05-Trainer Klopp erwartet offensive Sachsen

Ball­kon­trolle soll Überfall stoppen


Von
Reinhard Rehberg


Mainz - FC Erz­gebirge Aue. Das klingt seit Jahren nach extremen Wit­terungs­bedin­gun­gen, nach wilder Atmo­sphäre, nach lei­den­schaft­lichem Kampf­getüm­mel, nach Hektik, nach Rennerei, nach Blut­grät­sche. Wer dort bestehen will in der Zweiten Fußball-Bun­des­liga, der muss sich über­win­den können. Diese Aufgabe stellt sich dem auf­stieg­sam­bitio­nier­ten FSV Mainz 05 am Frei­tag­abend im Erz­gebirgs­sta­dion.

Das hoch­las­sige Spit­zen­spiel zwischen den 05ern und der TSG Hof­fen­heim war geprägt von vielen harten, aber fairen Zwei­kämp­fen. Hier ist Tim Hoogland (Mitte) zur Stelle, stört den Hof­fen­hei­mer Demba Ba bei der Ball­annahme. So viel Lei­den­schaft ist auch am Freitag gefragt, wenn die Mainzer in Aue antreten.

Magere 23 Punkte hat der Tabel­len­dritt­letzte FC Aue bislang auf dem Konto. Fette 20 Zähler davon stammen aus den bislang 12 Heim­spie­len. Das zeigt: Im Erz­gebirgs­sta­dion spielen die "Schacht­scheißer" (Titel des Fan-Magazins) eher selten wie ein Abstiegs­kan­didat. Das ver­deut­licht auch das Tor­ver­hält­nis von 24:11.

"Wenn es eine Mann­schaft gibt, bei der ich mich wundere, dass die so tief unten drin hängt", erklärte Jürgen Klopp gestern, "dann ist das der FC Aue." Womit der Trainer des FSV Mainz 05 ver­deut­lichen wollte, dass sein Team da am Frei­tag­abend (18 Uhr) vor einer knüp­pel­har­ten, aber auch reiz­vol­len Aufgabe steht im Sach­sen­land.

Dazu kommt die aktuelle Situation in Aue. Fünf Punkte Rückstand auf einen Nich­tab­stiegs­platz, dem ver­zwei­felt stram­peln­den Klub steht das Wasser neun Spieltage vor Sai­son­ende Unter­kante Oberlippe. Und beim 2:2 im Heimspiel am Oster­sonn­tag gegen den Spit­zenklub SC Freiburg fühlten sich die Auer von Schieds­rich­ter Felix Zwayer benach­tei­ligt, ungerecht behandelt, man könnte auch sagen: betrogen. Bei einem ein­deu­tigen Foul im Strafraum hatte Zwayer Aue-Stürmer Sanibal Orahovac die Gelbe (Schwalben)-Karte unter die Nase gehalten. Da stand es 2:1 für den FC. Drei Minuten vor dem Abpfiff glichen die Frei­bur­ger mit ihrem zweiten Stan­dard­tor noch zum aus­gespro­chen glück­lichen 2:2 aus.

Seitz heizte den Emo­tio­nen­kes­sel auf

Roland Seitz heizte danach den Emo­tio­nen­kes­sel auf. "Wenn die DFL uns in dieser Liga nicht haben will, dann soll man uns das sagen...", schnaubte der Aue-Trainer vor den Kameras. In dieser auf­gepeitsch­ten Atmo­sphäre also treten die 05er am Freitag an im Erz­gebirgs­sta­dion.

"Alles, was da zuletzt passiert ist", sagt Klopp, "werden die natürlich jetzt ins nächste Spiel packen." Von daher rechnet der 05-Coach damit, dass sich die Auer Spieler auf den Auf­stiegs­kan­dida­ten aus Mainz stürzen werden wie hungrige Wölfe. Klopp: "Da wird es rund gehen, die werden Gas geben ohne Ende."

Und da sich die Auer im Abstiegs­kampf schon in einer Endspiel-, in einer Letzte-Chance-Situation wähnen, dürften die Gastgeber auch - wie schon gegen den SC Freiburg - mächtig offensiv aus­gerich­tet antreten: nach vorn rennende Außen­ver­tei­diger, nur ein Defen­siv­mann im Mit­tel­feld und ansonsten nur gelernte Stürmer, vorne zwei fuß­bal­lerisch starke Spitzen.

Klopp: "Wir stehen vor einem sehr komplexen Fuß­ball­spiel"

"Sechs Stunden Busfahrt, und dann ein lebloser Vortrag", sagt Klopp. "Das ist es nicht, was wir uns vor­stel­len. Wir stehen vor einem sehr komplexen Fuß­ball­spiel, und damit haben wir uns aus­ein­ander­zuset­zen." Die 05er wollen versuchen, Vorteile zu ziehen aus der unan­geneh­men Druck­situa­tion des Gegners. Klopp wird seine Mann­schaft, die gegen den Ball zuletzt lei­den­schaft­lich und sehr gut orga­nisiert gear­bei­tet hat, darauf vor­berei­ten, dass die wild anstür­men­den Auer genügend bespiel­bare Räume anbieten werden. Und dann wird es darum gehen, was die Mainzer daraus machen.

Klopp schwebt vor, dass seine Mann­schaft, die spie­lerisch zwei­fel­los das größere Potenzial hat, immer wieder Phasen einstreut mit langen Ball­besitz­zei­ten. Das zwinge den Gegner, noch weitere Wege zu gehen. Und das ersticke auch immer wieder das Offen­siv­feuer der Auer.

Natürlich bestehe bei diesem Konzept die Gefahr, so Klopp, "dass man sich einen Wolf spielt". Womit der 05-Coach andeuten will: Die 05er neigen schon mal dazu, sich an Spiel­kon­trolle und Mit­tel­feld-Über­legen­heit zu ergötzen, was dann oft dazu führt, dass die breit ange­leg­ten Umschal­tak­tio­nen oft irgend­wann und irgendwo mit einem Fehlpass enden. Statt immer wieder ziel­gerich­tet und kon­sequent den geg­neri­schen Strafraum anzu­steu­ern, oder zumindest in den tor­gefähr­lichen Räumen mit Dribb­lings oder Tem­poak­tio­nen Freistöße zu erzwingen.

Mehr Wucht von der Bank

Das wird in Aue die Aufgabe von Markus Feulner sein und von den beiden Stürmern. Gegen die TSG Hof­fen­heim haben Felix Borja und Srdjan Baljak schwer geschuf­tet. Das war in Ordnung. In Aue wird es darum gehen, dieses defensive Niveau zu halten, mit dem gleichen Eifer aber auch Abschluss­mög­lich­kei­ten zu erar­bei­ten. Borja ist der Straf­raum­typ. Baljak kann mit seiner Schnel­lig­keit und seinen unbe­rechen­baren Haken Vorteile machen.

Und wenn einer müde ist, dann muss von der Bank mehr Wucht kommen als gegen die TSG Hof­fen­heim. Da verlor Isaac Boakye vorne zu viele Bälle, Damir Vrancic fand keinen Einstieg. Da war Ranisav Jovanovic eindeutig der effek­tivste Ein­wech­sel­spie­ler, einer, der sofort heiß lief mit zwei starken Aktionen. Mag sein, dass der Kampf in Aue erst in der Schluss­vier­tel­stunde ent­schie­den wird.