Abschied nach fünf bewegenden Jahren
Der König dankt ab

Juan Arango verlässt Borussia Mönchengladbach. Diese Nachricht kam nicht überraschend, dennoch ist sie bemerkenswert. Denn Borussia Mönchengladbach verliert einen ganz Großen. Der König dankt ab.

Der Borussia-Park feiert in diesem Sommer sein 10-jähriges Jubiläum. In dieser Dekade trugen viele Spieler das Trikot mit der Raute. Manche waren schneller wieder weg, als sie gekommen waren, andere wiederum hinterließen Eindruck.

Juan Arango, der Mönchengladbach nach fünf Jahren verlässt, hat sogar mächtig Eindruck hinterlassen. Als er im August 2009 in Bochum sein erstes Bundesligaspiel absolvierte, war das ein echter Quantensprung in Sachen Spielkultur.

Seine Kollegen hießen damals u.a. Jaures, Levels, Matmour oder Colautti. Arango und seine Qualitäten ragten derart heraus, dass das Urteil schnell gefällt war. Einen besseren Fußballer hatte der Borussia-Park bis dato nicht gesehen.

Borussia konnte sich diesen Künstler nicht leisten

Damals in Bochum, diesem verrückten 3:3 nach einer 3:0-Pausenführung, gab auch ein blasser Jüngling namens Marco Reus in den letzten zwanzig Minuten sein Bundesligadebüt. Jener Reus, der es rückblickend als Einziger mit der Begabung eines Juan Arango aufnehmen kann. Auch wenn es zwei völlig unterschiedliche Spielertypen sind.

Dass Arango fußballerisch ein Glücksgriff war, zeigte sich schnell. Als Typ erfüllte der introvertierte Venezolaner nicht die Hoffnungen, die man in Gladbach mit ihm verband. Arango zeigte keinerlei Ambitionen zum Führungsspieler. Er machte seinen Job und sonst nichts. Den Spitznamen ›Chiller‹ erhielt er nicht von ungefähr.

So kam es, dass Arango zwar individuell seine Klasse immer wieder zeigte, durch sein divenhaftes Abwehrverhalten jedoch für Probleme sorgte. Insbesondere, weil die Qualität der Mannschaft nicht so war, dass man sich einen Künstler wie Arango leisten konnte, der nach Ballverlusten einfach stehen blieb.

Als Favre kam, blühte Arango auf

In der großen Krise im Herbst/Winter 2010 zog der damalige Trainer Michael Frontzeck die Notbremse und verzichtete zum Rückrundenstart auf Arango. Das Thema Arango und Gladbach schien sich zu erledigen. Der bevorstehende Abstieg hier, der unwillige Spieler dort.

Dann kam Lucien Favre. Natürlich erkannte der Schweizer, was er da für einen genialen Fußballer im Kader hatte. Gleichzeitig war klar, dass ein erfolgreicher Abstiegskampf nur über die Defensive führen konnte. Favre setzte auf Arango und der war fortan nicht wiederzuerkennen.

In der Einzelkritik zum ersten Spiel unter Favre gegen Schalke hieß es: »Die Defensivarbeit, bekanntlich Arangos Achillesferse, erledigte er so gut wie noch nie in seiner Zeit bei Borussia ... ein Kompliment für diesen Auftritt, auch wenn es befremdlich wirkt, dass er sich nicht früher so engagiert hat. Nun wissen alle, dass er es kann«.

Arango zauberte sich in die Herzen der Fans

Es war kein Strohfeuer, Arango wurde zu einem wichtigen Faktor für den Klassenerhalt. Und er blühte in der folgenden Saison richtig auf. Der Favre-Fußball lag ihm, die gewachsene Qualität im Team mit dem in Richtung Weltklasse durchstartenden Reus brachte Arango die Freude am Fußball zurück.

Als die Mannschaft in der ›Nach-Reus-Saison‹ in ein Loch fiel, war es Arango, der Borussia im Alleingang am Leben hielt. Über Wochen war er der überragende Mann und verzückte mit genialen Toren. In dieser Zeit zauberte er sich endgültig in die Herzen der Fans, er wurde zu ›König Juan‹.

In der nun abgelaufenen Spielzeit konnte Arango, mittlerweile 33 Jahre alt, das hohe Niveau nicht mehr halten. Er war immer noch wichtig, erzielte wunderschöne Tore und spielte geniale Pässe. Aber es gab auch einigen Leerlauf, und nachdem der WM-Traum mit Venezuela geplatzt war, wirkte Arango zusehends unmotivierter.

Der genialste Fußballer im Borussia-Park

Dass die Ära Juan Arango nun zu Ende geht, ist einerseits bedauernswert, andererseits nur folgerichtig. Es ist unverkennbar, dass Arango dem zunehmenden Alter Tribut zollen muss. Ihn dennoch als Backup zu behalten, hätte durchaus Sinn machen können. Und Borussia machte Arango ja auch - spät - ein solches Angebot.

Doch Arango ist nicht der Typ, der sich mit Teileinsätzen zufriedengibt. Sein Selbstverständnis ist ein anderes. Einen Juan Arango gibt es nur ganz oder gar nicht. Von daher ist es für beide Seiten die beste Lösung, dass Arango mit bald 34 Jahren nach 175 Pflichtspielen und 31 Toren »Adiós« sagt.

Dass die Verabschiedung jetzt quasi durch die Hintertür erfolgt, ist schade. Doch Borussia hat bereits verlauten lassen, dies in der neuen Saison gebührend nachzuholen. Das ist auch nötig, denn mit Juan Arango dankt ein König ab. Einer, der seinen festen Platz in den Geschichtsbüchern von Borussia Mönchengladbach sicher hat und der für sich beanspruchen darf, dass er neben Marco Reus der genialste Fußballer ist, der im Borussia-Park zuhause war.

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