Treue war gestern !

Natürlich hätte man gestern versuchen können, Robert Enke einen ewigen Treueschwur zu entlocken, es wäre allerdings vergebliche Liebesmühe gewesen – und ein bisschen unfair dem 96-Torwart gegenüber obendrein. Enke, der unfreiwillig in ein fantasievolles Wechselspiel mit den Bayern geraten ist, hat zwar in Hannover einen mit zwei Millionen Euro pro Jahr dotierten Arbeitsvertrag, in Ketten liegt er deshalb nicht. Enke hat kürzlich bis 2010 verlängert, ausschließen in seiner Karriere-Planung mochte er mit seiner Unterschrift jedoch ausdrücklich nichts.

Die Zeit der Treueschwüre ist im boomenden Profifußball längst vorbei. Uwe Seeler beim Hamburger SV, Gerd Müller bei den Bayern und Hans Siemensmeyer bei 96 galten als treue Seelen, sie waren Identifikationsfiguren für die Fans und mit ihren Vereinen fest verwachsen.

Heutzutage gewinnt das Herz nur noch in Ausnahmefällen gegen das Geld. Fußballprofis sind vor allem Geschäftsleute, die sich als Ego-Firma so gewinnbringend wie möglich vermarkten wollen. Auch die Vereine wissen das, es wird unaufgeregt akzeptiert, dass Verträge nicht mehr erfüllt werden. Dafür gibt es Ablösemillionen.

Und so ist es zwar nicht wahrscheinlich, aber denkbar, dass sogar ein erklärter 96-Liebling wie Enke plötzlich in München anheuert. Zu Recht denken die Bayern über die Qualität des potenziellen Kahn-Nachfolgers Michael Rensing nach – und was der neue Trainer Jürgen Klinsmann sich zwischen den Münchner Pfosten vorstellt, könnte durchaus Robert heißen und eine frische Narbe auf dem Schädel tragen.

Ginge Enke zu den Bayern, dürfte man ihm also nicht böse sein, zumal es in diesem Fall sogar um mehr als Geld gehen würde. Über dem ewigen 96-Niemandsland gibt es eben noch einen europäischen Fußballhimmel. Dort zu fliegen, muss eben auch Enkes sportlicher Traum sein.