Jürgen Klopp arbeitet "mit voller Konzentration am 05-Aufstieg" / "Reicht man den Jungs den kleinen Finger, nehmen sie den ganzen Arm"

Vom 27.02.2008

Das verflixte siebte Jahr ist Geschichte, ab heute ist Jürgen Klopp im achten Jahr Trainer des Fußball-Zweitligisten FSV Mainz 05. Gestern sprach der 40-jährige Mainzer über seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft am Bruchweg.

Herr Klopp, was bedeuten Ihnen die vergangenen Jahre?

Klopp: Irgendwie schaffe ich es immer, diesen Termin zu vergessen. Ich erinnere mich nur daran, dass es an einem Fastnachtsdienstag losging. Seitdem hat sich mein Leben aber auf jeden Fall dramatisch verändert. Und zwar nur zum Positiven. Ich wollte schon immer Proficoach werden. Ich genieße den Luxus, jeden Tag gut gelaunt auf die Arbeit zu gehen.

Aufgrund der Schnelllebigkeit vorangeganger 05-Trainer muss Sie die Dauer Ihrer Amtszeit überraschen, oder?

Klopp: Vorher war Mainz 05 eine Art Raketenabschussbasis für Trainer. Aber die Vereinsverantwortlichen hatten letztlich immer alles richtig gemacht bei ihren Entscheidungen, weil das Mindestmaß der Ziele - meist der Nichtabstieg - , erreicht wurden. Vieles musste dann ineinandergreifen um zum jetzigen Zustand, einer Phase des Stabilisierens, zu gelangen. Und das neue Stadion wird dazu beitragen, dass es mit der Stabilität weitergeht. Ziel muss sein, dass sich Mainz 05 immer unter den ersten 20 Vereinen in Deutschland befindet. Auf- und Abstiege sind dann immer drin.

Was war der Tiefpunkt in den zurückliegenden sieben Jahren?

Klopp: Tiefpunkt war sicherlich der Nichtaufstieg 2002 in Berlin. Wir dachten damals, dass eine einmalige Chance verpasst worden ist. Der Tag drauf war aber schon wieder einer der wichtigsten, weil wir die Aufbruchstimmung spürten.

Wie hat sich Ihr Leben als Trainer in Mainz verändert?

Klopp: Ich habe seit meinem Dienstantritt Tausende von Fußballspiele sehen können. Das war vorher nie drin. Ich bin ein paar Schritte weitergekommen auf dem Weg, das Spiel zu verstehen. Als Mensch bin ich vor Aufgaben gestellt, in Situationen reingedrängt worden, die ich mir nie habe vorstellen können Ich habe gelernt, mit Druck umzugehen. Als Spieler konnte man Fehler in gewisser Weise ja auch den zehn Kollegen auf dem Platz in die Schuhe schieben. Ich habe gelernt, Dinge richtig einzuordnen, zu bewerten, was wirklich wichtig ist und was ist nur oberflächlich wichtig ist.

Überrascht Sie noch etwas in diesem Geschäft?

Klopp: Große Überraschungen gibt es eigentlich nicht mehr. Ich habe schon als Kind jeden möglichen Zeitungsartikel über Fußball gelesen, bin also mit allen Geschichten, die der Job so bietet, groß geworden. Interessant ist allerdings, dass Mannschaften doch immer unterschiedliche Gesichter haben. Gerade ist es bei uns so: Reicht man den Jungs den kleinen Finger, nehmen sie den ganzen Arm.

Wie erleben Sie das Interesse an Ihrer Person im Zuge zu besetzender Trainerposten in der Bundesliga und anderswo? Diskussionen, die ja auch an Ihre Ankündigung geknüpft sind, sich bis Ende März über den eigenen auslaufenden Vertrag in Mainz Gedanken zu machen.

Klopp: Die generelle Situation momentan ist ungewöhnlich. Der FC Bayern München und der Hamburger SV erklärten im Saisonverlauf, in die nächste Runde mit einem anderen Trainer zu gehen. Die Münchner haben sich für Jürgen Klinsmann entschieden, die Hamburger nehmen sich noch etwas Zeit mit einer Verkündigung. Gewöhnlich läuft es doch so, dass ein Trainer von einen auf den anderen Tag entlassen und gleich ein Nachfolger präsentiert wird. Das Thema ist dann vier Tage in den Medien und anschließend nicht mehr. In dem Moment, in dem ich von einer Bedenkzeit für mich bis Ende März gesprochen habe war mir klar, dass es immer wieder zu Spekulationen kommen würde. Dieses Mal habt ihr also insgesamt länger Zeit, über Trainerneubesetzungen zu schreiben. Ich habe kein Problem damit. Ich nutze den Zeitraum für mich. Und egal wie ich mich entscheide: Es werden sich ein paar Leute mit mir freuen, ein paar andere nicht. Ansonsten bin ich zu 100 Prozent mit meinen Gedanken bei Mainz 05. Mein einziges Ziel ist es, mit dieser Mannschaft aufzusteigen. Und ich kann beide Themen wirklich sensationell gut voneinander trennen.