterstützt, dem er schon sein Kindesbeinen verbunden ist – eben doch nur ein Märchen!

Kommen wir zum viel gelobten Jugendkonzept der TSG. Hoffenheim hat mit einem Durchschnittsalter des Kaders von 24 Jahren zusammen mit Leverkusen den jüngsten Kader aller Bundesligisten. Dahinter kommen übrigens der HSV und der Verein aus der Stadt 110km südwestlich von Hamburg. Aber, wo sind denn die Spieler aus der Region in der Bundesliga Mannschaft von der TSG? In der Aufstellung gegen Frankfurt vom 04.10.2008 stand mal keiner.
Okay, die B-Jugend ist gerade deutscher Meister geworden, aber woher kommt denn das? Sprechen wir gleich drüber, erstmal müssen wir feststellen, dass Hoffenheim mit diesem viel gelobten Jugendkonzept 2005 drohte, in der Drittklassigkeit hängenzubleiben. Hansi Flick, der bis dahin sehr erfolgreich gearbeitet hatte, wurde durch Ralf Rangnick ersetzt, immerhin ein Championsleague Trainer beim Regionalligisten. So einen Trainer, der zuvor schon einen Championsleague Teilnehmer und Meisterschaftskandidaten trainierte, kann man sich als Drittligist eben auch nur dank des vielen Geldes leisten.
Das Jugendkonzept wurde kurzerhand auf Eis gelegt und es wurde weiter in den Kader investiert, was zum Aufstieg in die zweite und schließlich in die erste Liga führte.

Es ist nunmal eine Tatsache, dass die TSG in der Saison 07/08, als Zweitligist, mehr Geld ausgab als alle anderen Zweitligisten zusammen und die Leistungsträger eben teuer gekauft wurden und nicht aus der ruhmreichen Jugend kommen. Solche Transfers sind normalerweise für einen Zweitligisten nicht zu stemmen und die Frage, ob es nun ein Erfolg des Geldes ist, oder ein Erfolg des tollen Konzepts sollte sich recht einfach beantworten lassen.
Fakt ist, wenn man viel Geld mit guter Arbeit und gutem Personal ergänzt, kann man sich den Erfolg kaufen.

Kommen wir zurück zur Jugend. Es kommt einem vor, als habe die TSG Hoffenheim die Jugendarbeit neu erfunden. Viele andere Vereine betreiben ebenfalls eine hervorragend Jugendarbeit, aber das scheint die Öffentlichkeit nicht mehr zu interessieren. Es wird mittlerweile in halb Deutschland ganz hervorragende Jugendarbeit geleistet. Man betont es nur nicht so penetrant – oder man muss sich eben nicht rechtfertigen.
Wenn man sich die deutschen Auswahlmannschaften anguckt, sucht man lange nach den Spielern der hochgelobten hoffenheimer Jugendarbeit:

Deutsche U16: 0 Spieler aus Hoffenheim
Deutsche U17: 1 Spieler aus Hoffenheim (Marco Metzger)
Deutsche U18: 1 Spieler aus Hoffenheim (Jonas Strifler)
Deutsche U19: 0 Spieler aus Hoffenheim
Deutsche U20: 0 Spieler aus Hoffenheim
Deutsche U21: 1 Spieler aus Hoffenheim (Andreas Beck, gekauft von Stuttgart)
Quelle: www.transfermarkt.de

Man sollte auch die Frage stellen, woher der letztjährige Ärger mit dem Mainzer Präsidenten Heidel kam, wurde auch nur am Rande erwähnt. Zwischen den Vereinen der Region (Frankfurt, Mainz, K´Lautern, Stuttgart, KSC usw.) gibt es ein Abkommen, das Jugendspieler nicht gegenseitig abgeworben werden sollen. Hoffenheim hält sich allem Anschein nach nicht daran und soll junge Spieler mit guten Verdienstmöglichkeiten und ordentlichen Handgeldern locken. So wird man dann heutzutage B-Jugendmeister, dank des tollen Jugendkonzepts… Womit wir wieder beim Thema Geld wären.

