Interview mit 05-Präsident Harald Strutz

"Aufstand gegen den Mammon"

Mainz - So ist das im Sport: Wer das Halb­finale verliert, muss ansch­ließend um Platz drei spielen. Oder darf - wie der FSV Mainz 05 nach der Nie­der­lage beim 1.FC Köln. Die Voraus­set­zung, um als drittes Team hinter Borussia Mön­chen­glad­bach und den Kölner in die Erste Liga auf­zustei­gen, ist klar: Die Mainzer müssen St. Pauli schlagen, und die TSG Hof­fen­heim darf gegen die SpVgg Greuther Fürth nicht gewinnen. 05-Präsident Harald Strutz sagt im MRZ-Gespräch, warum er daran glaubt.


"Die Hoffnung erwächst aus den Paarungen des letzten Spiel­tages", sagt Harald Strutz. Der 05-Präsident glaubt daran, dass die SpVgg Greuther Fürth in Hof­fen­heim punktet - und natürlich, dass die Mainzer am Bruchweg den FC St.Pauli schlagen.

# Hallo, Herr Strutz, wie ist die Stimmung einen Tag nach dem Köln-Spiel?

Also, die Stimmung war schon gestern nicht so, dass ich, wie zu lesen war, Tränen in den Augen gehabt hätte. Ich war natürlich fürch­ter­lich ent­täuscht, aber zum Heulen gab es keinen Grund. Ich weiß nicht, wer bei mir Tränen gesehen haben will. Viel­leicht hat mir ein Kölner Spieler paar Tropfen Bier ins Gesicht gespritzt. Viel­leicht hat mich auch jemand mit meinem Kollegen Wolfgang Overath ver­wech­selt... (lacht)

# Das klingt, als ginge es Ihnen ganz gut.

Zum einen muss man in der Lage sein, die Dinge zu trennen, zum anderen haben wir in der Tat keinen Grund zur Depres­sion. Der heutige Kommentar Ihres Kollegen Rehberg hat den Nagel auf den Kopf getroffen: Dafür, dass wir ein neues Team zusam­men­gestellt haben und sehr viel Ver­let­zungspech hatten, haben wir eine gute Saison gespielt. Auch wenn die ein oder andere Ent­täu­schung dabei war, und auch, falls wir es am Ende doch nicht schaffen sollten, auf­zustei­gen.

# Zu den Ent­täu­schun­gen gehört, dass die Mann­schaft mit der Heim­nie­der­lage gegen Alemannia Aachen eine nahezu optimale Aus­gangs­situa­tion verspielt hat?

Ich halte nichts davon, über liegen gelassene Punkte zu jammern. Das ist ja nicht nur uns so gegangen, das war bei anderen auch der Fall. Nennen Sie mir eine Mann­schaft, die in der Situation, ihr Schicksal selbst in der Hand zu haben, nicht geschwächelt hätte. Gut, zuletzt waren es Gladbach und Köln, aber auch die hatten im Laufe der Saison immer wieder Phasen, in denen es holprig lief. Was ist mit dem SC Freiburg? Hätte der vor einer Woche nicht daheim gegen Offenbach verloren, läge er jetzt schon vor uns. Dann hätten wir diese Irr­sinns­situa­tion gar nicht, die sich am letzten Spieltag darstellt. Oder die Hof­fen­hei­mer: Mit einem Sieg in Offenbach, den alle erwartet haben, wären sie jetzt schon auf­gestie­gen. Wir haben das große Pech, dass unsere Mann­schaft in der ent­schei­den­den Phase nicht im Topform ist. Und dass die Aachener gegen uns mit einem Torschuss gewonnen haben. Das kann immer mal passieren. Aber letztlich reden wir eigent­lich über ein Spiel, das den Unter­schied macht, nämlich das Spiel, das wir in Köln verloren haben.

