Weg vom 40-Punkte Denken

… 96 hat ja schon 41. Ein fast perfektes Auswärtsspiel – mit zwei Stürmern. Es geht aufwärts – 96 blamierte den Pokalfinalisten Dortmund beim 3:1 und hat die 40-Punkte-Marke hinter sich gelassen.



VON GUNTHER NEUHAUS
DORTMUND. Na hoppla, was stand denn da für ein rot verkleideter Riese im Dortmunder Tor? Ex-96-Profi Marc Ziegler hatte sich verletzt abgemeldet, nun durfte der 1,99 Meter große und 99 Kilo schwere Marcel Höttecke (20) zwischen die Pfosten. Höttecke hatte in 15 von 26 Spielen kein Gegentor kassiert – in der Regionalliga wohlgemerkt, Bundesliga ist was anderes. Vor allem in Dortmund. Denn das Gekicke des Pokalfinalisten (wie konnte das eigentlich passieren?) hatte mit den Ansprüchen des modernen Fußballs, mit wohlstrukturiertem, flottem Spiel, wenig bis gar nichts zu tun. Tja, und darunter musste nun der arme Höttecke leiden. Der Riese wurde zur traurigen Gestalt, als ein Freistoß von Arnold Bruggink unberührt durch den Strafraum flog und im Tor landete (37.). Bis dahin war es ein ziemlich unappetitliches Spiel gewesen, wobei 96 nicht ganz so geschmacklos agierte.

Man versuchte es mit der Bayern-Taktik – über wenige Stationen nach vorne, um so die behäbige Dortmunder Abwehr zu übertölpeln. „Wir haben kompakt gestanden und sehr gut umgeschaltet“, lobte 96-Trainer Dieter Hecking hinterher.

Das sah hübsch aus, richtig gefährlich wurde 96 aber bei den Standards. Nach einer Ecke von Szabolcs Huszti verlängerte Valérien Ismaël den Ball mit dem Rücken, und Frank Fahrenhorst köpfte den Ball in hohem Bogen ins Tor zum 0:2. Fahrenhorst war erst kurz zuvor für den Gelb-Rot-gefährdeten Vinicius ins Spiel gekommen. Und der Riese? Ruderte bei dem Treffer nur hilflos mit den Armen (41.).

Nach der Pause wehrte Höttecke aber famos einen Fahrenhorst-Kopfball ab (55.), und der eingewechselte Alexander Frei traf zum 1:2 (65.). Leider half die 96-Abwehr dabei kräftig mit – Kringe konnte so bei seinem Zuspiel ungehindert als Servicekraft wirken.

96 ließ sich davon aber nicht nachhaltig verunsichern und versuchte es weiter mit Kontern. Mit Erfolg: Nach einem grandiosen Pass von Arnold Bruggink blieb Huszti im Strafraum gegen den drängelnden Jakub Blaszczykowski standhaft und schubste den Ball in die rechte Ecke. Der Riese war chancenlos (79.), für Huszti war es schon Saisontor Nummer neun.

Das Experiment mit dem Zwei-Stürmer-System 4-4-2 glückte also, und 96 nimmt vor dem Saisonfinale auch spielerisch nochmal Fahrt auf. Man ist ja weg vom 40-Punkte-Denken – es sind inzwischen 41 und dürfen in den letzten fünf Spielen gern noch 50 werden. „Das war ein fast perfektes Auswärtsspiel“ für Hecking. „Wir sind in den letzten Wochen schon stabiler geworden, jetzt kommen auch die Ergebnisse.“

Thomas Doll dagegen jammerte, Dortmund habe „zweimal richtig was auf die Mütze bekommen“. Sie sind halt fußballerisch zurzeit Zwerge, an ein Pokal-Märchen sollte man am Sonnabend beim Wiedersehen mit den Bayern (nach dem 0:5 am Sonntag) lieber nicht hoffen.