"In Liga zwei zunächst überleben!"



Seit 2004 lenkt Ivica Grlic die Geschicke des MSV. Erst als Spieler und Kapitän auf dem Platz, seit 2011 als Sportdirektor hinter den Kulissen. Immer erfolgreich.

Der 39-Jährige ist auch der Baumeister des Aufstiegs in die zweite Liga. Trotz erheblicher Schwierigkeiten hat Grlic ein Team samt Trainern aufgebaut, dass Duisburg den großen Traum, die

RS sprach mit Grlic über die Party, warum er sich trotz des anfänglichen Gegenwinds für Gino Lettieri als Trainer entschieden hat sowie die Perspektive des MSV.

Ivica Grlic, herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg. Wissen Sie noch, wie viele Bierduschen Sie erhalten haben?
Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen. Ich glaube, dass man sich nach der dritten Dusche, die einem kalt den Nacken herunterläuft, daran gewöhnt hat und noch nicht einmal mehr zusammenzuckt.

Was ging in Ihnen vor, als die letzten Sekunden liefen und die Fans schon hinter der Bande standen?
Meine größte Sorge war, dass die Zuschauer nicht die Geduld aufbringen würden, auch wirklich bis zum Abpfiff zu warten und das Spielfeld eher stürmen. Aber die Sorge war Gott sei Dank unbegründet. Unsere Fans denken mit.

Was war Ihr persönliches Highlight am 16. Mai?
Es ist schon wirklich überwältigend, wenn man gemeinsam mit dem gesamten Team auf der Tribüne steht, das mit tobenden Menschen gefüllte Spielfeld überblickt und dann auf einmal realisiert, dass man das Ziel Aufstieg wirklich erreicht hat. Dieser Moment , in dem das vonstatten geht, ist wirklich nicht in Worte zu fassen.

Sie sind bereits zwei Mal als Spieler mit dem MSV aufgestiegen, damals ging es in die erste Liga. Im Vergleich: Welchen Stellenwert hat Ihr erster Aufstieg als Sportdirektor in die zweite Liga?
Grundsätzlich ist jeder Aufstieg etwas Besonderes. Es ist aber doch etwas anderes, ob man seine Leistung auf dem Platz bringen muss oder quasi am Reißbrett dafür verantwortlich ist. Es war mir persönlich sehr wichtig zu beweisen, dass ich sehr wohl in der Lage bin, perspektivisch zu handeln und ein mir gestelltes Ziel analytisch und konsequent zu erreichen. Das, denke ich, zeichnet einen Sportdirektor aus.

Die Hinrunde verlief durchwachsen. Wann haben Sie gemerkt, dass es doch reichen wird?
Fairerweise muss man anmerken, dass alle Teams in der 3. Liga durchaus ihre Probleme hatten, ihre Leistungen konstant zu zeigen. Die Leis-tungsdichte war ja enorm eng und es gab keine Mannschaft, die sich richtig vom Verfolgerpulk absetzen konnte. Mir war immer klar, dass wir uns behaupten können, wenn wir uns nicht kopfscheu machen lassen. Wir haben einfach keine negativen Einflüsse zugelassen, nur auf uns geschaut und stoisch versucht, unsere Leistung von Spiel zu Spiel abzurufen und zu verbessern. Irgendwann ab der Winterpause haben alle unsere Mechanismen gegriffen und wir sind immer besser ins Spiel gekommen – so wie ich es mir auch erhofft habe.

Was gab den Ausschlag für die Kehrtwende?
Das Wort Kehrtwende impliziert, dass wir auf einem falschen Weg gewesen wären. Das war aber nie der Fall. Ich würde also nicht von einer Kehrtwende sprechen; eher von einem Motor, der am Anfang noch nicht auf allen Zylindern gelaufen ist. Ich habe mit Gino Lettieri einen Trainer verpflichtet, von dem ich wusste, dass er sein Ziel wie ein Terrier verfolgt. Ein Mann, der fachlich und menschlich absolut qualifiziert ist. Ich hätte sicherlich einen einfacheren Weg wählen, einen Coach mit klangvollem Namen verpflichten und mich im Falle eines Misserfolges dahinter verstecken können. Aber das wäre nicht mein Weg und auch nicht meine Überzeugung gewesen. Ich wollte einen Trainer, der arbeiten kann und will, der mich taktisch überzeugt und in der Lage ist, ein Optimum aus den Spielern herauszuholen – mental wie auch physisch. Deshalb habe ich auf Gino bestanden. Das Potenzial der Mannschaft stand für mich immer außer Frage. Aber alles braucht Zeit, um sich einzuspielen.

