Rollentausch im Niemandsland

96 muss aufschauen zur Eintracht: Frankfurter Überholmanöver schmeckt den „Roten“ gar nicht.



Von Norbert Fettback

Hannover. Nicht immer hat es etwas Gutes, ein sportliches Ziel mit einer fixen Zahl zu verbinden. Statt Ansporn zu sein, verkehrt sich die Wirkung mitunter ins Gegenteil, und Paradebeispiele dafür liefern Hannover 96 und Eintracht Frankfurt, die sich am heutigen Sonnabend in der Fußball-Bundesliga um drei Punkte streiten. Bei den „Roten“ hieß es zu Saisonbeginn, man wolle weg vom 40-Punkte-Denken – und impliziert war der Aufbruch Richtung oberes Tabellendrittel. In der Rückrunde läuft 96 jedoch dem eigenen Anspruch hinterher und wirkt in dieser Hinsicht mitunter wie gelähmt. Im Unterschied zur Eintracht, die im Februar mit Blick auf das Saisonziel forsch nachlegte und 45 Punkte als erstrebenswert ausgab. Auch wenn sich die Mannschaft von Trainer Friedhelm Funkel jüngst gegen den 1. FC Nürnberg einen unverhofften Ausrutscher erlaubte: Die Fortschritte sind so augenscheinlich, dass selbst die Verantwortlichen darüber staunen.

Eintracht-Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen sprach dieser Tage mit berechtigtem Stolz davon, dass so ein Sprung nach vorne keinem anderen Bundesligisten gelungen sei. Dazu muss man sich in Erinnerung rufen, dass die Frankfurter in den vergangenen beiden Spielzeiten am Ende jeweils 14. waren. 2008 starteten sie mit 23 Zählern – vier weniger als ihr heutiger Kontrahent – in die Rückrunde. Jetzt, da noch sieben Runden zu spielen sind, hat die Eintracht als Achter bereits 42 Punkte auf dem Konto und damit noch alle Chancen auf die Teilnahme am UEFA-Cup – ganz im Unterschied zu 96. Sollte Frankfurt heute gewinnen, dann muss auch offiziell über dieses Thema gesprochen werden, das bei den Hessen ansonsten, wie weiland in Hannover, weiter auf dem Index steht.

96-Trainer Dieter Hecking bescheinigt den Frankfurtern, bei denen nach Jahren der Unberechenbarkeit Kontinuität Einzug gehalten hat, ohne Umschweife, „eine ordentliche Saison zu spielen“. Die Mannschaft sei gut verstärkt worden. Für insgesamt rund 7,5 Millionen Euro wurden in der Winterpause Martin Fenin, der Brasilianer Caio und Evangelos Mantzios verpflichtet – Transfers, die Bruchhagen auch in seiner Meinung bestärken, in der Breite sei die Eintracht „sehr leistungsstark“. Das half in Phasen, in denen wichtige Spieler nicht zur Verfügung standen.

96 fällt es vergleichsweise schwerer zu improvisieren, wenn Stammpersonal ausfällt. Auch das ist ein Grund für das erfolgreiche Überholmanöver, das die Eintracht in den vergangenen Wochen gestartet hat. Dabei galt Hannover in jüngerer Zeit stets als leuchtendes Vorbild dafür, wohin es die Eintracht einmal bringen wollte. Derzeit müssen aber die „Roten“ zum Klub vom Main aufschauen – eine Rolle, die den 96ern nicht gefallen kann.

Funkel meint, der Mannschaft seines Kollegen Hecking fehle die Konstanz der Hinrunde und der richtige Rhythmus. Was er nicht sagt: Zuletzt sind auch zu viele Punkte auf der Strecke geblieben; was Hecking mit dem Wort „Negativlauf“ umschreibt. Den möchte er heute stoppen – ausgerechnet gegen Frankfurt. „Spielerisch“, sagt er, „haben wir den Negativlauf schon lange gestoppt.“

Ein Sieg hätte immerhin den Effekt, dass die 40-Punkte-Marke in Sichtweite geriete, über die 96 so gerne hinauskommen möchte. Ob die Saison für 96 dann noch spannend wird, bliebe abzuwarten. Nur das scheint sicher: Die „Roten“ könnten von Frankfurt in dem Fall zumindest Gesellschaft bekommen – im Niemandsland der Liga.