Saisonfinale: „Alles was hilft“

Kurz vor dem Saisonfinale wird Jürgen Klopp philosophisch: „Das Leben ist eine Ansammlung von Erinnerungen. Der Mensch neigt dazu, sich nach dem kürzlich Erlebten zu richten. Nach den zwei Niederlagen würde das bedeuten, dass man kein Vertrauen mehr in uns hat. Aber Glaube versetzt Berge, und je mehr Leute an uns glauben, desto größere Berge können wir bezwingen.“ Der Mainzer Trainer macht Mut, denn das Spiel am Sonntag gegen den starken FC St. Pauli und das gleichzeitige Im-Auge-behalten des Spielausgangs in Hoffenheim wird schwer.

Zwei Niederlagen in weniger als einer Woche und das bei bester Ausgangsposition im Kampf um den Aufstieg sind sicherlich hart zu verdauen. Doch die Kölner Aufstiegsfeierlichkeiten zumindest kurz miterlebt zu haben, macht auch Lust auf eine eigene Fete rund um den Bruchweg. Nachdem Hoffenheim mit nur einem Punkt vom Bieberer Berg abziehen musste, keimte in der Mannschaft und auch unter den Fans das Gefühl auf, dass noch etwas geht und das Wunder vom Bruchweg in der zweiten Auflage nach 2004 immer noch möglich ist. In der Tat ist rechnerisch nicht aller Tage Abend, dementsprechend schnell war das Kölnspiel abgehakt. Jürgen Klopp nahm sich auch nicht einzelne Protagonisten für eine persönliche Ansprache zur Brust. „Wir haben alles gemeinsam besprochen, ich hab mir niemanden rausgepickt. Es gab auch eigentlich keine Einzelleistungen, die dies nötig gemacht hätten.“ Sicher war die Enttäuschung groß, nachdem man die Chance auf einen frühzeitigen Gang in die erste Liga verpasst hat, doch Klopp sieht auch das Positive: „Für die Entwicklung bis hier hin sind wir alle gemeinsam und zusammen verantwortlich. Dabei darf nicht vergessen werden, dass wir in dieser Saison bei unseren Heimspielen mehrfach überzeugen konnten und zu Hause die meisten Tore verbucht haben. Wir machen auch dieses letzte Spiel der Saison wieder zur gemeinsamen Aktion.“ Damit spricht der Mainzer Fußballlehrer auch die Fans an, die ihn mit ihrer phänomenalen Unterstützung beim Aachenspiel begeisterten. Klopp erhofft sich, dass am Sonntag nach dem vereinten Fan-Marsch zum Stadion wie bereits im Aufstiegsjahr 2004 die Stimmung auf den Rängen erneut bombastisch wird und sein Team zu Höchstleistungen antreibt. Denn der Gegner ist gefährlich.

„Für den FC St. Pauli geht es um nichts mehr, und das ist das Problem“, so Klopp auf der Pressekonferenz vor dem Spiel. Man munkelt in Hamburg, bei einer Niederlage gegen Mainz würde der geplante Mallorca-Flug vom Frankfurter Flughafen aus zwecks Begießen des Klassenerhalts gecancelt. Holger Stanislawski war alles andere als erfreut über die vorangegangene Leistung seines Teams, denn die Niederlagen gegen Kaiserslautern und Aachen waren so gar nicht nach dem Geschmack des Paulianer Trainers. „Es war eine desolate, katastrophale Leistung. Bis zur Halbzeitpause fühlte ich mich verarscht. Das hat mit Profifußball nichts zu tun. Der freie Tag ist gestrichen. Wenn ich mir den Dreck hier anschauen muss, dann können die Spieler sich das morgen auch anderthalb Stunden ansehen", wurde Stanislawski von der WELT am Sonntag direkt nach der 0:2-Pleite gegen die Alemannen zitiert und verdonnerte sein Team zur TV-Stunde am Pfingstmontag. Was den Hamburger Coach so in Rage versetzte war die mangelnde Spielfreude und fehlende Leidenschaft, und das, obwohl der schwache Eindruck aus der Kaiserslauternpartie im letzten Heimspiel der Saison wieder wettgemacht werden sollte. Zudem plagen die Hanseaten auch Verletzungssorgen. Neben den Langzeitverletzten Thomas Meggle und Florian Lechner sind auch die Einsätze des starken Filip Trojan (Zerrung im Hüftbeuger) und des Ex-Mainzers Ralph Gunesch (Knochenhautentzündung im linken Schienbein) gefährdet.

Im Mainzer Lazarett hat sich einiges getan. Seit dieser Woche trainiert Dimo Wache wieder mit der Mannschaft, und so Daniel Ischdonats muskuläre Probleme nicht bis zum Spiel behoben werden können, stehen laut Klopp auch entweder Wache oder Christian Wetklo im Kasten der 05er. Für Bo Svensson steht die Operation seiner Achillessehne noch aus, da der ursprüngliche Termin diese Woche um sieben Tage nach hinten verschoben wurde. Zur Aufstellung seines Teams wollte der Trainer wie gewohnt nichts sagen, prophezeite aber ein anstrengendes Spiel am Sonntag und formulierte klar die Marschroute. „Die Mannschaft des FC St. Pauli wird sicher ordentlich durchgewirbelt werden, wir rechnen mit allem. Egal wie er heißt, woher er kommt und wohin er fliegen will, wir müssen gewinnen. Alles was hilft werden wir dazu ranziehen, jeden Meter Rasen beackern. Den Rest haben wir nicht mehr in der Hand“, so Klopp im Hinblick auf das Spiel der TSG Hoffenheim gegen Greuther Fürth. Ansonsten sei diese Spielpaarung kein wirkliches Thema für den Mainzer Coach. „Wenn ich heut morgen die Zeitung aufgeschlagen und darin gelesen hätte, bei den Hoffenheimern haben sich gestern sechs wichtige Spieler verletzt, dann hätte ich auch schon schlechtere Nachrichten zum Frühstück gehört. Aber sie sind alle fit und darauf wie sie spielen, haben wir keinerlei Einfluss. Wir müssen nur unser eigenes Ding gut machen.“ Auf die Frage, ob er Bruno Labbadia bereits angerufen oder sein Freund Ralf Rangnick ihn schon um Rat gefragt habe, lachte Klopp verschmitzt: „Ich glaub nicht, dass es etwas bringen würde wenn Bruno in der Kabine seinen Jungs sagt, dass ich mir auch wünschen würde, wenn sie gewinnen. Ungefähr genauso wenig wie wenn Ralf mich fragen würde, wie man Fürth schlagen kann!“