Dann ist da noch der Punkt, an dem Herr Hopp sagt, dass sich das Projekt Hoffenheim in 1-2 Jahren selber tragen muss, der Verein im Stadion miete zahlt und kein Geld mehr von Hopp kommen wird. Und was ist mit der Stiftung? Die Stiftung, die die Jugendarbeit unterstützt, weil es ihr verboten ist, Profisport zu unterstützen? Muss der Verein für die Jugendarbeit in Zukunft auch selber aufkommen? Darüber verliert Herr Hopp kein Wort. Ach, und was passiert in einer sportlichen Krise? Ich behaupte, wenn man dennoch mal in den Abstiegsstrudel gerät, oder die Ziele nicht zu erreichen droht, dann macht Dietmar noch mal sein Portemonnaie auf und pusht ein bisschen die vielgelobte „Jugendarbeit“ mit neuen Talenten aus Brasilien. Aber natürlich wird sich ein Dorf aus eigener Kraft in der Liga halten können. Klar!

Fazit Nr. 2: Betrachtet man diese Fakten, erkennt man schnell, dass in Hoffenheim eben doch nicht alles so wunderbar und romantisch ist, wie immer behauptet wird. Alles was der Verein und Dietmar Hopp gerne vollmundig verkünden, ist eben nur die halbe Wahrheit. Natürlich muss man auch die gute Arbeit anerkennen. Ohne die gute Arbeit würde auch das viele Geld wenig nützen, aber es ist eben doch nicht so „romantisch“ und „überraschend“ wie es immer dargestellt wird.

Man könnte manchmal denken, man hätte in Hoffenheim gerade den Fußball neu erfunden. Dabei werden auch hier die Leistungsträger für viele Millionen gekauft und man kann sich in der dritten Liga sogar einen Championsleague Trainer leisten. Aber ist der Trainer wirklich so ein Genie, was aus zahlreichen Jugendspielern eine schlagkräftige und attraktiv spielende Truppe formt? Oder ist das viele Geld und die brasilianischen Talente vielleicht doch eine angenehme Hilfe dabei?

Kommen wir als nächstes Mal zum Verhältnis der Fußballfans zu Hoffenheim. Viele der aktiven Fans sehen das Konzept kritisch und lehnen es ab. Gerade am Anfang dieser Saison kam es zu unschönen Beleidigungen gegenüber Hopp, die nun stark sanktioniert werden. Seit ich denken kann, werden Spieler, Trainer und Funktionäre beim Fußball beleidigt. Lothars Frau sagte man nach, sie würde auf einer bestimmten Straße in Hamburg ihr Geld verdienen und selbstverständlich jeder hätte schon einmal das Vergnügen gehabt. Oliver Kahn schenkte man zur Begrüßung Körbeweise Bananen und lautes Affengeschrei und Carsten Jancker durfte sich über geschmacklose „Chemotherapie“ Rufe wegen seiner nicht vorhandenen Frisur ärgern, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Keiner beschwerte sich beim DFB oder bekam Unterstützung vom DFB. Der Fußball war nie politisch korrekt und es wurden schon immer Grenzen überschritten, die man aber eben auch nicht zu ernst nehmen sollte! Nur Herr Hopp nimmt da eine Sonderstellung ein. Ein Fadenkreuz auf seinem Gesicht auf einem Doppelhalter wird dann schnell mal zur ernstzunehmenden Morddrohung. Und nun gibt es die Konsequenzen. Für Beleidigungen müssen die Fans nun mit Bundesweitem Stadionverbot rechnen.

Warum ist Dietmar Hopp so besonders Schützenswert, was hat der DFB für ein Interesse daran?

Die Vergabepraxis der Stadien für die Frauen Fußball WM deutet ähnlich auf eine gute Verbindung zwischen dem DFB und Herrn Hopp, denn Bielefeld und Magdeburg fielen plötzlich raus und Sinsheim bekam den Zuschlag, wie schon die Unterstützung des DFB im Beleidungsfall.
Einen Zusammenhang zwischen der Beschäftigung des Sohnes von Herrn Zwanziger bei der TSG und diesen fragwürdigen Erscheinungen würde ich nie herstellen wollen, denn da reagiert die Vereinsführung sehr dünnhäutig. Wie eigentlich bei jeder kleinen Kritik, dass mussten schon so einige Reporter leidvoll erfahren, denen gedroht wurde keine Interviews mehr zu bekommen, wenn sie negativ berichten.