Wie wichtig war die Verpflichtung von Martin Dausch im Winter?
Martin Dausch ist ja schon mal als der Königstransfer dieser Saison bezeichnet worden. Er hat unserer Entwicklung als Mannschaft bestimmt nochmal einen richtigen Booster verpasst. Aber Fußball ist ein Mannschaftssport und jede Mannschaft ist so gut, wie ihr schlechtester Spieler – und unsere Mannschaft ist aufgestiegen (lacht).

Ab wann waren Sie vom Aufstieg überzeugt?
Ich bin wie alle Fußballspieler ein wenig abergläubisch. Wenn ich ehrlich sein soll, erst mit Abpfiff des Kiel-Spiels.

Am Samstag kann der MSV jetzt sogar noch Meister werden. Hätten Sie damit gerechnet?
Daran habe ich während der Saison keinen Gedanken verschwendet. Das ist auch Kosmetik – ich bin da wohl zu sehr pragmatisch veranlagt. Aber die Tatsache, dass wir es werden könnten, stützt meine These, dass der „Aufstiegszug MSV“ immer mehr Fahrt aufgenommen hat, weil die Mechanismen – zwar spät aber planmäßig – angefangen haben zu greifen.#

Wie stehen die Chancen nach der Party-Woche auf Mallorca auf die Meisterschaft?
Wir werden nicht nach Wiesbaden reisen, um da gemeinsam mit den Fans nur eine Aufstiegsparty zu feiern. Wir wollen auch dort etwas mitnehmen. Aber das möchte die Arminia in Großaspach ebenfalls. Ich bin überzeugt, dass unsere Jungs auf der Insel zwar gefeiert, sich aber nicht über Gebühr strapaziert haben. Im übrigen war die Arminia ja ebenfalls dort. Mal schauen, wer das besser überstanden hat (lacht). Ich tippe mal darauf, dass unsere Mannschaft ihr Budget ausgereizt hat und die Bielefelder jeden Abend kräftig eingeladen hat.

Kommen wir zum sensibelsten Thema: Die personellen Planungen für die neue Saison. Bleiben Kevin Wolze, Kingsley Onuegbu oder Michael Gardawski?
Ich habe ein Angebot für Kingsley Onuegbu und Kevin Wolze abgegeben – allerdings habe ich noch keine abschließende Reaktion von beiden. Bei Michael Gardawski haben wir immer gesagt, dass wir nicht nur ein Spiel bewerten, sondern die ganze Saison im Auge behalten müssen. Da ist meine Entscheidungsfindung noch nicht abgeschlossen.

Wie ist der Stand bei den Neuzugängen?
Jeder weiß, dass ich immer dann Personalentscheidungen verkünde, wenn die Tinte unter den Verträgen trocken ist. Ich halte wenig davon, irgendwelche Namen heraus zu posaunen, um Spekulationen anzuheizen.

Auch wenn der Kader noch nicht komplett ist: Wie lautet Ihr Ziel für die neue Zweitliga-Saison?
Wir müssen realistisch bleiben: Auch für einen Traditionsverein wie den MSV ist die zweite Liga nach seiner Quasi-Wiedergeburt jetzt absolutes Neuland. Dort werden wir uns erst behaupten müssen. Wir sind die Neuen, die niemand auf der Rechnung hat. Vergangener Ruhm hilft uns jetzt nicht weiter. Wir müssen in Liga zwei zunächst überleben – das wird schon schwierig genug. Es hilft uns auch nicht, populistische Phrasen zu dreschen und uns größer zu machen, als wir wirklich sind. Aber in jedem Anfang liegt auch eine Chance. Die Chance, aus den Fehlern vergangener Jahre zu lernen, uns zu konsolidieren, geduldig unseren Weg zu gehen und uns sukzessive zu verbessern. Und ich persönlich kann nicht mehr tun, als eine seriöse, planvolle und umsichtige Entwicklung des MSV im sportlichen Bereich voranzutreiben.

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