Vier Spiele, immer dies­sel­ben Vorwürfe

Von Jörg Schneider

Niemand wird ernsthaft auf die Idee kommen, dieses 2:2 vom Frei­tag­abend gegen den Tabel­len­letz­ten dem Schieds­rich­ter in die Schuhe schieben zu wollen. Dennoch ist die Vor­stel­lung von Frank Wil­len­borg, Jahrgang 1979, es wert, sich näher damit zu befassen. Dass der Job, den die Unpar­tei­ischen im Pro­fifuß­ball ver­rich­ten, besonders schwierig ist, die Pfei­fen­män­ner sich häufig mit schau­spie­lern­den Profis aus­ein­ander setzen müssen, die wie trotzige Heran­wach­sende die Tole­ranz­gren­zen austesten, ist jedem klar. Und dass jede Szene heute durch eine Vielzahl von TV-Kameras bis ins Kleinste seziert werden kann, macht die Aufgabe sicher­lich nicht leichter. Frank Wil­len­borg, Real­schul­leh­rer aus Osnabrück jedoch, gehört zu den Schieds­rich­tern, die auch ohne das ungemüt­liche Beiwerk anschei­nend absolut fehl am Platze sind. Spätes­tens nach dessen Auftritt am Bruchweg muss die Frage erlaubt sein, wie es diesem Unpar­tei­ischen gelungen ist, bis in die Zweite Liga auf­zustei­gen?

Jürgen Klopp for­muliert es so: "Das ist ganz eindeutig ein Schiri, der nicht pfeifen kann, weil er nichts vom Fußball versteht. Er kann nicht ein­schät­zen, was normales Zwei­kampf­ver­hal­ten und was Foul ist." Er selbst, gesteht der 05-Trainer, könne kein Spiel pfeifen, obwohl er etwas vom Fußball verstehe. Für jemanden, der diesen Sport jedoch nicht ver­stan­den habe, werde es enorm schwierig, ein Spiel zu leiten. Wil­len­borg bewertete eine Menge komplett anders als alle übrigen auf dem Platz und Drumherum. "Ich habe schon nach dem ersten Foulpfiff darauf hin­gewie­sen, dass wir hier Fußball spielen und dass man dabei harte Zwei­kämpfe führe", sagte Marco Rose. Wil­len­borg steigerte sich in eine Unsi­cher­heit, die dazu führte, dass der Mann am Ende jeglichen Überblick verlor und den Eindruck erweckte, er bete regel­recht darum, die Zeit möge schneller vergehen. Doch gerade hinten heraus pas­sier­ten Wil­len­borg haar­sträu­bende Dinge. Mehrfach ließ der Unpar­tei­ische das Spiel wei­ter­lau­fen als verletzte Spieler am Boden lagen. Nach einem Duell zwischen Markus Feulner und einem Ver­tei­diger an der Außen­linie blieb der Jenaer liegen, Wil­len­borg pfiff nicht ab (obwohl er dies nach Regel 5 hätte tun müssen), kümmerte sich aber um den Spieler, während das Spiel wei­ter­lief. Ein 05er schoss den Ball schließ­lich ins Aus - der Schiri, der dies alles verpasste, setzte die Partie fort mit Freistoß für Jena.

Die dra­mati­schen Schluss­sekun­den: Dar­ling­ton Omodiagbe lag im eigenen Strafraum und schwebte, wie sich später her­aus­stellte, in Lebens­gefahr, weil der Ver­tei­diger seine Zunge ver­schluckt hatte. Wil­len­borg ließ laufen, Tim Hoogland wäre im Strafraum fast über Omodiagbe gestol­pert, Isaac Boakye hatte die Chance zum Sieg­tref­fer, schoss aber knapp am Tor vorbei - ebenso am Kopf Omo­diag­bes.

Diese Partie war sein viertes Zweit­liga­spiel. Sein Pro­fide­büt feierte der Osna­brü­cker im Hinspiel in Jena: Den 2:1-Sieg­tref­fer der 05er erzielte Daniel Gunkel mit einem direkten Freistoß - Wil­len­borg hatte indi­rek­ten Freistoß gepfiffen, entschied jedoch trotzdem auf Tor. Am 26. September 2007 pfiff der 29-Jährige beim 3:0 von TuS Koblenz gegen Fürth. Im "Kicker" stand: "Keine Linie... In der Zwei­kampf­bewer­tung oft falsch... Rote Karte für Fel­gen­hauer viel zu hart."

Am 23. November leitete Wil­len­borg die Partie Mön­chen­glad­bach - Kickers Offenbach (3:0). Im Fach­maga­zin stand: "Man möchte nicht erleben, was passiert, wenn er einmal eine brisante und nicht so einfache Partie wie diese pfeifen muss. Kata­stro­phale Zwei­kampf­bewer­tung." Nun die Jena-Partie am Bruchweg, in der Wil­len­borg so viel falsch bewertete. Mitten in die aufgrund diverser Fehl­ent­schei­dun­gen bei etlichen Toren in der Bun­des­liga öffent­lich geführten Schieds­rich­ter-Kon­tro­verse gibt Wil­len­borg jetzt Anlass zu einer ganz neuen Variante der Dis­kus­sion. Denn bislang ging's in den Beschwer­den nur um Schiris, die eine Fehl­ent­schei­dung trafen oder einen schlech­ten Tag hatten.

Kicker, denen die Klasse fehlt, um Pro­fifuß­ball zu spielen, finden sich über kurz oder lang in der ent­spre­chen­den Ama­teur­liga wieder. Die Frage ist: Wie viele Gele­gen­hei­ten erhält Frank Wil­len­borg überhaupt noch, sich im Pro­fibe­reich zu eta­blie­ren? Nach vier Einsätzen mit immer denselben Vorwürfen scheint es so, als habe der Mann die falsche Sportart gewählt. Das mag hart klingen, aber die Zunft der Unpar­tei­ischen sollte geeig­netere Leute in ihren Reihen haben.