Beifall für Le Chef

Von Volker Wiedersheim

Hannover. Seit zwei Monaten ist Valérien Ismaël jetzt Hannoveraner. Es ist an der Zeit, den Neuen beim Fußball-Bundesligisten Hannover 96 einem ersten heimatkundlichen Härtetest zu unterziehen, dachte sich der 96-Fanklub „Rote Reihe“, den der Franzose am Abend in einer Altstadtkneipe gut gelaunt besuchte.

Erste Frage: Was ist eine Lüttje Lage? „Le Chef“ antwortet: „Eine was?“
Wie heißt der Oberbürgermeister von Hannover? Ismaël: „Weiß ich nicht.“
Wo treffen sich Hannoveraner unterm Schwanz? „Wie bitte?“
Wie heißen die drei bunten Kunst-Damen am Leibnizufer? „Ähm …“
Wie heißt die französische Künstlerin, die sie geschaffen hat? „…“
Die schönste Stadt der Welt? „Hm …“

Nennen wir es beim Namen: Als Hannoveraner ist Ismaël noch ein Totalausfall. Aber Fußball tickt anders. Da geht Hoffnungsträger vor Heimatkundler. Die 96-Sehnsucht nach Hoffnungsträgern vom Kaliber Ismaël ist sehr groß. Das zeigt sich daran, dass die Fans dem Franzosen schon applaudieren, wenn er sich nur verlegen räuspert. Der Mann hat mit Bremen und den Bayern das Double geschafft. Er ist bei Hannover 96 in den bisher gespielten drei Halbzeiten ungeschlagen. Und selbst nach dem etwas relativierenden Rückrundenstart der „Roten“ sagt er noch solche Sätze: „Am Ende der Saison stehen wir auf einem internationalen Platz. Die Mannschaft hat toll gespielt, auch wenn es ab und zu kleine Rückschläge gibt.“

Stimmt schon, was der zweite „Rote Reihe“-Gast des Abends, 96-Sportdirektor Christian Hochstätter, im Fan-Talk gesagt hat. Ismaël habe „Siegermentalität“. Sogar das wissenschaftlich etwas kauderwelsche Wort vom „Europa-Gen“ macht unwidersprochen die Runde. Kein anderer verkörpert wie der Franzose höchste Ansprüche. Und kein anderer bei den „Roten“ vertritt sie mit so markigen Worten. „Für Spieler, die immer gegen den Abstieg gekämpft haben, ist es gar nicht so einfach, plötzlich um Platz 6 zu kämpfen. Man darf nie genug haben. Muss immer mehr wollen – dafür bin ich hergekommen“, sagt der Elsässer mit dem Golf-Handicap 25 in den dankbaren Beifall seines Publikums hinein. „Der Weg nach oben ist nicht so einfach. Hannover muss dafür gute neue Spieler holen, die eine Siegermentalität mitbringen.“ Zwischen einem Zittersieg gegen Nürnberg und einer Herkules-Aufgabe in Leverkusen ist so etwas purer Balsam für die 96-Seele.

Vielleicht speist sich die ermutigende Wirkung sogar aus nonchalanter Selbstüberschätzung: Denn während der Kicker von Europa redet, geht es Trainer Dieter Hecking darum, dass „er erst mal seinen Trainings- und Spielrhythmus findet“.

Immerhin, Ismaël beweist Lernfähigkeit: Die Bildungslücke Lüttje Lage wird bei der „Roten Reihe“ noch an Ort und Stelle im kleckerfreien Selbstversuch geschlossen. Und mit dem Oberbürgermeister hat der Franzose sich auch angefreundet. Stephan Weil ist nämlich nicht nur bei der „Roten Reihe“, sondern seit Donnerstagabend auch offiziell bei Hannover 96 Vereinsmitglied – ebenso wie Prominentenanwalt Matthias Waldraff und Sparkassenvorstand Hans-Ulrich Nielsen.