Bruchlandung in Bremen

Peinliches 1:6 für 96: Niederlage vernichtet UI-Cup-Chance / Lala und Rosenthal gesperrt



Von Volker Wiedersheim

Bremen. Draufhauen? Bringt nichts. Jedenfalls nicht nach den ganz schlimmen Niederlagen, so heißt es im Fußball.

Also auf das Positive schauen: Die „Roten“ haben wenigstens nicht im Heimspiel mit 1:6 gegen Werder Bremen verloren. So wurden nur gut 4000 mitgereiste Fans des Fußball-Bundesligisten Hannover 96 und nicht knapp 50 000 im ausverkauften heimischen Stadion Augenzeugen des wohl peinlichsten 96-Auftritts der Saison.

Das war’s, mehr Positives gibt es von der höchsten Bundesliga-Niederlage der 96er seit 1986 (0:7 beim VfB Stuttgart) nicht zu berichten. Obwohl Robert Enke, nachdem Altin Lala Diego im Strafraum gefoult hatte, einen Elfmeter des Brasilianers hielt.

Und damit kommen wir nun zum Negativen. Ivan Klasnic hat nach Enkes Rettungstat unbehelligt von allen 96ern zum 4:0 für die Gastgeber einköpfen dürfen. Aber da kam es schon gar nicht mehr drauf an. Die „Roten“ erlebten ihr Waterloo im Weserstadion, und das war schon nach knapp einer halben Stunde klar. Bis dahin hatten Hugo Almeida (14. Minute) und Naldo (27.) Werders direkten Weg in die Champions League zementiert und zugleich die letzten Hoffnungen der 96er auf den UI-Cup-Platz im Keim erstickt. Den machen jetzt andere Teams unter sich aus. Stimmte schon, was ein prominenter ZDF-Reporter Kollegen zuzischte, aus Anstand aber vor einer laufenden Kamera sicher nie sagen würde: „96 – ist doch wohl peinlich!“

In der Schlussphase wurden dann wohl die Bremer des Leerlaufs überdrüssig, und so fielen die nächsten vier Tore für die Gastgeber dank sprichwörtlich niedersächsisch-erdverwachsener 96-Abwehrspieler. Bevor Szabolcs Huszti in der Nachspielzeit für 96 traf (Abstauber nach seinem abgewehrten Strafstoß) erzielten Tim Borowski (73.), Klasnic (80.), Markus Rosenberg (82.) und Aaron Hunt (87.) ihre Tore. Groß gejubelt wurde da schon nicht mehr. Es schien, als sei den Bremern die Demütigung so peinlich, wie man es von den 96ern erwartet hätte. Die hanseatische Anständigkeit zeigte sich auch bei einer Episode vor dem Elfmeter: Bremer Fans und Mitspieler forderten Torhüter Tim Wiese als Schützen. Doch Werder-Trainer Thomas Schaaf schickte ihn zurück und knarzte anschließend: „Wir haben andere Schützen.“ Manager Allofs: „Da fehlte mir die Ernsthaftigkeit.“ Werder-Kapitän Torsten Frings: „Das gehört sich nicht, das ist eine Unsportlichkeit.“

Draufhauen bringt nichts – auch Dieter Hecking hielt es mit dieser Linie, als er Ereignis und Ergebnis gestern aufgeräumt analysierte. „Es gibt da keine Tränen und keinen Wutausbruch, und meine Tonart wäre nicht anders, wenn wir 6:1 gewonnen hätten“, sagte Hecking. „Natürlich sind wir nicht erfreut. Das war eine Klatsche. Es hat mich geärgert, dass wir nach dem 3:0 nicht dichtgemacht haben.“ Aber lange dürfe man sich mit solchen sportlichen Katastrophen nicht aufhalten, so Hecking, sondern man müsse wieder nach vorn blicken.

Blickt 96 nun nach vorn, stehen zwei Hürden vor Saisonschluss und Sommerurlaub. Energie Cottbus als Gegner des letzten Spieltages am Sonnabend einerseits und die von vielen Fans in den einschlägigen Internetforen aufgeworfene „Charakter“-Frage an die 96-Spieler: Mangelt’s grundsätzlich an Moral? Hecking verneint entschieden. Und die Mannschaft könnte das am Sonnabend gegen Energie Cottbus vor den erwartungsgemäß gut gefüllten Rängen bestätigen. Allerdings nicht in Bestbesetzung: Jan Rosenthal und Altin Lala sahen zum fünften Mal Gelb und sind gesperrt.