05er ließen Kon­zen­tra­tion, Tem­pera­ment und Fle­xibi­lität vermissen

Lock­fuß­ball statt Power­fuß­ball

Mainz - Dem Fußball-Zweit­ligis­ten FSV Mainz 05 fehlt zum Rück­run­den­beginn die nötige Sta­bilität. Beim ent­täu­schen­den 2:2 gegen den Tabel­len­letz­ten FC Jena am Frei­tag­abend am Bruchweg ver­schleu­derte die Mann­schaft von Trainer Jürgen Klopp ohne Not zwei wichtige Punkte im sich immer mehr zuspit­zen­den Auf­stiegs­kampf.

Kurz vor dem Abpfiff hatte Isaac Boakye (Mitte) noch die große Chance zum Sieg­tref­fer, doch der Schuss des 05-Stürmers flog wenige Zen­time­ter am rechten Pfosten des Jenaer Kastens vorbei. Es blieb beim ent­täu­schen­den 2:2.

Welche Argumente man auch immer anführen mag für den holprigen Einstieg in die Rückrunde, diesen leicht möglichen Heimsieg gegen den FC Jena hätte der FSV Mainz 05 nach der schönen 2:0-Führung nicht mehr aus der Hand geben dürfen. In dieser letzten halben Stunde, als die 05er den Tabel­len­letz­ten mit eigenen Fehlern und einer merk­wür­dig ver­hal­tenen Spiel­weise wieder zurück in die Partie holten, offen­barte durchaus schon öfter auf­getre­tene Probleme.

Diese im Sommer neu zusam­men­gestellte Mann­schaft hat ein Gesicht. Und damit erzwingt die Klopp-Elf auch Siege, und sie wird mit dieser Qualität auch weiterhin Punkte holen. Was fehlt, das ist zuweilen der Instinkt, die Bereit­schaft, auch mal ein Spektakel abzu­lie­fern. In einer bestimm­ten Spiel­phase die ein­gefah­renen Gleise zu verlassen und den Gegner die über­legene Qualität gnadenlos spüren zu lassen.

Gegen den FC Jena haben die 05er ihren abge­klär­ten, abwar­ten­den Ansatz ab dem 2:0 (55.) auf die Spitze getrieben. Statt den rund um den über­ragen­den Indi­vidua­lis­ten Jan Simak deutlich limi­tier­ten Gegner in dessen Hälfte zu beschäf­tigen, fest­zuna­geln, unter Druck zu setzen, den Zuschau­ern viel­leicht ein 3:0 und 4:0 anzu­bie­ten, wollten die Mainzer Profis die Partie mit nach­las­sen­dem Aufwand über die Runden schaukeln.

Stimmung war mäßig

Spürbar ist, dass diese Art von Fußball im Moment am Bruchweg den Funken zum Publikum nicht über­sprin­gen lässt. Die Stimmung bei der Jena-Partie war mäßig. Das hat weniger zu tun mit den spie­leri­schen Problemen, die diese Mann­schaft gegen­wär­tig hat ohne den zentralen Mit­tel­feld­tech­niker Daniel Gunkel. Spektakel am Bruchweg waren von jeher nicht geprägt von Zucker­bäcker­fuß­ball, denn von Kampf, Lauf­bereit­schaft, Lei­den­schaft und Tempo. Wenn das stimmte, dann haben die Anhänger am Bruchweg auch Punkt­ver­luste verziehen. Nach dem Motto: Alles versucht, aber heute hat es nicht gereicht - der Gegner war besser oder glück­licher.

Direkt nach dem Abpfiff hat Jürgen Klopp am Frei­tag­abend eine Spie­ler­sit­zung abge­hal­ten. Kernthema, so der 05-Coach: "Wir waren nicht hart genug gegen uns selbst." Und das ist keine Frage von Ein­stel­lung und Kampflust. Das ist eine Men­talitäts­frage. Und da lassen die 05er mit dem aktuellen Personal zuweilen Tem­pera­ment, Fle­xibi­lität vermissen.

