JANN-FIETE ARP
Der tiefe Fall des Jahrhunderttalents


Beim HSV wurde Jann-Fiete Arp als neuer Uwe Seeler gehandelt. Der FC Bayern hat ihn verpflichtet, die Kommunikation um den Deal war dubios. Doch mittlerweile steht der Stürmer nicht mal mehr im Zweitliga-Kader.

Der jüngste Tiefpunkt liegt knapp 50 Kilometer von Hamburg entfernt. Drochtersen hat 11.100 Einwohner und zusammen mit dem Ortsteilklub Assel seit 1977 eine Spielgemeinschaft, die sich recht wacker in der Regionalliga Nord schlägt. Dort lief am Freitag ein Profi auf, der bis vor Kurzem als eines der größten Versprechen im deutschen Fußball galt: Jann-Fiete Arp.

In der niedersächsischen Provinz war der Jungstar des Hamburger SV jäh gestrandet. Während seine Kollegen tags darauf ihre Zweitligapartie beim VfL Bochum bestritten, hatte Arp Spielpraxis in der zweiten Mannschaft sammeln sollen. Doch bis auf eine Gelbe Karte fiel der Stürmer nicht groß auf. Beim 1:1 war er selbst in der Vierten Liga das, was er seit einigen Monaten auch zwei Etagen höher darstellt: ein Mitläufer. Die Karriere des Hochveranlagten, der in diesem oder im nächsten Sommer zum FC Bayern wechseln wird, ist gehörig ins Stocken geraten.

Auch das Pokalviertelfinale des HSV beim SC Paderborn am Dienstag (18.30 Uhr, Sky und Liveticker auf welt.de) wird Arp nur aus der Ferne verfolgen. Während seine Mannschaftskameraden nach dem Spiel in Bochum ein Kurztrainingslager in Harsewinkel aufschlugen, muss der Juniorennationalspieler daheim in der Reserve üben. Für eine der wichtigsten Partien der Saison wird der Angreifer nicht gebraucht.

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Zwei Finger in den Ohren gegen die laute Kritik? Jann-Fiete Arp feiert seinen Treffer im U19-Länderspiel gegen Kroatien mit eigenwilliger Geste
Quelle: Getty Images


„Wir haben hier viele junge Spieler im Kader, aber die müssen besser trainieren. Ganz klar. Es geht um Leistung“, sagte Trainer Hannes Wolf – und dürfte vor allem Arp gemeint haben.

„Es geht um Leistung“

Dabei galt der Stürmer vor einigen Monaten noch als Jahrhunderttalent der Hamburger. Nicht wenige Experten verglichen den inzwischen 19-Jährigen gar mit Klubidol Uwe Seeler. Denn ähnlich wie der einstige Kapitän war auch Arp früh erfolgreich. Seine ersten beiden Profitore erzielte er im Alter von 17 Jahren. Und weil der in Anlehnung an Seeler „Uns Fiete“ gerufene Abiturient so schön bodenständig daherkam, entfachte er nicht nur rasch einen immensen Hype, sondern weckte auch das Interesse großer Klubs.

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Unfassbar: Arp kommt beim HSV in dieser Saison in 15 Ligaspielen nur auf eine Vorlage
Quelle: picture alliance / SvenSimon


Im Sommer 2018 einigte er sich mit dem FC Bayern auf einen Wechsel, doch weil diese Personalie den Fans nach dem erstmaligen Abstieg des Klubs kaum zuzumuten war, vereinbarten beide Vereine und Arp einen Kniff. Der Ausnahmespieler verlängerte seinen Vertrag beim HSV bis 2020 und kann entscheiden, ob er schon 2019 oder erst nach Vertragsablauf zum Rekordmeister geht.

So weit, so schlecht: Denn den seit jeher emotional überfrachteten Anhängern des HSV wurde nur der erste Teil des Deals verkauft. Als der HSV im Sommer 2018 die Vertragsverlängerung verkündete, titelte die „Morgenpost“: „Die Rückkehr der Romantik“. Hier entschied sich ein Umworbener für seinen Klub, dem er seit seinem zehnten Lebensjahr angehört hatte – und gegen das schnelle Geld. Es war dann doch anders, vor zwei Monaten mussten beide Vereine kleinlaut nach vorherigen Medienberichten auch Teil zwei des Deals offenlegen.

Arp allerdings ist nicht erst seit diesen Wechselwirren ins Straucheln geraten. Seit seinem vielversprechenden Debüt in der Bundesliga wartet er auf ein Ligator im Profibereich. Das letzte gelang ihm am 4. November 2017 im Spiel gegen den VfB Stuttgart – damals noch in der Bundesliga.

Bis auf einen Treffer in der Erstrundenpokalpartie beim TuS Erndtebrück hat er in dieser Spielzeit noch gar nicht getroffen. Eine Katastrophe für einen wie ihn. Wenn überhaupt darf Arp nur noch als Teilzeitkraft mitwirken und hat das Nachsehen gegen den gesetzten Mittelstürmer Pierre-Michel Lasogga.

Kapitän als Bankdrücker

Inzwischen fragen sie sich nicht nur in Hamburg, was die Bayern eigentlich mit Arp vorhaben. Ein Angreifer, der noch nicht einmal in einer offensivschwachen Mannschaft in der Zweiten Liga – der HSV hat nur 38 Tore in 27 Spielen erzielt – zum Zug kommt, hat wohl kaum das Zeug, in Bälde in München zu reüssieren. Denkbar ist daher, dass die Bayern Arp zunächst wie etwa Serge Gnabry verleihen, um dem Jungstar die nötige Spielpraxis zu vermitteln.

Doch ob der jüngste Bundesliga-Torschütze in der Historie des HSV dabei mitspielt? Zuletzt schien sein Ego weitaus größer als die Leistungen auf dem Feld. Denn nicht nur beim HSV enttäuschte der Angreifer, sondern jüngst auch auf internationaler Bühne. Mit der deutschen U19-Auswahl verpasste er vor einer Woche die EM-Endrunde. Im entscheidenden Gruppenspiel gegen Ungarn saß Arp 90 Minuten lang auf der Bank. Und das als Kapitän.

Quelle: https://www.welt.de/sport/article19...-Tiefer-Fall-des-Jahrhunderttalents.html


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)