Beleidigungen gehen oftmals unter die Gürtellinie und einige dieser haben im Stadion sicher nichts zu suchen, aber was hat er Hopp sich gedacht, was passiert, wenn er mit diesem Projekt viele Vereine hinter sich lässt, die versuchen sich ihren sportlichen Erfolg redlich zu verdienen?

Willkommen in der Bundesliga kann ich da nur sagen, wenn Sie damit nicht umgehen können, Herr Hopp, dann schnell zurück zu den Wurzeln, der deutsche Turner Verband kann Ihr Geld sicher sehr gut gebrauchen.

Oftmals –und es wird vermutlich auch meinen Bericht treffen- wird diese Debatte lapidar als Neiddebatte abgetan. Aber ich frage mich, worauf ich neidisch sein soll? Auf die „ruhmreiche“ Vergangenheit der TSG? Auf die Zukunft, die keiner vorhersehen kann? Auf das 30.000 Mann Stadion? Auf die tolle Region? Darauf, dass den Jugendspielern schon ein fürstliches Gehalt gezahlt werden kann? Oder darauf, dass eine einzige Person die Geschicke des Vereins leitet und keiner weiß, was passiert, wenn er plötzlich das Interesse verliert, weil sein Investment keinen Profit abwirft?

Tradition ist vielleicht kein Argument, aber Tradition bedeutet auch, dass eine gewachsene Fangemeinde da ist, die mit ihrem Verein bereits durch dick und dünn gegangen ist.
Inwiefern sich der Zuschauerzuspruch verändert, wenn die Krise mal in Hoffenheim Einzug erhält bleibt abzuwarten. Aber eben die Vergangenheit, die Tradition die gewachsene Fankultur kann er Hopp nicht kaufen. Er kann sie ebenso wenig kaufen, wie die Akzeptanz der Fans. Und durch ein hinzu gelogenes „1899“ vor dem Vereinsnamen, bekommt man eben auch keine Tradition!

Auch andere Vereine schielen immer wieder nach neuen Möglichkeiten Geld zu generieren. Wir sollten uns fragen, ob wir ein Mäzentum in Deutschland möchten. Herr Kind von Hannover 96 verlangte ja gerade die Aufhebung der 50+1 Regel, also dass die Vereine nicht mehr die Mehrheit an der ausgegliederten Fußball Gesellschaft halten müssen. Er kam damit übrigens nicht durch.

Aber wollen wir, dass der Fußball in Deutschland zum Spekulationsobjekt verkommt? Wollen wir profitgierige Investoren wie in England? Wollen wir die Eintrittspreise oder die Zerstückelung der Spieltage wie in England?

Ist unsere Liga wirklich so schlecht wie alle sagen? Ist nicht ein ½-Finalist im UEFA Cup und ein ¼ –Finalist in der Championsleague ein achtbares Ergebnis? Ist es nicht gerade unsere spannende und ausgeglichene Liga mit den modernsten Stadien der Welt, die für den höchsten Zuschauerzuspruch in Europa sorgt? Oder sollen wir wirklich Abermillionen für überbezahlte Stars ausgeben?

Ach ja, sind wir vor 2 Jahren eigentlich gegen Bukarest aus dem UEFA Cup geflogen, weil die wirtschaftlich so viel mehr Möglichkeiten hatten, oder haben wir Valencia aus dem UI Cup gekegelt, weil wir so viel Finanzkräftiger sind? Ich glaube nicht!

Ich glaube wir brauchen keine Investoren oder Mäzene in der Liga. Aus welcher Motivation heraus auch immer sie das tun, die Akzeptanz der Fans werden sie damit vermutlich nie ernten.


https://www.suedlich-von-hamburg.de/hsv/2008-10-20-Hoffenheim_%E2%80%93_wer_ist_das_eigentlich.html


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