Bodenhaftung trotz Rekordserie
»Wir müssen im Kopf gesund bleiben«
Marc Basten, Niklas Kirchhofer und Jan van Leeuwen

Borussia Mönchengladbach reitet weiter auf der Erfolgswelle. Mit dem 1:0 gegen den SC Freiburg schaffte die Fohlenelf nicht nur den fünften Sieg hintereinander in der Liga, sie stellte auch noch einen neuen Vereinsrekord auf. Sieben Heimsiege nacheinander – so gut ist Borussia noch nie in eine Bundesligasaison gestartet.

»Im Fußball sind es oft die Kleinigkeiten, die entscheiden«, sagte Lucien Favre im Anschluss an die offizielle Pressekonferenz zu den Journalisten, die sich um ihn gescharrt hatten. »Jeder hat gesehen, wie eng es gegen Nürnberg war. In Stuttgart hätte der VfB in Führung gehen können, als Werner alleine aufs Tor lief. Und heute wäre es ein total anderes Spiel gewesen, wenn Freis den Ball richtig trifft«.

Fünf Meter weiter stand Freiburgs Trainer Christian Streich und haderte mit dem Schiedsrichter. »Die Verhältnismäßigkeit wurde nicht gewahrt. Die Attacke von Stranzl gegen Kerk war ein Elfmeter«, echauffierte sich der impulsive Freiburger Coach. »Und der Freistoß vor dem Tor der Gladbacher war keiner«.

Verständlich, dass sich die aufopferungsvoll kämpfenden Freiburger an diesen strittigen Szenen hochzogen. Und dass sie gleichzeitig übersahen, dass das Schiedsrichtergespann die Gladbacher bei Abseitsentscheidungen im ersten Durchgang mindestens zweimal erheblich benachteiligte. In einer Szene lief Arango alleine auf Freiburgs Keeper Baumann zu und wurde zu Unrecht zurückgepfiffen.

Diese Diskussionen unterstreichen letztlich die These von Lucien Favre, dass es auch diesmal nur Nuancen waren, die das Spiel in Richtung der Borussia kippen ließen. Wobei der Sieg unter dem Strich ohne Zweifel verdient war. »Gladbach macht das hervorragend und spielt klasse Fußball«, so Christian Streich.

Der SC stellte die erwartet harte Nuss dar, die es zu knacken galt. »Es war extrem schwer, fast wie geplant«, sah Lucien Favre seine Vorahnungen bestätigt. »Freiburg spielt sehr intelligent und es ist extrem kompliziert, diese Mannschaft zu bespielen«.

Sein Team versuchte es in der ersten Halbzeit über Ballsicherheit und viele Stationen. »Wir mussten die Lücken suchen und das haben wir getan«, sagte Granit Xhaka. Er und seine Kollegen verzeichneten im ersten Durchgang über 70% Ballbesitz. »Doch so dominant, wie noch in Stuttgart, haben wir nicht gespielt«, hatte Oscar Wendt festgestellt.

Dennoch machten es die Borussen vor der Pause keinesfalls schlecht, im Gegenteil. Einige Ballstafetten liefen durchaus in Sachen Tempo und Sicherheit im Stile einer echten Spitzenmannschaft. Was fehlte, war der Abschluss. So verpasste Patrick Herrmann, unverschuldet, die Krönung einer wunderbaren Ballzirkulation, als Freiburgs Keeper seinen tollen Schuss an die Latte lenkte. »Da hält Baumann überragend«, meinte Herrmann anerkennend.

Das frühe Führungstor blieb somit aus. »Das hätte es einfacher gemacht«, sagte Martin Stranzl. Nach der Pause stockte das Spiel der Fohlenelf zusehends und schließlich bekam Freiburg die eingangs erwähnte Chance von Sebastian Freis. »Gerade in der Phase, als es den Eindruck machte, dass es für Gladbach schwer wurde und sie gegen uns verzweifeln, fällt das Tor«, ärgerte sich Christian Streich aus seiner Sicht zurecht.

Denn die Borussia war keinesfalls darauf gepolt, aufgrund des torlosen Remis nun mehr ins Risiko zu gehen. »Wir sollten geduldig bleiben und nicht die Nerven verlieren«, beschrieb Favre die Vorgabe für die zweite Halbzeit. »Eventuell muss man auch ein 0:0 akzeptieren, man kann schließlich nicht jedes Spiel gewinnen«.

Doch seine Mannschaft fand exakt in dem Spielabschnitt den Türöffner, als die Partie zu kippen drohte. Ein schnell ausgeführter Freistoß von Herrmann, sein anschließendes tolles Zuspiel auf Wendt und dessen überlegter Querpass auf Raffael bedeuteten den Führungs- und Siegtreffer. »Der Pass von Herrmann war gut, der Lauf von Wendt noch besser«, lobte Favre.

Wieder war Linksverteidiger Oscar Wendt an einem Tor nachhaltig beteiligt. »Ich will nach vorne, wenn Platz da ist. Heute hat es zum Glück wieder geklappt«, freute sich der Schwede.

In der Folgezeit wurde die Partie »irgendwie zäh«, wie Martin Stranzl es umschrieb. »Wir sind bei Kontern nicht geschlossen nachgerückt«.

Gleichzeitig ließ man die Freiburger allerdings auch zu keiner echten Torchance mehr kommen, selbst wenn es hier und da knapp war. So auch in der von Christian Streich angesprochen Szene, als Stranzl im Strafraum zunächst den Ball spielte, dann aber auch den Freiburger Gegenspieler abgrätschte. Es hat schon Schiedsrichter gegeben, die ähnliche Situationen als elfmeterreif ausgelegt haben. Doch letztlich war es eine Kann-, jedoch keinesfalls eine Muss-Entscheidung.

»Es war ein Spiel auf Augenhöhe«, resümierte Max Kruse, der gegen seinen Ex-Verein ohne Torerfolg blieb. »Wir hatten heute auch das Quäntchen Glück auf unserer Seite. Aber momentan sind wir so routiniert, dass wir es runterspielen. Sieben Heimsiege in Folge, das ist kein Zufall«, so Kruse weiter. »Und dass wir jetzt fünf Spiele in der Liga hintereinander gewonnen haben, spricht schon von einer gewissen Qualität«.

Zu Träumereien scheint sich allerdings niemand hinreißen lassen. »Wir wissen, dass es noch ein langer Weg ist«, sagte Max Kruse und Oscar Wendt ergänzte: »Die Partie heute war erneut der Beweis, dass wir voller Selbstvertrauen sind. Aber wichtig ist nur das nächste Spiel, auch wenn es sich langweilig anhört«.

»Wir müssen im Kopf gesund bleiben«, hob Lucien Favre hervor. Die Gefahr, dass jemand abhebt, scheint trotz der Rekordserie eher gering. Vielleicht ist diese Nüchternheit der Gladbacher der wahre Grund für den anhaltenden Höhenflug …

torfabrik.de


Die Stimmen außerhalb meines Kopfes irritieren mich am meisten!