Golz im Interview

Er ist eine Torwart-Ikone und Bundesliga-Legende. Mit 453 Bundesligaspielen für den Hamburger SV und den SC Freiburg ist der 39-jährige Richard Golz hinter Oliver Kahn immer noch der Spieler mit den meisten Einsätzen in der Liga. Auf sein Debüt bei den Roten wartet der geborene Berliner aber noch. Der

96-Reservekeeper spricht in einem Interview mit hannover96.de unter anderem über das bevorstehende Nordderby, Hannovers Nummer 1 Robert Enke und seine Zukunftspläne.





Hallo Richie, ein Derby liegt vor Euch. Hast Du noch irgendeine einschneidende Erinnerung an ein Derby der Vergangenheit?


Richard Golz: „Ich überlege gerade, ob ich selber überhaupt schon ein Derby gegen Hannover gespielt habe. Ich glaube, mich erinnern zu können, vor mindestens 15 Jahren mal hier in Hannover gespielt zu haben. Ich glaube, das ging 2:2 aus.“ (Anm. d. Redaktion: Da trügt Richard Golz sein Gedächtnis ein wenig: In der 96-Abstiegssaison 88/89 gewannen die Hamburger mit 3:2 in Hannover, Golz saß hier allerdings nur auf der Bank. Beim Rückspiel in Hamburg, das der Gastgeber 4:1 gewann, stand Golz dann im Kasten. 2:2 endete dagegen das letzte echte Derby mit dem HSV beim FC St. Pauli 1997, bei dem Golz im Kasten stand.).


In der Öffentlichkeit wird Derbys immer wieder eine besondere Rolle zugesprochen. Ist es für Euch Spieler denn auch etwas ganz Besonderes? Wirklichen Derbycharakter hat die Partie zwischen den beiden HSVs ohnehin nicht, oder?


Richard Golz: „Das stimmt. Der Begriff Derby wird aus meiner Sicht manchmal etwas überstrapaziert. Richtige, klassische Derbys sind die Stadtderbys wie zwischen dem HSV und St. Pauli. Da spricht dann die ganze Stadt rüber – und es gibt genau zwei Meinungen. Das letzte „Derby“ mit Hannover in Hamburg, das ja 0:0 ausging, war allerdings schon etwas Besonderes, Schließlich war ich da gerade nach Hannover gekommen. Ich habe mich damals sehr gefreut, dass wir einen Punkt geholt haben. Wir hätten sogar gewinnen können, aber für uns war das damals ein wichtiger Erfolg. Da ging es uns noch nicht so gut!“ (schmunzelt. Anm. d. Red.: 96 kletterte durch den Punkt von Rang 17 auf Rang 16).

Heißt das, ein Punkt wäre Dir am Samstag zu wenig?


Richard Golz: „Naja, es kommt immer darauf an, wie das Spiel läuft. Sicherlich kann man mit einem Punkt in Hamburg zufrieden sein. Aber wir merken ja auch, dass es in dieser Saison bei uns ganz gut läuft. Dann denkt man natürlich auch mal darüber nach, solch ein Spiel zu gewinnen.“

Zumal Hamburg lange Zeit so etwas wie ein Lieblingsgegner der Roten war…

Richard Golz: „Ja, das habe ich mir auch sagen lassen. Die Statistik ist ganz gut.“ (Anm. d. Red.: von elf Spielen nach Wiederaufstieg gewann 96 fünf, bei zwei Niederlagen, vier Unentschieden)

Du bist schon ewig im Profigeschäft. Was hat sich im Laufe der Jahre am auffälligsten verändert?


