Adrenalin in großen Portionen

Mainz - Der 31. Spieltag in der Zweiten Fußball-Bun­des­liga hat die Spannung im Auf­stiegs­ren­nen noch ver­größert. Der FSV Mainz 05 hat sich dennoch in diesem Finale eine nahezu optimale Aus­gangs­posi­tion erar­bei­tet - nicht zuletzt dank des 2:1-Erfolgs gegen den 1. FC Kai­sers­lau­tern.

Jürgen Klopp hat sich am Fernsehen die Sonntags-Konferenz der Zweiten Liga angesehen. Der Trainer des FSV Mainz 05 ver­zich­tete bewusst auf die Option, das direkte Duell seiner beiden hart­näckigs­ten Verfolger zu beob­ach­ten, denn der 40-Jährige möchte sich nach dem 2:1-Sieg seiner 05er nicht vom nächsten eigenen Auftritt ablenken lassen. Am Mittwoch geht's am Bruchweg gegen Alemannia Aachen.

Es habe sich nichts geändert, sagt Klopp nach dem 3:1 des 1. FC Köln über die TSG Hof­fen­heim. "Die Kölner haben es selber in der Hand, genau wie die Hof­fen­hei­mer und wir, die Frei­bur­ger haben gute Mög­lich­kei­ten." Die Ergeb­nisse zeigten, so der Coach, dass es sehr, sehr spannend werde. "Aber auch, wie wichtig unsere Ergeb­nisse waren." Mit drei Siegen in Folge haben sich die 05er auf den zweiten Tabel­len­platz (55 Punkte) geschoben - hinter Borussia Mön­chen­glad­bach, das nach dem 7:1 in Offenbach (60 Punkte) fast sicher durch sein dürfte. Hinter den 05ern kommen die Kölner mit 54 Zählern vor Hof­fen­heim (53) und Freiburg (52). "Wir sind da", sagt Klopp", wir sind voll im Rennen. Wir müssen nun den Kopf aus­rich­ten auf das Mittwoch-Spiel, dann geht es weiter."

Optimale Aus­gangs­posi­tion

Natürlich haben die 05er eine fast optimale Aus­gangs­posi­tion in diesem dra­mati­schen Auf­stiegs­finale. Zum einen wegen der Kon­stel­lation mit den zwei Heim­spie­len, jetzt gegen Aachen und zum Abschluss gegen den FC St. Pauli, bei nur einem Aus­wärtss­piel (Pfingst­sonn­tag in Köln). Und auch, weil die 05er trotz aller Ver­let­zungs­sor­gen und Sperren in der ent­schei­den­den Phase der Saison zeigen, dass sie die gefor­der­ten Ergeb­nisse liefern können. 55 Punkte - das ist jetzt schon ein Zähler mehr als im Auf­stiegs­jahr 2004.

Parallel zu den 05ern empfangen die Hof­fen­hei­mer am Mittwoch die gegen den Abstieg kämp­fen­den Koblenzer, Köln muss nach Augsburg, der SC Freiburg erwartet den OFC. Mög­licher­weise kommt dann dem vor­letz­ten Spieltag am Ende dieser eng­lischen Woche eine vor­ent­schei­dende Bedeutung zu. Dann nämlich, wenn die 05er beim 1. FC Köln auflaufen, reisen die Hof­fen­hei­mer nach Offenbach, die wieder heftigst ein­gegrif­fen haben in den Abstiegs­kampf, und die sich nun im Fernduell mit Kai­sers­lau­tern ums Drin­blei­ben schlagen. Die Frei­bur­ger müssen am Sonntag nach Gladbach.

In Mainz sollten sich die 05-Anhänger jedoch darauf ein­rich­ten, dass die Ent­schei­dung wirklich erst am letzten Spieltag am Bruchweg gegen St. Pauli fällt. Hof­fen­heim empfängt dann Fürth, Köln muss nach Lautern, Freiburg trifft zu Hause auf Wehen. Klopps Ziel heißt, alle rest­lichen Spiele zu gewinnen. "Dann sind wir auf­gestie­gen. Das ist ein Fakt", sagt der 40-Jährige. "Wir müssen jetzt die letzten ent­schei­den­den Schritte tun, Aachen ist der erste davon", so der 05-Trainer. "Dafür müssen wir viel tun. Dafür brauchen wir die maximale Unter­stüt­zung."

"Grobe Fehler"

Der 05-Trainer zeigt sich ver­wun­dert darüber, wie kritisch das Spiel seiner Mann­schaft im Derby in Teilen der öffent­lichen Meinung beurteilt worden war. "Wir haben gewonnen, ein unglaub­lich wichtiges und schweres Spiel gewonnen, alles andere zählt nicht." Gewonnen, obwohl die Mann­schaft aufgrund der prekären per­sonel­len Situation auf wichtigen Posi­tio­nen umge­krem­pelt war, die gewohnten Abläufe nicht stimmen konnten. Wie lange ist es her, dass Marco Rose zum letzten Mal als Innen­ver­tei­diger auflief? Oder Chadli Amri diese Rolle im zentralen Mit­tel­feld über­neh­men musste? Nicht zu vergessen, dass sich Christian Demirtas als Links­ver­tei­diger so ent­wickelt hat, dass dessen Rolle längst das Stadium des Pro­viso­riums über­wun­den hat.

"Wir haben uns grobe Fehler beim 1:1 geleistet und uns sehr schlecht verhalten. Das Tor wäre einfach zu ver­hin­dern gewesen", sagt Klopp. "Auch in der Phase um den Ausgleich herum waren wir nicht gut. Doch der Rest war in Ordnung. Die Jungs haben wirklich gebissen, einen lei­den­schaft­lichen Kampf abge­lie­fert." Das Wich­tigste aber: "In diesem Kampf­spiel derart die Ruhe bewahren, immer weiter die Chance suchen und dann, nach einer kurzen Dis­kus­sion, schießt derjenige das Ding rein, der sich am sichers­ten ist. Daraus kann man eine ganze Menge Dinge für dieses Finale ziehen."

Nun kommt mit Alemannia Aachen ein Gegner, der völlig entspannt am Bruchweg auf­spie­len kann. "Wir werden sehen, zu was das führt", sagt Klopp, "aber das wird alles andere als eine einfache Geschichte." Jede Mann­schaft, die in dieser Saison nach Mainz gekommen sei, habe durch die klare Ver­tei­lung der Favo­riten­rolle Mög­lich­kei­ten gesehen und gefunden, den 05ern das Leben schwer zu machen. Viele rafften sich gerade in Mainz zu ihrer besten Leistung auf. "Damit ist unsere Mann­schaft sen­satio­nell umge­gan­gen."

An einem Phänomen, das Jürgen Klopp genüss­lich beschreibt, hat der 05-Trainer selbst ganz großen Anteil. "Das Adrenalin kriegt man in Mainz um diese Zeit wirklich jedes Jahr. Und das ist eine großar­tige Leistung."

Jörg Schneider