Ein Teamplayer, der weiß wie es geht



Seit eineinhalb Jahren ist Ingo Wald Vorstandsvorsitzender des MSV Duisburg.

Eineinhalb Jahre, in denen der 57-Jährige das gesamte Stimmungs-Repertoire, das der König Fußball bereithält, durchlebte. Den Lizenzentzug musste Wald, 2013 noch als Vorstandsmitglied, live in Frankfurt miterleben. Ein Tiefschlag, den er aber sofort in seiner gewohnt ruhigen Art verarbeitete. Der Finanzexperte, der als Geschäftsführer bei der Krohne Messtechnik GmbH tätig ist, hielt sich nicht mit Schuldzuweisungen auf, sondern nahm den Kampf an und half mit, den Verein wirtschaftlich und strukturell neu aufzustellen.

Wald brachte den erfolgreichen Schuldenschnitt, die Stadionlösung sowie Fananleihe entscheidend mit auf den Weg. Maßnahmen, die schlussendlich auch die Bausteine waren, die mit zum überlebenswichtigen Wiederaufstieg beigetragen haben.

Sein größter Erfolg ist allerdings die Befriedung des einstigen Chaos-Klubs. Seit Wald das Zepter schwingt, wird zwar immer noch diskutiert, aber nicht mehr in der Öffentlichkeit. Teamarbeit statt Grabenkämpfe. Erst wenn die Lösung eines Problems gefunden ist, wird sie verkündet – und zwar einheitlich. Eine mehr als positive Entwicklung, an die vor Jahren nicht im Traum zu denken war.

Wie Wald unter anderem diese Entwicklung bewertet, wie die Nachverpflichtungen finanziert wurden, oder der aktuelle wirtschaftliche Stand ist, und warum es richtig war, nach dem verkorksten Start in der Trainer-Diskussion die Ruhe zu bewahren, erklärt Wald im großen RS-Interview.

Ingo Wald, wie groß ist die Erleichterung nach dem ersten Sieg?
Von Erleichterung würde ich nicht sprechen, aber die Freude war natürlich riesengroß. Rein faktisch haben wir ja ‚nur‘ Kontakt zu Platz 15 geschaffen, mehr noch nicht. Was für mich aber auch wichtig war: die ruhige und souveräne Art und Weise, in der alle beim MSV, also wir Verantwortlichen, der Trainer und die Mannschaft, aber auch unser Publikum mit seiner sensationellen Unterstützung, mit dieser komplizierten Situation mit neun Spielen ohne Erfolg umgegangen sind. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung, um im Haifischbecken Profifußball mit seinem Druck, der für Mannschaft, Trainer und sportliche Leitung in den nächsten 24 Spielen ja nicht geringer wird, zu bestehen.

Die Stimmung auf den Rängen erinnerte an das Aufstiegsspiel gegen Kiel. Wie haben Sie die Fans wahrgenommen?
Wir haben immer noch viele Bereiche, in denen wir uns verbessern können und müssen, aber die Atmosphäre, die unsere Fans zaubern, gehört mit Sicherheit nicht dazu. Sie sind einmalig und für uns eine feste Bank. Sie haben das richtige Gespür für die Situation und erkennen, dass die Mannschaft alles versucht, um in die Erfolgsspur zu gelangen. Beim Aufstieg zu singen: ‚Werdet zur Legende‘ ist eine Sache – aber das zu singen und mit so einer Inbrunst zu intonieren, wenn du nach neun Spielen ohne Sieg Letzter in der zweiten Liga bist, das ist schon eine ganz andere Qualität. Darüber freuen wir uns im Vorstand sehr, und wir können als Verein auch sehr stolz darauf sein.

Sie strahlen eine unglaubliche Ruhe aus. Warum waren Sie nach dem verkorksten Start nicht nervös?
Naja … Emotionen während des Spiels gehören schon dazu und sind auch in Ordnung. Mit Abpfiff muss bei uns Verantwortlichen dann aber wieder der Kopf das Herz ersetzen. Blinder Aktionismus hilft keinem weiter. Wir haben alle gewusst, dass es eine sehr schwierige Saison wird. Nur wenn wir besonnen handeln, die Ruhe bewahren und alle an einem Strang ziehen, werden wir der Mannschaft und der sportlichen Leitung die Unterstützung geben können, die sie braucht, um unser gemeinsames Ziel Klassenerhalt zu erreichen.

Der MSV hat mit Lasha Dvali, Victor Obinna und Giorgi Chanturia drei Spieler nachverpflichtet. Wie wurden diese Transfers finanziert?
Um es klar zu sagen: ohne die Unterstützung eines langjährigen Sponsors hätten wir die Verpflichtungen nicht stemmen können, aber auch der Verein hat seinen Beitrag geleistet. Allerdings zu Lasten des geplanten Betriebsergebnisses. Wir haben uns angesichts der Verletzungsmisere, von der wir verfolgt werden und die man in so einer Masse einfach nicht auf der Rechnung haben konnte, entschieden, dieses trotzdem kalkulierbare unternehmerische Risiko einzugehen. Wenn ein Drittel der Spieler langfristig ausfällt, dann sind solche Verpflichtungen ja in erster Linie keine Reaktion auf die Qualität des Kaders, mit dem wir in die Saison gegangen sind, sondern auf die Quantität. Trotzdem halten wir weiter an unserem Ziel fest, einen – wenn auch geringeren – Bilanzgewinn für die Spielzeit 15/16 zu erwirtschaften. Das ist allein schon in Hinblick auf die hoffentlich nächste Zweitliga-Saison wichtig, weil sich die Stadionmiete im zweiten Jahr der Zugehörigkeit zur 2. Bundesliga um 0,6 Millionen Euro erhöht.

