96-Traum

Hecking redet von Platz fünf. Mut beim Angriff auf Europa. Noch nie waren die Erwartungen vor einer Rückrunde so groß – schafft 96 den Sprung nach Europa?



VON ANDREAS WILLEKE

HANNOVER. 96-Chef Martin Kind hat neulich Mannschaft und Trainer zum Essen eingeladen. Dabei servierte er auch seine Erwartungen an die ersten drei Partien der Rückrunde – sieben Punkte sollen es werden. Einige mussten schlucken, denn alle drei Gegner liegen in der Tabelle vor 96, zwei gehören sogar zu den Branchenführern: Heute gehts in Hamburg los, dann folgen die Heimspiele gegen Karlsruhe und Bayern.

Kinds mutige Ansprache zeigt vor allem, dass die Ansprüche gestiegen sind. In der Winterpause blieb offenbar viel Zeit zum Träumen, auch für die Fans. Noch nie seit dem Aufstieg schien der UEFA-Cup so angreifbar. Mit Trainer Ewald Lienen hatte 96 zwar nach der Hinrunde 2004 noch einen Punkt mehr gesammelt. Doch der unattraktive Konterfußball bremste die Euphorie.

2008 begleiten die Mannschaft ganz andere Bilder nach Hamburg – das sensationelle 4:3 gegen Bremen im vorletzten Hinrundenspiel beflügelt die Fantasien. Dieser Sieg war der größte Schritt weg vom Image der grauen Maus, das jenseits von Hannover dem roten Scheinriesen anhaftet.

„Wir brauchen mehrere solcher Spiele wie gegen Bremen“, wünscht sich jedoch Dieter Hecking. Der Trainer weiß, dass die 96-Aktie dann bundesweit neu bewertet wird.

Der logische, passende Streich wäre heute ein Erfolg in Hamburg. Der große HSV ist Dritter und rechnet sich Chancen auf den Titel aus. „Ein Sieg wäre sensationell, der würde unsere Ambitionen unterstreichen“, meint Kind.

Der 96-Chef hat mit zehn Millionen Euro den Weg nach Europa gepflastert. Nationalspieler wie Mike Hanke und Christian Schulz kamen, zuletzt mit Valérien Ismaël ein weiterer Star. Zur nächsten Saison soll erneut ähnlich viel investiert werden. Die Bemühungen um den schließlich nach Bremen gewechselten Schalker Mesut Özil machten das deutlich. Alle Investitionen haben ein klares Ziel – Europa.

„Ein fünfter Platz wäre für uns wie der Gewinn der Meisterschaft. Um das zu schaffen, müsste es optimal laufen“, sagt Hecking. Da erkennen wir den Trainer bei seiner Lieblingsübung: Realistische Ziele einfordern, ohne die Euphorie zu stoppen. Niemandsland oder Europa, bremsen oder träumen – zwischen diesen Polen wird sich 96 auch in der Rückrunde bewegen. Es sei denn, alles läuft optimal.