Vertauschte Rollen
Klein gegen Groß? In der 2. Liga spielt Mainz gegen Lautern
VON JAN CHRISTIAN MÜLLER

Auf der Mannschaftssitzung vorm Derby heute Abend (18 Uhr) gegen den 1. FC Kaiserslautern hat der Mainzer Trainer Jürgen Klopp sich ziemlich deutlich ausgedrückt: "Trikot an und dann wird alles umgerannt, was sich uns da in den Weg stellt." Klingt kriegerisch, ist aber gar nicht so gemeint. Klopp ist sehr daran gelegen, in der wegen der landsmannschaftlichen Rivalität und der Tabellensituation emotional ohnehin aufgeheizten Atmosphäre Besonnenheit auszustrahlen: "Ich würde mich sehr freuen, wenn es einfach ein großes Fußballspiel würde."

Zum vierten Mal kreuzen die Pfälzer zu einem Punktspiel am Bruchweg auf, zum ersten Mal kommen sie dabei als krasser Außenseiter, der satte 20 Punkte weniger auf dem Konto hat als die Gastgeber. Das macht die Situation am Abgrund zur dritten Liga zu einer besonders sensiblen Angelegenheit.

"Wir haben einiges aufgeholt", sagt 05-Präsident Harald Strutz nicht ohne Stolz und beweist geografische Intimkenntnisse: "Die Sympathiegrenze von Mainz 05 endete früher in Nieder-Olm, mittlerweile reicht sie bis Alzey." Mitten ins FCK-Revier also, was selbstverständlich nichts daran ändert, dass die Lauterer bundesweit noch immer mehr wahrgenommen werden als die Mainzer, erst recht jetzt, da sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Strutz mag sich nicht negativ zu den Entwicklungen der vergangenen Jahre in Kaiserslautern äußern, man muss schon zwischen den Zeilen lesen, wenn er formuliert: "Wir brauchen uns vor dem 1. FC Kaiserslautern nicht zu verstecken, wir haben unsere Erfolge durch ehrliche, harte Arbeit im Rahmen der wirtschaftlichen Solidität erreicht." Unausgesprochen bleibt, dass der FCK seinen Misserfolg unehrlicher Arbeit außerhalb des Rahmens wirtschaftlicher Solidität zu verdanken hat. Nur so konnten sich die Wege so oft kreuzen.

Eine besondere Rivalität zum Traditionsklub aus der Pfalz habe er dennoch "selten empfunden", sagt Klopp, denn: "Die meiste Zeit meines Daseins wurden wir nicht beachtet, und das ja auch völlig zu Recht. Selbst als wir gemeinsam zweitklassig waren, war die Hierarchie klar." 1996/97 spielte Klopp noch selber mit, die Spiele endeten jeweils Unentschieden, ehe der FCK aufstieg und auf den Tag genau vor zehn Jahren durch ein 4:0 über Wolfsburg sensationell Meister wurde, um dann in Verkennung der provinziellen Realität zur europäischen Macht zu streben und jäh abzustürzen. Kommt jetzt also der "kleine FCK" zum "großen Mainz 05"? "Sehr witzig", knurrt Klopp und bittet um nüchterne Berichterstattung.

Zwar ist die Hooligan-Szene in Lautern nach Ansicht der szenekundigen Polizei "so gut wie tot", aber die Beamten werden dennoch besonders aufmerksam darauf achten, dass sich die 2000 Lauterer Fans mit den 18 000 Mainzer Anhängern nicht ins Gehege kommen. "Wir wollen, dass Lautern drin bleibt", rechnet Klopp sehr sensibel vor, "selbst wenn sie bei uns verlieren, kann es für sie noch reichen."