"Ohne neues Stadion kein Profifußball in Mainz"

17.01.2008


Frustriert und pessimistisch: 05-Manager Christian Heidel mahnt dringend eine Lösung in der Standortfrage an - "Warum passieren solche Possen ausgerechnet immer in Mainz?"

Eine Woche lang war Christian Heidel ganz nah dran am Kader des FSV Mainz 05 im Trainingslager im andalusischen Costa Ballena. Doch täglich erreichten den Manager des Fußball-Zweitligisten aus der Heimat neue Hiobsbotschaften. Nach wie vor steht die glänzende sportliche Perspektive des Klubs im krassen Gegensatz zu den Streitigkeiten um den geplanten Stadionneubau in Mainz. Heidel: "Das ist frustrierend."
COSTA BALLENA. Gestern ist Christian Heidel in die Heimat zurückgeflogen. Mit gemischten Gefühlen. Der Manager des FSV Mainz 05 hat im spanischen Winter-Trainingscamp den Eindruck gewonnen, dass die Rückrundenvorbereitung des Tabellenzweiten auf einem hervorragenden Weg ist. Wäre da nicht das Stadion-Chaos in Mainz, der 44-Jährige hätte den Rückflug fröhlich pfeifend angetreten. Doch nun kämpft Heidel heute Abend im städtischen Hauptausschuss gemeinsam mit Klubchef Harald Strutz vielleicht schon um die letzte Chance beim Stadionprojekt. Und das bereitet Heidel, der über seine Zukunft in Mainz ernsthaft nachdenkt, große Sorgen. Die MRZ sprach mit dem 05-Manager am letzten Tag seines Aufenthalts in Andalusien.



Herr Heidel, wenn Sie an das Stadionprojekt denken, was werden Sie antreffen in Mainz nach Ihrer Rückkehr?

Ich muss feststellen, dass es anscheinend gar keine Veränderung gegeben hat. Der Standort Europakreisel ist nach heutigem Stand wohl nicht lösbar. Uns fehlen einfach die Argumente. Wenn einer sagt, er verkauft seine Grundstücke nur zu einem bestimmten Preis, dann ist das legitim. Fakt ist aber auch, dass er zu dem von ihm geforderten Preis nie verkaufen wird. Wir müssen dieses Thema wohl abhaken, und das ist für uns eine mittlere Katastrophe. Wir waren damals beim Ministerpräsidenten und haben eine klare Absprache mit der Stadt Mainz getroffen: Die Stadt stellt ein Grundstück zur Verfügung und baut ein Stadion, das wir durch eine Pacht abzahlen. Man muss feststellen, dass die Stadt Mainz ihren Part nicht eingehalten hat. Die Finanzierung steht, aber der Standort ist nicht da. Wir müssen jetzt schnellstens überlegen, ob es überhaupt noch eine Möglichkeit gibt.



Wo sind die Fehler gemacht worden?

Wir haben uns damals in gutem Glauben vom möglichen Standort Kastel verabschiedet, weil uns gesagt wurde, dass es eine Lösung in Mainz gibt. Damals haben wir schon nachgefragt, was passiert, wenn einer der 130 Eigentümer nicht verkaufen will. Damals wurde uns etwas von Umlegungsverfahren und im schlimmsten Fall von Enteignungsverfahren erzählt. Als wir ein halbes Jahr später gemerkt haben, dass die Verhandlungen festgefahren sind, sind wir selbst mal zum Anwalt gegangen und haben uns rechtlich beraten lassen. Dabei kam heraus: Diese Möglichkeiten gibt es überhaupt nicht. Das ist alles sehr tragisch. Ich hoffe nur, dass wir jetzt nicht ein halbes Jahr darüber diskutieren, wer schuld ist und welcher Schaden entstanden ist. Wir müssen uns darauf konzentrieren, eine Alternativlösung zu finden, weil die Uhr langsam abläuft. Wir haben einen entscheidenden Fehler gemacht: Wir haben damals geglaubt, was uns gesagt wurde. Was da genau schief gelaufen ist, kann ich nicht sagen.



