Simak


Kein Happy End. Jan Simak und 96, diese „Unvollendete“ Sinfonie des Fußballs, sie bleibt ebenso unvollendet wie das berühmte Orchesterwerk von Franz Schubert. Übrigens in h-Moll – h wie Hannover!


Von Volker Wiedersheim


Gestern stellte 96-Sportdirektor Christian Hochstätter um 11 Uhr auf der Internetseite des Fußball-Bundesligisten fest: „Jan hat uns mitgeteilt, dass er sich nicht für uns entschieden hat (…) Jetzt ist das Thema für uns vom Tisch.“ Im Klartext: 96 hat ein Ultimatum gestellt, auf das sich Simak nicht eingelassen hat. Und als die Frist am Mittwoch verstrichen war, haben die „Roten“ die Tür zugemacht. Für immer.

Damit ist auch der zweite Anlauf gescheitert, den tschechischen Spielmacher zurückzuholen, der 96 praktisch im Alleingang in die 1. Liga zurückgeschossen hatte und nach seinem Transfer zu Bayer Leverkusen sogar auf Leihbasis zurück in Hannover ein zweites Mal die 96-Fans schwärmen ließ. Noch immer träumt das hannoversche Publikum von den Antritten, Pässen, Dribblings und dem „linken Hammer“ des Tschechen, der nach Entziehungskuren den Wiedereinstieg bei Sparta Prag schaffte und bei seinem derzeitigem Klub Carl Zeiss Jena in der 2. Liga einen Ausstiegsklausel für den Sommer besitzt.
Warum das dritte Engagement Simaks nicht zustande kommt, bleibt allerdings ebenso unerklärlich wie das Fehlen vom 3. Satz in Schuberts Sinfonie. In einschlägigen Internetforen fordern enttäuschte Fans allerdings, dass Köpfe rollen, vor allem der von Simaks Spielerberater Christoph Leutrum. Doch gibt es überhaupt einen Schuldigen? Die übliche Bundesliga-Geheimniskrämerei macht Spurensuche (fast) unmöglich, doch drei Versionen sind plausibel (die Reihenfolge ist kein Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit):

Simak benutzt 96: Klingeln bei 96, um beim VfB Stuttgart oder beim Karlsruher SC (beide Klubs sind interessiert) den Preis zu treiben? So ist nun mal das Geschäft. Aber 96-Trainer Dieter Hecking poltert: „Wir lassen uns nicht benutzen. Simaks Berater Christoph Leutrum kann ja weiter seine Spieler anbieten, aber nicht bei uns.“ In ähnlichem Sinne, aber weniger förmlich soll sich auch Klubchef Martin Kind geäußert haben.

Indiskretion schadet 96: Laut Leutrum hat 96 Simak angesprochen, nicht etwa der Spieler die „Roten“. Simak machte darum auch Vertraulichkeit zur Bedingung, um die Fans in Jena nicht zu provozieren. Genau dies hat jedoch eine Indiskretion nun bewirkt, wodurch sich die 96-Position im Simak-Poker verschlechterte. Der Kreis der Mitwisser war klein, die Quelle der Indiskretion könnte sehr nah an der Klubführung sein.

96 wollte Simak nicht wirklich: Einer der größten Simak-Fans bei den „Roten“ überhaupt ist Klubchef Martin Kind. Viel spricht dafür, dass er die Rückholaktion angeleiert hat und dabei in etwa die Gleichung „1 Simak = 2000 Dauerkarten“ im Sinn hatte. Trainer Hecking hingegen, so darf spekuliert werden, hat seine zunächst ablehnende Haltung nur widerwillig aufgegeben. Gestern machte ihn die ganze Chose zwar fuchsteufelswild, über die Absage an sich aber sei er „nicht enttäuscht“ – und das könnte sogar die sportlich zutreffende Einordnung sein. Angesichts der teils ans Religiöse grenzenden Simak-Begeisterung in Hannover dürfte Hecking heilfroh sein, dass sich das Thema anscheinend ohne sein Zutun erledigt hat. Verlängerung des Ultimatums? Bloß nicht! Aber ist es wirklich glaubhaft, dass der zuletzt so transferfreudige Klub nicht gekonnt hätte, wenn er wirklich gewollt hätte?

Simak selbst wollte sich gestern zu den Vorgängen nicht äußern und überließ Berater Leutrum das Wort: „Er hat drei Jahre an seinem Comeback gearbeitet, und da lässt er sich jetzt nicht von 96 in drei Tagen vom Markt nehmen. Im vergangenen Sommer wäre er zu Fuß von Prag nach Hannover gelaufen. Aber jetzt hatte er von Anfang an Zweifel wegen des Erwartungsdrucks in Hannover.“

Leutrum geht trotz der 96-Absage fest davon aus, dass Simak in der kommenden Saison wieder in der Bundesliga spielt. Auftritte in Hannover sind also garantiert, nur eben nicht im Trikot der „Roten“. Und vielleicht gibt es ja sogar Applaus dafür. Schuberts „Unvollendete“ ist ja schließlich beim Klassik-Publikum auch ein Hit geworden. Zwar h-Moll, aber eben auch wunderschön.