1,2 oder 3

Robert Enke verfolgt das Nummernspiel um den Platz im Tor der deutschen Nationalmannschaft mit großer Gelassenheit



Palma. Wer mit Robert Enke spricht, der landet ohne große Höflichkeitsdribblings schnell bei der „T-Frage“ und wird von ihm erst einmal abgeblockt wie ein Stürmer von einem erfahrenen Abwehrspieler. Die Torwartfrage in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist seit Wochen das große Thema, aber Enke hat dazu schon länger eine gewisse Distanz aufgebaut. Gut gelaunt und gelassen sitzt er im Golfklub „Son Muntaner“, das Handy griffbereit, weil in 50 Minuten seine Frau Teresa von Mallorca zurück nach Hannover fliegt, und sagt einen Satz wie diesen: „Wenn wie bei der WM 2006 die Nachricht, wer die Nummer 1 im Tor ist, als erste Meldung in der Tagesschau läuft, dann passt was nicht.“

Seit die drei EM-Torhüter feststehen – Enke, Jens Lehmann, Rene Adler –, geht es überall um die Reihenfolge. „Die hättet ihr gerne“, sagt Enke zu den Reportern; nicht patzig, sondern freundlich. Doch der Kapitän von Hannover 96 macht dieses Spielchen nicht mit, auch wenn er der Meinung ist, dass „der Jens von der Pole Position startet: Ich habe mir über eine Reihenfolge bislang keine Gedanken gemacht. Ich fühle mich als ein Torwart der Mannschaft.“

Bundestrainer Joachim Löw hat sich auf Mallorca bislang nicht offiziell festgelegt beim Nummernspiel zwischen den Pfosten. Natürlich ist es unstrittig, dass Löw den bisherigen Mann seines Vertrauens nicht kurz vor dem Turnier aus dem Tor kegeln wird. Jens Lehmann wird, wenn er sich nicht in den letzten beiden Testpartien gegen Weißrussland (kommenden Dienstag) und Serbien (31. Mai) die Bälle reihenweise ins Netz wirft, am 8. Juni gegen Polen spielen. Die Konstellation mit Enke und Adler ist trotzdem ideal für Löw: zwei Klasseleute, die dem älteren Kollegen jede Minute zeigen werden: Wir könnten es auch!

„Man darf sich keine Sekunde ausruhen“, sagt Enke, „jeder will auf die nächsthöhere Position.“ Und manchmal fällt man ganz hinten runter wie bei der Kader-Nominierung Timo Hildebrand. Vier Jahre war er im Nationalmannschaftskreis fest dabei, die EM aber findet ohne ihn statt. „Ich kann einschätzen, was das für ihn bedeutet, das war ein schwerer Schlag“, sagt Enke. Er hat dem Kollegen keine Kurznachricht auf das Handy geschickt, er hat den unbequemeren Weg gewählt und ihn angerufen, „wie einige andere Spieler auch. Aufmuntern ist sehr, sehr schwer, genau wie die richtigen Worte zu finden“, sagt Enke: „Aber ich hatte schon den Eindruck, dass sich Timo über den Anruf gefreut hat.“

Enke hat bislang ein Länderspiel gemacht und war lange Jahre meilenweit von der Nationalmannschaft entfernt. Vielleicht ist es die Besonderheit seiner Karriere – starker Beginn, dann ein tiefes Tal und seit drei Jahren eine für einen Torwart fast unglaubliche Konstanz auf erstklassigem Niveau –, die Enke den Konkurrenzkampf anders empfinden lässt. „Es gab andere Zeiten in meiner Laufbahn, deshalb kann ich das alles schon genießen.“ Die Tage jetzt auf Mallorca, danach die Zeit im Tessin und natürlich die EM-Spiele – Enke muss nicht unbedingt im Tor stehen, um das alles aufsaugen zu können als ein großes, positives Erlebnis.

Einen kleinen Wunsch hat er dann allerdings doch. Während der EM muss kein Torwart auf die Tribüne, auch der dritte Mann darf nah am Geschehen auf der Bank sitzen. „Ich gehe aber davon aus“, sagt Enke, „dass demjenigen, der im Falle des Falles reinkommen würde, das vorher gesagt wird. Es wäre schön, wenn ich das wäre.“