Sie haben also kein Interesse daran, Schuldige herauszufiltern?

Das würde uns ja keinen Schritt weiterbringen, wenn jetzt jeder gegen jeden schießt. Dann wird überhaupt kein neuer Standort mehr zu finden sein. Momentan haben wir den Eindruck, dass sich viele mit Absicht zurückhalten, damit ihnen später nicht vorgeworfen werden kann, sie seien schuld. Deshalb macht bis auf einige wenige keiner mehr etwas. Auch das hängt mit der politischen Situation zusammen. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie viele Projekte in dieser Stadt in den letzten Jahren gescheitert sind. Die Politik muss sich schon mal hinterfragen, ob das so alles noch Sinn ergibt.



Wie realistisch ist der Standort Portland in Weisenau?

Auch hier sind wir darauf angewiesen, was wir gesagt bekommen. Nach Ansicht der Fachleute gibt es dort keinen K.o.-Faktor. Allerdings sind die Infrastrukturkosten nicht geklärt. Ohne Autobahnanschluss ist ein Stadion in Weisenau nicht in Betrieb zu nehmen.



Was kostet das, wie schnell wäre das umzusetzen?

Was ist mit einem Autobahnanschluss, was ist mit einem Bahnhof in Weisenau, wer bezahlt das? Wenn alles aus diesem 60-Millionen-Topf bezahlt werden muss, dann habe ich die Befürchtung, dass es nicht ausreicht. Dafür bin ich aber kein Fachmann. Die Grundstückskosten sind wohl im Griff. Die müssen auf einem ähnlichen Level liegen wie am Europakreisel. Mit dem Standort könnte man leben, aber es ist eben nur der zweitbeste.



Haben Sie eine realistische Alternative im Hinterkopf?

Es wäre für mich wie eine Fata Morgana, wenn noch jemand ein Standort einfiele, den wir bislang nicht kannten. Wir reden hier von einem Gelände von 15 Hektar. Wo soll das sein in Mainz? Mir ist keines mehr bekannt. Unter Umständen müssen wir uns damit beschäftigen, dass in Mainz gar kein neues Stadion gebaut wird. Man sieht es daran, dass die Standorte Bruchweg und Hechtsheim wieder hervorgekramt werden. Wir haben aber längst gemeinsam festgestellt, dass beide nicht gehen. Hechtsheim geht deswegen nicht, weil Strutz und Heidel da nicht hinwollen. Die Leute sagen, wir verlängern die Straßenbahn. Wer bezahlt das denn? Es gab sogar Visionen, die Eisenbahnlinie zu verlängern. Da reden wir über zweistellige Millionenbeträge. Wer macht die Straßenzuführung? Und das soll in einen gedeckelten Etat von von 60 Millionen Euro rein? Losgelöst davon, dass auch da die Grundstücke bis zu 150 Euro pro Quadratmeter kosten. Wenn das machbar wäre, dann könnten wir auch den Europakreisel kaufen. Das alles ist völlig unrealistisch. Dann erst kommt der Punkt, dass es nicht mehr Mainz 05 ist, wenn wir mit dem Stadion am Ende von Hechtsheim stehen. Das passt einfach nicht.



Zum Bruchweg: Mir wird bei Sitzungen gesagt, da machen wir zwecks Lärmschutz ein Dach drauf. Ein Dach bringt uns aber nichts, denn bei schönem Wetter muss laut DFL-Ordnung das Dach geöffnet werden. Wenn ich dann höre, dass das mit Dach 80 Millionen kostet, dann gehen wir lieber an den Europakreisel, weil da bei 80 Millionen alles optimal ist. Gleichzeitig höre ich immer wieder, Deckel, Deckel, Deckel, 60 Millionen.



Wäre es eine Idee, noch mal bei Null anzufangen und einen überparteilichen Mediator hinzuzuziehen?

