Scouting kann die Zukunft sichern

36-jähriger Peter Krawietz leitet wichtige Abteilung der 05er / Viel Lob an die Adresse von Greuther Fürth


Vom 08.02.2008

grü. Das Topspiel in der Zweiten Liga am 19. Spieltag: Der FSV Mainz 05 empfängt Greuther Fürth. Seit Jahren hängt in beiden Klubs viel von der effektiven Suche nach günstigen Zugängen ab.


Peter Krawietz ist Leiter der Scouting-Abteilung beim zweitplatzierten FSV Mainz 05. Über die Gegner des Bruchweg-Klubs äußert sich der 36-jährige Ur-Mainzer eigentlich nicht. Bei der SpVgg Greuther Fürth macht er eine Ausnahme: "Gerade wir in Mainz wissen die Arbeit der Fürther zu schätzen. Sie sind seit Jahren oben dabei, fallen aber nach knapp verpassten Aufstiegen auch nicht in ein Loch, sondern bauen immer wieder starke Mannschaften auf - Hut ab davor." Weil die Franken finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, muss die eigene Jugendabteilung gut genug sein um immer wieder Talente nach oben zu spülen, muss das Sichten von günstigen potenziellen Zugängen erfolgreich sein. Nicht viel anders sieht es prinzipiell in Mainz aus, auch wenn Trainer Jürgen Klopp vor dieser Saison mal auf den Zukauf von gestandenen Profis setzte.

Seit 1995 arbeitet Peter Krawietz schon für die 05er. Seit zwei Jahren hauptberuflich. "Zu meiner Arbeit gehört die Analyse des eigenen Spiels, die Beobachtung der Gegner, die Sichtung von Spielern und die Archivierung von relevanten Daten", sagt der Diplom-Sportwissenschaftler. Weil die Analyse der 05-Spiele in enger Zusammenarbeit dem dem Trainerteam stattfindet, widmet sich dieser Artikel dem Rest.

Stichwort Gegnerbeobachtung: "Das ist mein Hauptaufgabengebiet", sagt Peter Krawietz. Mindestens einmal guckt sich der Chefscout den kommenden Gegner live im Stadion an. Aufgrund der für die 05er geographisch günstigen Konstellation in dieser Runde, mit Konkurrenten wie Wehen Wiesbaden, Kaiserslautern, Koblenz, Offenbach und Hoffenheim in der Nahdistanz, kommt Krawietz aber leicht auf mehr Beobachtungsmöglichkeiten. Genauso wie die beiden engsten Mitarbeiter, Norman Bertsch und Willi Löhr. "Es geht immer darum festzuhalten, was beim Gegner systematisch abläuft, wo sich für uns Räume auftun könnten, das ist die Mutter aller Fragen", sagt Krawietz. Daneben ist natürlich von Interesse, wie Standardsituationen ausgeführt werden, wie der Gegner attackiert. All das wird protokolliert, der Trainercrew vorgelegt.

Stichwort Spielersichtung: "Wenn Manager Christian Heidel sagt, dass wir eigentlich immer die Augen offen halten, hat er damit Recht", sagt Peter Krawietz. "Meist läuft es so, dass Spielerberater Heidel kontaktieren. Dann schicken diese eine DVD an uns, dann melden sich die Berater bei mir." Und dann zieht der FSV-Mann bestenfalls mit den Kollegen los.

Der Mann im 05-Kader, der mit am meisten Aufmerksamkeit der Beobachter auf sich gezogen hat, ist Chadli Amri. 2006 wechselte der Algerier vom 1.FC Saarbrücken an den Bruchweg. "Wenn man für einen 20-Jährigen 500 000 Euro ausgibt, dann muss man sich schon sicher sein, dass er das Geld wert ist", so Peter Krawietz. Aufgefallen war Amri dem FSV-Scout bei einem Oberliga-Duell der zweiten FCS-Mannschaft gegen die Amateure der Mainzer. "Da hat er unseren Jungs Knoten in die Beine gespielt." Dann wurde Amri in die erste Elf gehievt. "Und da haben die Trainer Zeljko Buvac, Stephan Kuhnert und ich uns ihn immer wieder angeguckt. Bis wir wussten: Der Kerl ist wirklich eine Waffe, der ist das Geld wert.

Ungünstiger sind die Fälle, in denen die Mainzer potenzielleZugänge nicht selber vor Ort erleben. Beispielsweise im Fall von Wellington Santos da Silva, der am letzten Tag der Transferperiode im Sommer verpflichtet worden ist, weil den 05ern noch ein Linksfuß fehlte. "Wir hatten von Welli eine DVD mit seinen Highlights in unserem Archiv. Dazu haben wir uns dann weitere DVDs von kompletten Spielen mit ihm bestellt", so Krawietz. Anhand dieses Materials holten die Mainzer den 22-jährigen Brasilianer von Gremio Porto Alegre für eine Leihgebühr von 200 000 Euro. "Wir haben gesehen, dass wir ein Risiko mit seiner Verpflichtung eingehen, aber die Trainercrew steht immer auf dem Standpunkt: Wenn einer kicken kann, kann sie ihm den Rest beibringen." Der Brasilianer hat taktische Defizite, die immer noch nicht ganz aufgearbeitet sind. Peter Krawietz: "Aber aus meiner Sicht hat sich sein Wechsel auch schon gelohnt, weil er die Partie gegen Osnabrück gedreht hat."

Unter Führung von Krawietz haben die Mainzer mittlerweile ein großes Netzwerk aufgebaut, an dem viele Fußballexperten auf nebenberuflicher Basis weiter stricken, damit kein Spieler unbeobachtet bleibt. "Wir haben gute Kontakte nach Frankreich, nach Schweden, nach Dänemark", sagt der 36-Jährige. "Aber wir haben beispielsweise noch niemanden in Berlin. Da sind wir aber jetzt dran." Im Juniorenbereich ist Willi Löhr Chefscout.

Stichwort Archivierung: Die Firma Kemweb hat eine Datenbank für die 05er aufgebaut, in die alle relevanten Daten über alle möglichen Spieler gestellt werden. "Auf die haben alle unsere Mitarbeiter Zugriff", sagt Peter Krawietz. "Wenn Kollege X schreibt und sagt, dass ein Mann aus den unterschiedlichsten Gründen gut war und dies Kollege Y bei einem anderen Spiel bestätigt, fahre ich mir den Spieler angucken. Und wenn ich dann auch noch sage, dass er gut ist, dann wird´s interessant." In die Datenbank fließen jetzt auch alle DVDs ein, die sich bislang angesammelt haben. Informationen aus dem Internet holen sich die 05er darüber hinaus auch noch. Gegen eine Gebühr ziehen sie von der Firma Soccer-Association Sekundärinformationen aus dem Netz.

Stichwort Erfolg: Peter Krawietz schätzt den Nutzen der Scouting-Abteilung folgendermaßen ein: "Wir versuchen ein möglichst exaktes Bild eines Spielers zu zeichnen." Dann erinnert sich der Mainzer an einen Spruch, der wohl von Otto Rehhagel stammt. Demnach könne man einen Zugang aber erst nach einem halben Jahr im Team richtig als Mensch und Spieler bewerten. Doch Peter Krawietz erklärt auch, dass er seinen Traumjob in Mainz ausübt. "Ich fühle mich einfach wohl bei 05."