Richard Golz: „Der Profifußball hat sich parallel zur Veränderung der Medienlandschaft entwickelt. Es gibt viel mehr Kanäle, viel mehr Berichterstattung. Fußball ist viel trendiger geworden. Der Anteil von Frauen im Stadion hat sich ja dramatisch erhöht. (macht eine Pause und lacht) Dramatisch ist vielleicht nicht das richtige Wort. Er ist auf jeden Fall sehr viel höher als vor zwanzig Jahren. Inzwischen wird auf allen Ebenen über Fußball gesprochen. Da geht es nicht mehr nur ums Sportliche, sondern auch um Society und Klatsch. Fußball hat also einen ganz anderen Stellenwert bekommen, weshalb mehr darüber berichtet wird. Früher gab es keine Kamerateams beim Training. Aber das war ja eine langsame Entwicklung und ging nicht von heute auf morgen – man nimmt das als Spieler und Teil des Ganzen gar nicht so wahr.“

Das kommende Spiel gegen den HSV ist gleichzeitig der Rückrundenstart. Wie wichtig ist es, gerade dort ein Zeichen zu setzen?

Richard Golz: „ Ein guter Start hilft immer. Wenn man jetzt allerdings das erste Spiel der Vorrunde nimmt: da haben wir in der Vorbereitung alles weg gedonnert, haben das erste Spiel verloren – und trotzdem eine tolle Hinrunde gespielt. Trotzdem gibt es natürlich nichts Besseres als mit einem Sieg zu starten. Das ist die Bestätigung für die Arbeit der letzten vier, fünf Wochen. Dann gehen die nächsten Spiele schon einfacher. Gewinnen ist immer gut!“

Ihr seid gut gewappnet?

Richard Golz: „Ja klar. Wir kommen in der Vorbereitung ganz gut in Tritt, auch wenn es nicht so ist wie im Sommer, wo wirklich von Anfang an alles gut lief. Dieses Mal hatten wir ein paar Hänger drin. Aber eigentlich finde ich es so besser, wenn man sich Stück für Stück steigert, als wenn man von Anfang an auf so hohem Niveau spielt – und dann das erste Spiel verliert. Dann wäre alles zu glatt. So wie es ist, sind wir gut im Plan. Der HSV hat sicherlich eine gute Mannschaft… aber die müssen uns erstmal schlagen. Wenn wir einen guten Tag haben, sind wir wirklich verdammt schwer zu schlagen.“

Gibst Du einen Tipp ab?

Richard Golz: „Ich glaube, dass es ein ähnliches Spiel wie im Hinspiel werden könnte. Wer das erste Tor schießt, gewinnt. Ich habe eigentlich ein ganz gutes Gefühl, dass wir das Hinspiel ausgleichen können. Also: 1:0 für uns!“

Gibt es noch persönliche Kontakte zum HSV?


Richard Golz: „Mit Didi Beiersdorfer habe ich ja noch selber zusammengespielt. Dort besteht noch Kontakt. Auch Rodolfo Cardoso, der auch in Freiburg war, aber nicht mit mir zusammen gespielt, den treffe ich noch ab und zu in Hamburg. Wir wohnen beide im Norden der Stadt und wir laufen uns dann und wann über den Weg.“

Du hast viele Torhüter kommen und gehen sehen in Deiner Laufbahn. Wo würdest Du Robert Enke qualitativ einstufen?

Richard Golz: „Nun, ich war ja zumeist die Nummer eins in meinen Vereinen (lacht). Somit waren die Kollegen, mit denen ich zu tun hatte, nicht mit Robert zu vergleichen. Seitdem Robert wieder in Deutschland zurück ist, gibt es keinen, der auf diesem Niveau so konstant gespielt hat. Ganz einfach. So kann man das ausdrücken. Es spricht eigentlich alles für ihn: die Entwicklung der letzten Jahre, sein Alter – das allerbeste Torwartalter. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass er die Europameisterschaft auch wirklich spielt. Wenn Lehmann nicht spielen würde, gibt es für mich überhaupt keinen Grund, über jemanden anders nachzudenken.“

Robert spielt gegen den HSV sein 150. Bundesligaspiel. Bedeutet ein solches Jubiläum etwas für einen Spieler?

Richard Golz: „Ich glaube, bei 150 fängt man noch nicht an zu zählen (lacht). Vielleicht bei 100, das ist das erste Jubiläum – und das nächste Mal dann vielleicht wieder bei 250.“

Sehr ungewöhnlich bei 96 ist die Tatsache, dass es gleich vier Torleute im Kader gibt. Wie stark ist der Konkurrenzkampf hinter Robert Enke um die Nummer zwei im Tor?