Also wurde der Weg der Konsolidierung nicht verlassen?
Nein, aber er ist noch mal ein Stück kurvenreicher geworden. Allen muss deutlich sein, dass es nach dem Crash vor zwei Jahren nicht damit getan war, in diesem Sommer wieder aufzusteigen. Wir haben noch einen langen und ungemein beschwerlichen Weg vor uns.

Hätten diese Transfers nicht schon früher erfolgen können?
Nein. Ivo Grlic und der Gino Lettieri beobachten den Spielermarkt permanent. Unsere finanziellen Möglichkeiten sind aber bekanntlich begrenzt – deshalb haben wir im Sommer bei den Spielern, die wir jetzt haben, auch keine Chance zur Realisierung von Transfers gesehen, wollten kein unkalkulierbares Risiko eingehen. Dass Spieler mit der Qualität und dem Marktwert eines Victor Obinna oder Giorgi Chanturia damals nicht offen für uns waren, empfinde ich auch nicht als verwerflich. So ist der Profi-Fußball. Dennoch: sie und auch ein Lasha Dvali haben sich bewusst für uns entschieden, und Victor und Giorgi haben bereits angedeutet, dass sie uns weiterhelfen können.

Der Kader ist nun extrem groß. Müssen im Winter Spieler abgegeben werden?
Jein, ich gebe Ihnen Recht, dass der Kader von der Anzahl recht groß ist – wenn denn mal alle Spieler gesund sind! Und ja, ich gehe davon aus, dass der ein oder andere Spieler uns in der Winterpause verlassen wird. Es gibt keinen Spieler, der sich gerne auf die Tribüne setzt. Das ist mehr als verständlich, und da alle gute Fußballer sind, wird es Spieler geben, die eine neue Herausforderung suchen werden.

Die bereits angesprochene Ruhe hat sich auch in der Trainerdiskussion niedergeschlagen. Warum haben Sie trotz des Gegenwinds an Lettieri festgehalten?
Gino Lettieri ist ein sehr guter Fußballlehrer und ein akribischer Arbeiter. Das hat Gino bereits in der vergangenen Saison mit dem Aufstieg in die 2. Liga gezeigt und bewiesen. Den holprigen Start in die Saison an Gino festzumachen, wäre zu einfach und auch falsch. Ich habe selten so viel Pech und Missgeschicke, die wir in einem so kurzen Zeitraum hinnehmen mussten, erlebt. Seinen Satz, dass wir ja nicht unbedingt Glück haben müssten, dass es schon genüge, wenn wir wenigstens kein Pech mehr hätten, kann ich nur unterstreichen.

Kommen wir zum wirtschaftlichen Bereich: Wie geht es dem MSV heute?
Die wirtschaftliche Situation ist weiterhin sehr kritisch und angespannt. Das gilt für das „Gesamtgebilde“ MSV und nicht nur für die KGaA als Spielbetriebsgesellschaft. Der e.V. hat sich in den vergangenen Spielzeiten für den Erhalt der Lizenz mitverschuldet. Die Entschuldung des MSV-Konzerns wird Jahre dauern. Der Weg der Konsolidierung ist alternativlos. Einen Forderungsverzicht kann man nicht beliebig wiederholen. Wir haben diese Chance bekommen und wir müssen sie nutzen.

Sportfive hat den neuen Trikotsponsor besorgt. Werden darüber hinaus noch weitere Sponsoren für den MSV gewonnen?
Wir sind überzeugt, dass die Entscheidung für die Zusammenarbeit mit Sportfive gewinnbringend für den MSV sein wird. Die Manpower von Sportfive und ihre überregionalen Kontakte und Netzwerke können wir als MSV alleine nicht aufbieten. Sportfive würde andererseits aber sicherlich auch nicht mit uns zusammenarbeiten, wenn sie nicht entsprechendes Potenzial bei uns sehen würden. Also eine Win-Win Situation für beide Seiten.

Die Basis dafür, dass der Verein die schwierige Situation überhaupt überstanden hat, ist die Ruhe, die Sie in den Klub gebracht haben. Wie haben Sie es geschafft, den einstigen Meidericher Streit-Verein zu befrieden?
Die Mitglieder aller Gremien haben hier ihren Beitrag geleistet. Wir arbeiten gremienübergreifend sehr gut zusammen, geprägt vom gegenseitigen Respekt und Vertrauen – was nicht heißen soll, dass wir nicht intern die nötige, zielfördernde Streitkultur an den Tag legen. Aber eben: Intern! Dafür bin allen sehr dankbar.

Welchen Stellenwert hat die Marke MSV derzeit?
Ich sehe den Stellenwert der Marke „MSV“ weiterhin sehr hoch. Wir sind ein Traditionsverein mit fantastischen und treuen Fans, der tollen Schauinsland-Reisen-Arena, dem aus meiner Sicht besten Maskottchen – und man könnte da noch einiges mehr anführen. Aber wir dürfen uns nicht auf Werten wie Tradition ausruhen. Gerade viele Beispiele aus unserer direkten Umgebung zeigen, dass Tradition auf Dauer kein Schutz ist – und wie schwer eine Rückkehr in den „bezahlten“ Fußball ist. Wir haben die vielleicht einmalige Chance erhalten, diese Rückkehr zu verwirklichen. Dessen müssen wir uns in all‘ unserem Tun und Handeln bewusst sein.

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