In Mön­chen­glad­bach war die Mann­schaft auf gna­den­losen Kampf, auf Lauf­bereit­schaft, auf defensive Disziplin ein­gestellt - durch­gezo­gen. Gegen den FC Jena waren die 05er auf ein gedul­diges Offen­sivspiel ein­gestellt: Gegner in den torun­gefähr­lichen Räumen auch mal machen lassen, Ball abnehmen, schnell umschal­ten und in die offenen Räume ein­bre­chen. Das Konzept ging auf bis zum 2:0. Die Mainzer Profis machten in diesem Stil weiter. Aller­dings mit nach­las­sen­dem Eifer in den defen­siven und offen­siven Zwei­kämp­fen. Das hatte Anflüge von Ergeb­nis­ver­wal­tung. Und schon waren zwei Punkte weg.

Die Mischung macht's

Bringt diese Spiel­weise nicht das gewünschte Ergebnis, dann vermissen die Anhänger am Bruchweg den Kampf- und Tem­pofuß­ball, die aus Lei­den­schaft gespeis­ten Spektakel, dieses Allein­stel­lungs­merk­mal der Mainzer früherer Tage. Wahr­schein­lich ist es so: Die Mischung macht´s.

Ein wenig mehr Offen­siv­pres­sing, ein wenig mehr aggres­sives Zupacken im Mit­tel­feld, ein wenig mehr Tempo- und Power­fuß­ball, und der ange­knockte FC Jena hätte den Kopf nicht mehr hoch­bekom­men am Bruchweg, nicht nach einem 0:2. "Natürlich gehört auch das Offen­siv­pres­sing zu unserem Reper­toire", sagt Klopp. "Gegen Jena hätten wir auf diese Art und Weise vier, fünf Tor­chan­cen mehr haben können. Aber wir haben es halt nicht gemacht."

Einem indi­vidu­ell deutlich unter­lege­nen Gegner das Mit­tel­feld feil zu bieten, den Gegner sich in seinen begrenz­ten Mög­lich­kei­ten ein­spie­len und bis in Straf­raum­nähe unge­bremst austoben zuzu­las­sen, das macht keinen Sinn. Das birgt ein eher Risiko an Tagen, an denen beim Torhüter und in der Abwehr­reihe Kon­zen­tra­tions­schwächen ihr Unwesen treiben.

Diese Spielart kann dann besonders gefähr­lich sein, wenn der Gegner im offen­siven Mit­tel­feld einen Über­flie­ger stellt, der mit jedem läp­pischen Stan­dard­ball Torgefahr pro­duzie­ren kann. Und diesen Klas­semann hatte der FC Jena mit dem bril­lan­ten Jan Simak, der sich beim Schluss­licht taktisch um nichts anderes kümmern muss als um ein paar Soloein­lagen nebst gefühl­voll ange­schnit­tenen Freistößen und Eckbällen. Dazu hätte man dem Tschechen am Frei­tag­abend nicht zwangs­läu­fig Gele­gen­hei­ten bieten müssen. Wenn die 05er den FC Jena kom­pro­miss­los von der Mainzer Rasen­hälfte fern gehalten hätten.

Vieles rela­tiviert sich natürlich durch die Tatsache, dass Daniel Ischdonat seine 1,3 Anteile hatte an den beiden Gegen­tref­fern. Der 05-Keeper in Glad­bach­form, und obige Dis­kus­sion wäre wahr­schein­lich nie geführt worden.

Indi­vidu­elle Form

Insgesamt geht es immer auch um indi­vidu­elle Form. Tim Hoogland sucht noch nach seiner langen Ver­let­zungs­pause. Marco Rose hat seine Probleme. Felix Borja hatte einen schwachen Tag. Damir Vrancic zeigte sich nicht in der zentralen Mit­tel­feldrolle, er forderte die Bälle nicht. Das poten­ziert sich an solchen unguten Tagen.