Fertig fürs Duell um die Nr 1

Raus aus der Krise, rein ins Duell mit dem Nachbarn aus Niedersachsen. Nach dem Remis gegen Meister Stuttgart am vergangenen Sonntag will Hannover 96 am heutigen Sonnabend im Spiel beim VfL Wolfsburg (15.30 Uhr, Volkswagen-Arena) den nächsten Schritt auf dem Weg zurück zu alter Stärke machen. Doch wie stehen die Chancen für die „Roten“, ausgerechnet bei der besten Rückrundenmannschaft der Fußball-Bundesliga zu punkten und endlich mal wieder einen Auswärtssieg zu landen? Entscheidend für den Ausgang des großen Duells um die Nummer 1 in Niedersachsen sind die kleinen Duelle auf dem Platz. Vier Vergleiche, die ausschlaggebend sein können, haben wir unter die Lupe genommen – es sieht gut aus für 96.

Zumindest auf dieser Position sind beide Klubs bereits Bundesligaspitze. Sowohl Wolfsburgs Torwart Diego Benaglio als auch sein Gegenüber Robert Enke beweisen Woche für Woche, warum sie im Kader ihrer jeweiligen Nationalmannschaft stehen. Der Schweizer ist sogar noch näher dran, sein Land bei der Europameisterschaft als Nummer 1 zu vertreten. Das liegt einzig daran, dass die Konkurrenz bei den Eidgenossen nicht so groß ist. Denn obwohl Reaktion, Stellungsspiel und Strafraumbeherrschung des 24-Jährigen wirklich beachtlich sind – Enke ist in allem noch etwas besser. Zudem spielt der Hannoveraner nun schon mehrere Jahre auf diesem hohen Niveau.

Dejagah – Ismael

Auf dieses Duell darf man gespannt sein: Ashkan Dejagah gegen Valérien Ismaël – man könnte auch sagen: jugendliche Unbekümmertheit gegen altgediente Erfahrung. Immerhin elf Lebensjahre liegen zwischen dem Wolfsburger Angreifer (21) und dem hannoverschen Innenverteidiger (32), und auch nach Bundesligaeinsätzen (50 und 101) trennt beide einiges. Doch Ismaël muss auf der Hut sein: Der dribbelstarke Dejagah, der zu Saisonbeginn von Hertha BSC kam und mit fünf Toren neben Edin Dzeko zweitbester Torschütze des VfL ist, nimmt eine auffällige Entwicklung. Er agiert nicht mehr so ballverliebt wie früher und stellt seine Stärken mehr in den Dienst der Mannschaft. Auch bei Ismaël zeigt die Formkurve peu à peu nach oben: „Le Chef“ ist dabei, seinem Ruf gerecht zu werden.

Marcelinho – Lala

Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein: beim VfL die schillernde Figur Marcelinho mit seinen ständig wechselnden Frisuren und Haarfarben, mit seinem linken Zauberfuß, mit seinen genialen Momenten als Spielgestalter und mit seinen Ausfällen abseits des Platzes. Bei 96 der zuverlässige Altin Lala, der ohne Eskapaden durchs Leben geht. Sein Job auf dem Rasen ist es, das Spiel des Gegners zu zerstören. Der Albaner ist ein Wühler, der den Zweikampf sucht – ein Spielertyp, den Marcelinho gar nicht mag. Hat der Brasilianer einen seiner Zuckertage, kommt er mit Lalas Art zurecht. Doch diese Tage sind nicht so häufig. Der 96er hat gute Chancen, Marcelinho aus dem Spiel zu nehmen – das wäre ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zum angestrebten Erfolg.

Madlung – Stajner

Das könnte ein Duell ganz nach dem Geschmack von Jiri Stajner werden. Gegen den immer etwas hüftsteif daherkommenden Alexander Madlung hat der 96-Stürmer aufgrund seiner hervorragenden Technik alle Vorteile auf seiner Seite. Für den Tschechen spricht zudem, dass er zurzeit gut in Form ist. Die beiden letzten Tore für die „Roten“ gegen Bielefeld und Duisburg erzielte Stajner, beide mit dem Kopf. Genau da könnte das Problem liegen, denn in der Luft wird der 96-Angreifer gegen den 1,94 Meter großen Verteidiger des VfL Wolfsburg keine Chance haben. Wenn Stajner nach seiner Vertragsverlängerung so zielstrebig und engagiert zur Sache geht wie in den vergangenen Spielen, dann wird nicht nur Madlung mit ihm seine liebe Mühe haben.

Typisch Hannover

Als 96-Trainer Dieter Hecking in dieser Woche in Bezug auf den VfL Wolfsburg danach gefragt wurde, ob Geld Tore schieße, da antwortete er nicht mit einem klaren Ja. Jeder Bundesligist beschreite seinen Weg, um Erfolg zu haben, sagte er – und der des niedersächsischen Kontrahenten, der den VW-Konzern im Rücken weiß, sei nun mal „mit viel Geld“ versehen. Angesichts der 45 Millionen Euro, mit denen 96 wirtschaftet, kann man da schon ein bisschen neidisch werden auf den reichen VfL. Auch deshalb ist es nicht alltäglich, welche Transfers in Hannover bewerkstelligt wurden, darunter der des früheren Wolfsburgers Mike Hanke.

Unabhängig vom Tabellenstand und der unterschiedlichen Rückrundenbilanz (96 holte erst acht Punkte): Nimmt man die Zahl der Fans als Gradmesser, dann sind die „Roten“ klar die Nummer 1 in Niedersachsen. In Hannover wurde für das heutige Duell das volle Kartenkontingent von 3000 verkauft, wahrscheinlich werden 5000 Fans das 96-Team anfeuern. Dass VfL-Geschäftsführer Klaus Fuchs den „fehlenden Funken aus Hannover“ beklagt, verstehe wer will. Beim Hinspiel fanden gerade einmal 1500 Wolfsburger den Weg in die Landeshauptstadt.

Typisch Wolfsburg

Einen Titel kann dem VfL Wolfsburg in dieser Saison niemand mehr nehmen: den des deutschen Meisters im Einkaufen. 18 neue Spieler hat Felix Magath verpflichtet und dafür – nach offiziell nicht bestätigten Angaben – nahezu 33 Millionen Euro ausgegeben. Aufgrund des wohl als einmalig zu bezeichnenden personellen Umbruchs (zugleich trennte sich der Verein von 18 Profis) lief es in der Hinrunde beim VfL äußerst holprig; vor dem Hinspiel in Hannover (2:2) ging es Magath noch darum, Abstand zu den Abstiegsplätzen zu halten. Chancen auf den Europacup sprach er seiner Mannschaft damals rigoros ab und hob 96 in diesem Zusammenhang auf den Favoritenschild.

Inzwischen haben sich die Wolfsburger bis auf Sichtweite an die Tabellenregion herangepirscht, die in der Saison 2008/2009 internationalen Fußball verheißt. Mit 20 Punkten ist der VfL gar die Mannschaft der Rückrunde. Der Etat des Klubs wird mit 70 Millionen Euro angegeben, dürfte aber um einiges höher sein. Für die neue Saison plant Magath statt massenweiser Transfers nur noch die Verpflichtung von Top-Spielern.