Richard Golz: „Das Ziel ist sicherlich, Morten Jensen näher ranzuführen. Er hat regelmäßige Spielpraxis in der Oberligamannschaft. Der nächste persönliche Schritt wäre für ihn sicherlich schon, dann auf der Profibank zu sitzen. Wobei das ihm im Endeffekt auch nicht soviel bringen würde. Wichtig ist doch vor allem, Spielpraxis zu sammeln. Was dann ist, wenn Robert mal nicht spielen kann, das weiß keiner von uns. Im Moment gehe ich aber schon davon aus, dass wenn heute das Spiel wäre, ich es bestreiten würde.“

Frank und Morten hatten ja bereits die Gelegenheit, jeweils einmal spielen zu können, als Robert ausfiel. Du hättest sicherlich auch Lust, noch einmal für 96 auf dem Rasen zu stehen, oder?

Richard Golz: „Ja natürlich! Ich muss ja auch wenigstens irgendwie statistisch in Erscheinung treten. (lacht)

Wenn es diese Saison nicht klappt, gäbe es durchaus auch noch die Option, noch ein Jahr dranzuhängen?


Richard Golz: „Ja, die Möglichkeit besteht schon. Wir haben darüber gesprochen. Und es wird demnächst auch eine Entscheidung geben.“

Beim Surfen auf Deiner Homepage sind uns einige interessante Sachen aufgefallen. So nennst Du als Deinen Lieblingsspieler Jimmy Floyd Hasselbaink – zwar sicherlich kein No-Name-Spieler, trotzdem sicherlich nicht die typische Kanone, die man bei solchen Befragungen erwartet…

Richard Golz: „Ich finde, man unterschätzt ihn aufgrund seines Bewegungsablaufes total. Es gibt Dinge, die kann man nicht so greifen. Und der gefiel mir einfach.“

Hast Du mal irgendwann gegen ihn gespielt?

Richard Golz: „Zum Glück nicht! (lacht)

Du hast die Trainer A-Lizenz gemacht. Eine Zukunftsentscheidung? Oder ist eine Tätigkeit im Marketing, wie bereits bei Freiburg ausprobiert, weiterhin eine Option für Dich?

Richard Golz: „Ich hatte immer irgendeine Kombination aus Trainer und Marketing bzw. Trainer und Bürotätigkeit im Kopf. Aber das geht nicht. Dann müsste ich schon Teammanager in England sein – oder Felix Magath beerben. In den letzten Jahren habe ich nun die B- und A-Lizenz gemacht und habe auch schon angefangen, bei der U19 und U23 das Torwarttraining zu leiten und habe gemerkt, dass es mir mehr Spaß macht, auf dem Platz zu stehen. Deswegen möchte ich auch mehr in die Richtung. Das muss keine Spezialisierung auf den Torwarttrainer sein. Da bin ich offen.“

Du hast eine Bildergalerie auf Deiner Seite. Dort sind viele Fotos von heiligen Orten abgebildet – Kabinen alter Stadien, sogar die Toilette am Millerntor. Ist dieses spontane Knipsen ein Hobby von Dir?

Richard Golz: „Die Toilette gibt es nun ja leider nicht mehr (lacht). Aus welchen Gründen auch immer habe ich das in den letzten Jahren nicht mehr so gemacht. Ich hatte tatsächlich immer eine Digi-Cam dabei und bei den Spielen den einen oder anderen Schnappschuss gemacht. Vielleicht sollte ich es wieder anfangen. Aber die Stadien sind ja fast alle neu jetzt – da gibt es nicht mehr viel Spannendes zu sehen.“

Toll fanden wir auch das Trikot aus der Saison 90/91. Hast Du alle Deine Torwarttrikots gesammelt?

Richard Golz: „Ich hatte sie alle gesammelt, habe sie aber im letzten Jahr beim „Tag der Legenden“ zur Verfügung gestellt. Die wurden dann versteigert oder irgendwie unter die Leute gebracht. Ich hab die Fotos gemacht, die Kiste stand im Keller und ich dachte: die ziehe ich sowieso nicht mehr an.“

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Richie. Und viel Erfolg Euch in Hamburg!