Darüber habe ich schon mal nachgedacht. Aber zwischen uns und der Stadt muss niemand vermitteln. Wir machen ja alles mit. Den Grundstücksbesitzern am Europakreisel geht es nicht um Umwelt, nicht um Landschaftsversiegelung, nicht um Landwirtschaft. Da geht es nur ums Geld. Das ist legitim, aber es ist schon abstrus, das Fünffache zu fordern, das bekommt man nie. Wenn jetzt ein Mediator kommt und sagt, dass es nur das Dreifache gibt, dann ist das auch nicht machbar, weil die Stadt Nachzahlverpflichtungen hat. Nur wenn es um etwas anderes ginge als ums Geld, könnte ein Mediator hilfreich sein. Die fünf Grundstücksbesitzer sagen einfach Nein, weil sie wissen, dass sie in der Lage sind, das größte Bauprojekt der letzten und der nächsten Jahre in Mainz zu blockieren.



Was bedeutet dieses Chaos für den Klub, für Ihre und für die Zukunft von Trainer Jürgen Klopp?

Für den Verein Mainz 05 hat das zunächst mal überhaupt keine Folgen. Auch wenn das neue Stadion gebaut wird, müssen wir noch zwei Jahre am Bruchweg spielen. Es gibt sogar Menschen, die am jetzigen Bruchweg bleiben wollen. Der ist doch ausverkauft, da ist es doch schön. Das sind aber Leute, die sich im Fußballgeschäft überhaupt nicht auskennen. Fantasten. Unser Ziel muss es doch sein, den Verein weiterzuentwickeln. Unser Ziel muss sein, eine reelle Chance zu bekommen, überhaupt noch Profifußball spielen zu können, und zwar am besten in der Bundesliga. Ohne ein neues Stadion ist dieser Anspruch mittelfristig völlig unrealistisch. Irgendwann würde es nur noch darum gehen, in der Zweiten Liga überleben zu können. Wuppertal baut, St. Pauli baut, Dresden baut, Magdeburg hat schon gebaut, Düsseldorf und Leipzig werden kommen. Im Moment klappt das bei uns noch. Das geht, weil der Verein insgesamt sehr gut aufgestellt ist. Auf Dauer wird das aber nicht mehr machbar sein. Wir brauchen eine Perspektive. Ich glaube nicht, dass Klopps Entscheidung alleine vom neuen Stadion abhängt. Aber es ist wesentlich einfacher, wenn man ihm die neuen Möglichkeiten aufmalen kann.



Welche wären das?

Der Transport der Bruchwegatmosphäre in ein neues Stadion. Fünf, sechs, sieben Millionen mehr für die Mannschaft. Wir können jetzt ganz gut mithalten, aber die Zweite Liga wird spätestens in fünf Jahren ganz anders aussehen. Der FCK hat jetzt Probleme; ich glaube, wir sind das Aushängeschild für Rheinland-Pfalz geworden, weil wir seriös, wirtschaftlich gesund und sportlich erfolgreich in Deutschland rüberkommen. Das muss man stabilisieren. Ich glaube, einigen Leuten sind die dramatischen Auswirkungen ihrer Entscheidungen nicht bewusst. Ich weiß nicht, ob es so eine Posse in Deutschland schon mal gab. Warum ausgerechnet immer in Mainz? Da muss man sich fragen: Warum ist das so?



Noch mal nachgefragt, wie steht es um Ihre persönliche Zukunft?

Für meine eigene Zukunft ist wichtig, dass nach meinen letzten 15 Jahren in Mainz etwas da ist, was uns weiterbringt. Ich will Dinge ständig weiterentwickeln. Den Level halten, das ist keine Perspektive, das geht nur bei Bayern München. Wenn diese Perspektive in Mainz ohne das neue Stadion nicht machbar ist, dann muss ich mir die Frage stellen, ob es für mich persönlich nicht interessanter ist, an einem anderen Ort zu beweisen, dass ich etwas bewegen kann. Diese Möglichkeit hätte ich jetzt, wer weiß, ob die noch einmal kommt.

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