Aufstiegsträume lösen sich in Rauch auf

Bruchweg wird aber nicht zum Tal der Tränen - Trauer und Stolz halten sich die Waage

Vom 19.05.2008

Feuchte Augen gab es am Bruchweg gestern zwar viele - mehr noch als den verpassten Aufstieg schienen die Fans den Abschied von Trainer Jürgen Klopp zu beweinen. Und dennoch: Anders als bei den Nichtaufstiegsdramen vergangener Jahre überspielte nach dem Abpfiff der Stolz auf das gemeinsam Erreichte den Katzenjammer.

Der Glaube kann vielleicht Berge versetzen, doch den Aufstieg vermag selbst der unerschütterliche Optimismus der 05-Fans am Ende nicht erzwingen. Schon drei Stunden vor dem letzten Saisonspiel gegen den FC St. Pauli setzen mehrere Hundert Anhänger ein Zeichen und marschieren unter frenetischen Anfeuerungsrufen vom Schillerplatz hinauf zum Stadion. An fehlender Unterstützung wird der Last-Minute-Aufstieg jedenfalls nicht scheitern, das wird im Stadion rasch klar. Letzte Reste vereinzelt spürbarer Skepsis sind plötzlich wie weggeblasen, als Stadionsprecher Klaus Hafner kurz vor dem Anstoß verkündet, dass eine ganze Reihe von Ex-05-Heroen - darunter Mimoun Azouagh, Manuel Friedrich und Benjamin Auer - angereist sind, um dem Bruchweg-Team die Daumen zu drücken. Die Dramaturgie wird perfekt abgerundet, als die Mannschaften vor der Kulisse einer gigantischen Choreografie auf der Telco-Tribüne einlaufen, die eine aufgehende "05-Sonne" zeigt und mit dem Spruch: "Für den Fußball und für Mainz - gemeinsam Richtung Liga 1!!!" die Marschrichtung der kommenden 90 Minuten vorgibt.

Angesichts dieser Euphorie um sie herum wollen offenbar weder die Spieler noch die Fans des FC St. Pauli Spielverderber sein - obwohl die Hamburger Treffer auf Treffer kassieren, herrscht im Gästeblock das ganze Spiel über eine blendende Stimmung - im Norden gönnen sie den Mainzern den Aufstieg von Herzen. Dumm nur, dass trotz des zunehmend eindeutigen Spielstands die entscheidenden Tore woanders fallen. Auf der Anzeigetafel werden zwar keine Zwischenstände aus Hoffenheim eingeblendet, doch haben etliche Zuschauer das Ohr ständig am Radio. Zweimal brandet unvermittelt Jubel auf und einmal sieht man sogar Jürgen Klopp die geballte Faust vor der Haupttribüne recken - voreilig, wie sich herausstellt, denn jeweils entpuppen sich vermeintliche Fürther Tore in Hoffenheim als Hirngespinste.

In der Schlussphase ist längst klar, dass es nichts wird mit dem Aufstieg. Statt Resignation macht sich allerdings trotzige Feierlaune breit: "Wir sind stolz auf unser Team" und "Jürgen, Jürgen"-Sprechchöre schallen von den Rängen. Nach dem Abpfiff verlässt keiner das Stadion und während sich auf dem Rasen die Spieler um ihren Noch-Trainer Jürgen Klopp scharen, verdrückt Klaus Hafner ungeniert einige Tränen. Ihm ergeht es nicht anders als vielen Fans - vor allem der nun offenbar unvermeidliche Abschied von Jürgen Klopp schlägt ihm aufs Gemüt, wie er später im AZ-Gespräch gesteht: "Schließlich habe ich ihn hier schon angesagt, als er noch Spieler war!"

Schon im nächsten Moment sieht man den Stadionsprecher allerdings ziemlich in Rage auf den Q-Block zustürmen, wo ein offenbar frustrierter Fan mitten im Gedränge eine Rauchbombe gezündet hat. "So´n staatlich geprüften Hohlroller braucht keine Sau", poltert Hafner ins Mikro und lässt sich auch von einer gegen ihn erhobenen Faust keineswegs einschüchtern: "Du brauchst mir nicht zu drohen!" Die Fans im Q-Block haben für den Aussetzer ihres schwarzen Schafes ebenfalls nichts übrig und fordern lautstark "Stadionverbot" und "Ultras raus". Wie die Polizei am Abend mitteilt, wurde ein 29-Jähriger vorläufig festgenommen, gegen ihn laufen nun Ermittlungen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Im Zuge des Eingreifens der Sicherheitskräfte war es im Block zu Rangeleien gekommen; einzelne Zuschauer und Ordner klagten zudem über Atembeschwerden.

Es bleibt der einzig unschöne Zwischenfall. Nach und nach wandern die Fans ab, spülen Frust und Zukunftssorgen in den stadionnahen Kneipen herunter. Vor dem Theater, wo eigentlich der Aufstieg hätte gefeiert werden sollen, finden sich am frühen Abend nur ein paar Versprengte ein. Rund ein Dutzend hockt betrübt am Sockel des vorsorglich "evakuierten" Gutenberg-Denkmals. Ein symbolisches Bild? Von wegen. Von einem vorbeikommenden Fan animiert, springt der ganze Haufen plötzlich auf und singt: "Humba, humba, täterää..."