An welchen Baustellen der MSV Duisburg noch arbeiten muss


Es läuft noch nicht nach Wunsch: Rückkehrer Dustin Bomheuer musste mit seinen Kollegen im Defensivverband bereits acht Gegentore in der 2. Liga hinnehmen.

Der schwache Saisonstart des Fußball-Zweitligisten MSV Duisburg hängt auch mit strukturellen Problemen zusammen. In vielen Bereichen drückt der Schuh.

Der MSV Duisburg holte am Sonntag beim 2:2 gegen Arminia Bielefeld den ersten Punkt in der 2. Fußball-Bundesliga. Ein erstes Erfolgserlebnis, der Weg zum Klassenerhalt bleibt trotzdem steinig. Der schwache Saisonstart hat Gründe, die auch durch die Struktur der Mannschaft begründet sind und durch das Remis gegen den Mitaufsteiger nicht ausgeräumt sind. Eine Analyse.

Torwart: Michael Ratajczak steht unter Druck. In der 3. Liga war der 33-Jährige eine Bank, in der 2. Bundesliga strahlt er derzeit nicht die gewohnte Sicherheit aus. Starke Paraden gehen einher mit Patzern. So war es im Pokalspiel gegen Schalke, so war es auch gegen Bielefeld. Hier wirkt sich ein strukturelles Problem aus. Marcel Lenz ist – noch – nicht die Alternative für die Nummer eins.

Es könnte sich als fahrlässig erweisen, dass Sportdirektor Ivica Grlic vor der Saison nicht eine starke Nummer zwei verpflichtet hat, die Ratajczak Dampf macht. Ein Konkurrenzkampf im Tor wirkte sich beim MSV in der Vergangenheit positiv aus. Zum Beispiel bei Tom Starke und Marcel Herzog, bei David Yelldell und Marcel Herzog und bei Felix Wiedwald und Florian Fromlowitz.

Innenverteidigung: Die Abwehrzentrale wackelt bedenklich. Krasse Fehler, einfache Gegentore. Trainer Gino Lettieri riss die erfolgreiche Innenverteidigung aus der Drittligasaison mit Branimir Bajic und Thomas Meißner auseinander. Statt Meißner spielt Rückkehrer Dustin Bomheuer, der die Entscheidung des Trainers bislang nicht auf dem Platz mit entsprechenden Leistungen rechtfertigen konnte.

Neuverpflichtungen: Sportdirektor Ivo Grlic hatte in den letzten zwei Jahren ein goldenes Händchen. Dank seiner Personalpolitik schaffte der MSV die Rückkehr in die 2. Bundesliga. Das aktuelle Personalpaket steht noch auf dem Prüfstand. Kritiker werfen Grlic vor, dass er zu wenig gestandene Spieler verpflichtet hat. Thomas Bröker kam zwar aus der Bundesliga, hatte dort aber nur begrenzt Spielpraxis. Dustin Bomheuer war am Ende bei Fortuna Düsseldorf nicht mehr erwünscht. Ansonsten heuerten zum Saisonbeginn nur Spieler aus der 3. Liga an, die sich erst noch beweisen müssen. Mit James Holland kam immerhin nachträglich noch ein international erfahrener Mann. Eine der wichtigen Schlüsselpositionen wurde somit erst sehr spät aufgerüstet, obwohl der Coach in diesem Bereich die Lösung mit Aalens Andreas Hofmann favorisiert hatte. Der MSV besetzte erst andere Positionen. Hofmann wartete nicht länger – und spielt nun für Greuther Fürth.

Angriff: Das Offensivspiel krankt, weil aus dem Mittelfeld zu wenig Impulse kommen. Es dauerte bis zum vierten Pflichtspiel, bis die Duisburger Stürmer zündeten. Kingsley Onuegbu und Stanislav Iljutcenko retteten dem MSV gegen Bielefeld einen Punkt. Simon Brandstetter konnte bei seinen bisherigen Einsätzen seine Zweitliga-Tauglichkeit noch nicht beweisen.

Erklärungen oder Ausreden: Ein Trainer, der Spiele nicht gewinnt, sucht nach Erklärungen und Argumenten. Das ist legitim. Aber auch gefährlich. Natürlich leidet der MSV aktuell unter einer Verletzungsmisere. Aber es sind noch genügend Spieler aktiv, die dem Anspruch gerecht werden müssen, ligatauglich zu sein. Der zweite Ansatz, warum der MSV bisher nicht auf Touren kam, erscheint nur auf den ersten Blick schlüssig: Das Team müsse sich erst an Tempo und Qualität der 2. Bundesliga gewöhnen. Aufsteiger punkten oft vor allem in der ersten Saisonphase, weil sie die Euphorie des Erfolges aus der alten Saison noch mitnehmen. In der letzten Zweitliga-Saison war weder aus Heidenheim, noch aus Darmstadt zu hören, dass die Teams eine Eingewöhnungsphase benötigen. Darmstadt und Ingolstadt waren als klassische Underdogs nun auch am ersten Bundesliga-Spieltag bereits voll da.

Steffen Bohl: Der Allrounder verlor nicht nur sein Kapitänsamt, sondern auch seinen Stammplatz. In der Hierarchie der Mannschaft nimmt er eine wichtige Rolle ein, ist aber kein Führungsspieler mehr. Bohls Trumpfkarte ist neben der Laufstärke seine Vielseitigkeit. Er kann nahezu auf jeder Position spielen. Aktuell hat Kraftpaket Rolf Feltscher hinten rechts trotz einiger „Bruder-Leichtfuß-Aktionen“ die Nase vorne. Im defensiven Mittelfeld favorisierte Gino Lettieri bisher durchweg andere Lösungen.

Positionswechsel und System: Mit Improvisieren konnte Gino Lettieri in der 3. Liga so manches Personalvakuum überbrücken. In der aktuellen Saison probierte der 48-Jährige auch einiges aus – und lag in manchen Fällen daneben. Sehr frühe Auswechslungen von Dennis Grote (gegen Kaiserslautern) und Tim Albutat (gegen Bielefeld) sind ein Beleg dafür, dass zuvor einstudierte Planspiele im Ernstfall nicht aufgingen. Das Experiment mit Zlatko Janjic, der in Normalform im Zentrum der Mann für besondere Momente sein kann, schlug im linken Mittelfeld gegen die Arminen komplett fehl. Zudem entpuppte sich die Ausrichtung mit nur einer Spitze bisher als Schlag ins Wasser. Nur sieben herausgespielte „echte“ Torchancen in 270 Ligaminuten bedeuten Minuswert im Fußball-Unterhaus. Die Variante, beim Auswärtsspiel in Bochum mit einer Fünferkette auf ein 0:0 zu spekulieren, wurde in der Duisburger Chefetage kritisch beäugt. Tenor nach der 0:3-Klatsche: Bei einem Team, das in der letzten Saison zuhause auf keinen grünen Zweig kam, hätte der MSV frecher auftreten müssen.

Ungeklärte Personalien: Am 31. August schließt das Sommer-Transferfenster. Noch immer haben die Zebras zwei Leute an Bord, die in Lettieris Planungen keine Rolle mehr einnehmen. Sascha Dum findet nur noch als Trainingsteilnehmer statt. Matthias Kühne schafft es immerhin ab und zu in den 18er-Kader. Zur allgemeinen Klimaaufhellung tragen solche Fälle nicht bei.

derwesten.de