# Viele Fans beur­tei­len die Leistung der Mann­schaft kri­tischer als Sie.

Richtig ist, dass die große kämp­feri­sche Lei­den­schaft, die wir in der Ver­gan­gen­heit immer beob­ach­ten konnten, in dieser Saison nicht in gewohntem Maße zu sehen ist. Aber die Qualität der Mann­schaft hat sich verlagert, wir spielen in dieser Saison einen anderen Fußball. Ich gebe zu, dass ich zunächst auch andere Maßstäbe angelegt habe, aber ich habe mich davon über­zeu­gen lassen, dass wir jetzt mit anderen Typen und anderen Qua­litäten aus­gestat­tet sind. Und ich sage es noch einmal: Wir spielen eine gute Saison. Und wir haben in Mainz zu viel Fußball-Geschichte geschrie­ben, um das Thema Aufstieg schon abzu­sch­ließen.

# Wie viel Glaube spielt da mit, wie viel Hoffnung?

Der Glaube nährt sich aus der Hoffnung, und die Hoffnung erwächst aus den Paarungen des letzten Spiel­tages.

# Sie glauben, dass die TSG Hof­fen­heim zu Hause gegen Greuther Fürth patzt?

Zunächst einmal bin ich davon überzeugt, dass wir unser Heimspiel gegen St. Pauli gewinnen...

# ...das ist die Mini­mal­bedin­gung...

...eben. Die Situation, in der wir uns jetzt befinden, wollten wir uns nicht vor­stel­len, weil wir von anderen abhängig sind. Jetzt gilt es, daraus das Beste zu machen. Dass aus­gerech­net Greuther Fürth in Hof­fen­heim für uns punkten muss, ist eine ori­ginelle Kon­stel­lation. "Unser" Greuther Fürth, seit Jahren der Verein, bei dem alle unsere Fans auf­stöh­nen, weil es da für uns nie etwas zu holen gab - und jetzt haben es die Fürther in der Hand, bei uns für ein Glücks­gefühl von aus­gespro­che­ner Ein­zig­artig­keit zu sorgen.

# Was macht Sie zuver­sicht­lich, dass die Fürther diesem Wunsch nach­kom­men?

Ich schätze die Fürther mit ihrem Trainer Bruno Labbadia als Mann­schaft ein, die bis zum Schluss alles gibt, auch wenn es für sie selbst eigent­lich um nichts mehr geht. Ähnlich wie Alemannia Aachen; beide Vereine sind von den Struk­turen her mit uns ver­gleich­bar. Greuther Fürth kämpft selbst seit Jahren um den Aufstieg und ist oft genug knapp daran geschei­tert; dieser Verein kann nach­emp­fin­den, in welcher Situation wir uns befinden. Und die Fürther können sich selbst positive Schlag­zei­len bescheren.

# Indem sie den Aufstieg der TSG Hof­fen­heim ver­hin­dern?

Indem sie sich noch einmal 90 Minuten voll rein­hän­gen und zeigen, dass nicht nur Geld über den Aufstieg ent­schei­det. In den zurück­lie­gen­den Monaten wurde viel über die TSG Hof­fen­heim dis­kutiert, aus allen Rich­tun­gen, und ich bin sicher, Fußball-Deutsch­land schaut gespannt auf dieses Spiel. Meine feste Über­zeu­gung ist, dass sich die Fürther in Hof­fen­heim ganz anders verkaufen werden als vor fünf Jahren Reut­lin­gen in Frankfurt. Es ist der Aufstand der Kleinen gegen den Mammon.

# Nach dem Spiel in Köln wurde darüber geredet, Manager Christian Heidel wolle Jürgen Klopp auch im Falle des Nichtauf­stiegs zum Wei­ter­machen in Mainz überreden...

Alles, was außerhalb des letzten Spiel­tages liegt, ist im Moment für mich kein Thema. Wenn es denn wirklich nötig werden sollte, können wir darüber am dem 18. Mai nach­den­ken.