Hecking zieht die Zügel an
Intervallläufe statt Regeneration: Der Trainer streicht den freien Tag und will, dass sich die „Roten“ selber helfen


Von Volker Wiedersheim
Hannover. Der Ärger sitzt tief nach dem enttäuschenden Auftritt der „Roten“ bei Bayer Leverkusen. „Wenn die uns schon eine Vorführung geben, dann soll es ihnen wenigstens weh tun“, so knarzte 96-Trainer Dieter Hecking gestern über das chancen- und ideenlose 0:2 am Sonntag. Aber nicht einmal das: Die Darbietung der 96er war so erschütternd, dass jetzt noch kleine Nachbeben den aktuellen Wochendienstplan der Kicker durchrütteln. Statt des sonst üblichen Regenerationstrainings am Tag nach dem Spiel befahl Hecking gestern auf der Mehrkampfanlage ein „intensiveres Auslaufen“, wie er es schelmisch nannte. „Straftraining“ wäre auch eine Übertreibung gewesen. Allerdings nur eine kleine. Eine Stunde mussten die Verlierer von Leverkusen (neben den bisherigen Ausfällen fehlten dabei angeschlagen: Gaétan Krebs, Valérien Ismaël, Michael Tarnat und Vinicius) mit Tempointervallen um den Platz laufen. Und der ursprünglich für heute geplante freie Tag – gestrichen!
Es gibt viel Arbeit bei 96. Nur wo und wie genau anfangen? „Was uns lange stark gemacht hat, fehlt jetzt“, analysierte der Trainer. Damit meint er die mannschaftliche Geschlossenheit, das kollektive Bewusstsein für Spielsituationen, instinktives Verständnis der Ideen des jeweiligen Nebenmannes und letztlich auch mitreißendes Auftreten von Führungsspielern, die sich zurzeit kaum zeigen. „Wenn es nicht läuft, will keiner führen. Das ist normal.“ Doch nun ändert Hecking gegenüber den Spielern die Tonlage. „Immer nur gut zureden, das ist es nicht. Jetzt müssen die sich mal selber helfen.“
Mögen viele 96-Fans die Hoffnung auf bessere Ergebnisse an die Verpflichtung eines Spielmachers knüpfen, so erklärte Hecking gestern am Beispiel des zweiten Gegentors (Tranquillo Barnetta auf Zuspiel von Theofanis Gekas) eine ganz andere Qualität zur 96-Leitkultur. „Direkt am Strafraum konnten die sich den Ball unbehelligt zuschieben, und unsere stärksten Defensivspieler schauen nur zu. Mit Altin Lala hätte es da wenigstens einen Freistoß gegeben,“ sagte Hecking. „Von dem Kleinen müssen sich Christian Schulz und Hanno Balitsch abgucken, wie man dreckig spielt.“
Forsche Töne, strenges Training, aber keine Panikmache: Hecking ist auf der Suche nach der richtigen Mischung. „Das Glas ist bei uns zurzeit halb leer“, findet er, aber trotzdem sei nicht alles schlecht. „Wir haben uns vom Abstiegskandidaten zu einem sicheren Team im Mittelfeld entwickelt. Und schon diesen Sprung haben uns viele nicht zugetraut. Vergleichen wir uns doch mal mit anderen Klubs. Hertha BSC und der VfL Wolfsburg geben viel mehr für ihre Mannschaften aus und spielen trotzdem keinen besseren Fußball.“