Mrs. Kebab und ihre Liebe zum HSV

Wer meint, Olçay Beiersdorfer, die Frau des HSV-Sportchefs, sei vor dem Spiel gegen Galatasaray hin- und hergerissen, der irrt. Sie sieht sich als Deutsch-Türkin, vor allem aber als Hamburgerin

Er wollte ihr etwas schenken, irgendetwas sollte sie von ihm haben, und so legte er etwas in ihre Hand. Sie erschrak, ließ das kleine Teil fallen. Erst als sie es aufhob, sah sie, dass es eine kleine blau-weiß-schwarze Raute war. "So ein kleiner HSV-Anstecker war das", erzählt Olçay Beiersdorfer.

Ihren Mann, Dietmar Beiersdorfer, lernte sie im Restaurant ihrer Familie kennen, bei "Mr. Kebab", jenem Ort multikultureller Herzlichkeit auf St. Pauli, einen Steinwurf vom Millerntor entfernt. Sieben Jahre ist das nun her. "Natürlich habe ich mich gefreut über dieses kleine Geschenk, nur hatte ich ein Problem: Ich konnte es nicht so plakativ tragen - ,Mr. Kebab' ist schließlich St.-Pauli-Territorium!" Statt am Oberteil trug sie den HSV-Stecker dann am Bund ihrer Jeans. "Wenn Didi geguckt hat, habe ich den Pulli ein Stück hochgezogen. Wenn er weg war, habe ich den Stecker verdeckt. So ging das eigentlich ganz gut", erzählt sie lachend.

Heute macht Olçay Beiersdorfer keinen Hehl mehr daraus, dass ihr Herz für den HSV schlägt. Durch die Ehe mit dem HSV-Sportdirektor muss sich die Deutsch-Türkin in dieser Woche in doppelter Hinsicht bekennen - nämlich am Donnerstagabend, wenn die Hamburger Jungs im Uefa-Pokal-Achtelfinale in Istanbul auf Galatasaray treffen. Wobei ihr das nicht schwerfällt: "Ich bin Hamburgerin - natürlich bin ich für den HSV!", sagt die 36-Jährige entschieden.

Als Deutsch-Türkin und Frau des Vorstandsmitglieds des Traditionsklubs kommt ihr in diesen Tagen eine besondere Rolle zu - vor allem in der Türkei, wo alle großen Medien bereits über sie berichtet haben. "Es geht darum zu zeigen, wie die Integration einer türkischen Familie in Deutschland aussehen kann", sagt sie.

Wie selbstverständlich das gelingt, hat sie mit ihren Eltern und Brüdern vorgelebt. Im Alter von drei Jahren kam sie aus Anatolien nach Deutschland. Die Familie zog von der Veddel nach St. Pauli, wo sie ein Restaurant eröffneten. Anfangs unter dem Namen "Dogus", zehn Jahre später unter dem Namen "Mr. Kebab". Die Kinder verjüngten das Lokal. Erweiterten die Karte um Cocktails, DJs legten auf, Bands spielten. Das Lokal wurde zur Kultkneipe. Weil hier nicht nur Deutsche auf Türken trafen, sondern auch Italiener auf Griechen, Junge auf Alte, Kiezleute auf Ureinwohner. "Unser Laden war unsere Sozialisation", sagt sie. Olçay studierte nebenher Soziologie und arbeitete im Haus der Jugend im Brennpunkt Rothenburgsort. Dort merkte sie, dass sich nicht alle Einwandererkinder so angekommen fühlen wie sie. Mit ihrer offenen Art erreichte sie auch die harten Jungs, die sich sonst von niemanden etwas sagen ließen. Schon gar nicht von einer Alevitin wie ihr, die bekannt sind für eine tolerante Weltsicht. "Vorurteile kann man nur abbauen, wenn man sich begegnet", lautet Olçays Motto. Dass sie schon als Mädchen gleichberechtigt aufwuchs, verdanke sie ihren toleranten Eltern - und ihrem älteren Bruder Ergün. Als sie als Jugendliche eines Abends zusammen auf eine Feier wollten, sagte der Vater, sie solle früher zu Hause sein als der Bruder. "Warum?", fragte der. "Sie ist meine Schwester, sie hat dieselben Rechte wie ich."

Die Ehe mit einem Deutschen war also keine Überraschung. Mit dem Klischee einer Prinzessinnenhochzeit, also der herzzerreißenden Geschichte einer Migrantentochter, die den deutschen Manager heiratet - damit kann Olçay Beiersdorfer nichts anfangen. Auch wenn sie es in den Augen anderer in ihrem Kiez "geschafft hat", schließlich ist sie nun die Frau an der Seite eines mächtigen Mannes. Wenn sie so was hört, runzelt sie die Stirn und ihre Rehaugen gucken ihr Gegenüber strafend an.

Lieber bleibt Olçay Beiersdorfer ihrem Kiez treu - und ihrem Lokal, dem "Mr. Kebab". Wenn nicht gerade renoviert wird, fungiert sie dort als Geschäftsführerin. Und natürlich verfolgt sie jede HSV-Partie. "Ich leide immer total, mein Mann zwar auch, aber ich bin viel emotionaler!" Das Spiel bei Galatasaray wird sie mit Freunden zu Hause in Hamburg schauen. Einzige Bedingung: "Es dürfen nur HSV-Fans kommen, alles andere ist nichts für meine Nerven!" Es wird also eine überschaubare Runde werden, sagt sie schmunzelnd und mit einem Augenzwinkern.


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