Aus Jubel wird Enttäuschung

Halbzeitführung reicht nicht: Hannover 96 verspielt gegen den Karlsruher SC eine große Chance



Von Heiko Rehberg
Hannover. Man kennt das von den großen Feuerwerkswettbewerben in den Herrenhäuser Gärten. Es geht gemächlich los, dann gibt es hübsch dosiert und verteilt ein paar Höhepunkte, zum Schluss aber wird noch mal alles an „Krawumm“ und „Knallpeng“, an Farben und Effekten, hineingepackt, was die Feuerwerkskiste hergibt. Im Fußballgarten AWD-Arena sah es in der 86. Minute nach einer schmucklosen 1:2-Niederlage des Fußball-Bundesligisten Hannover 96 gegen den Karlsruher SC aus. Doch als alles fast vorbei schien, ging es erst richtig los.
87. Minute: Die ersten hannoverschen Fans falten ihr Sitzkisten zusammen, als der eingewechselte 96-Profi Jan Rosenthal den Ball vom eingewechselten Christian Schulz bekommt. Es gibt nicht viele Möglichkeiten und nur noch wenig Zeit, die Niederlage abzuwenden, Rosenthal wählt die einfachste und schnellste: Er schießt aus 18 Metern aufs Tor, Augenblicke später zappelt der Ball im Netz. Traumtor, 2:2, Hannover jubelt.

Erste Minute der Nachspielzeit: Chaos in der 96-Abwehr, nicht das erste Mal, Christian Timm steht plötzlich frei und trifft den Pfosten. Weiter 2:2 statt 2:3, Hannover atmet durch.

Vierte Minute der Nachspielzeit: 96 hat noch einmal Eckball, aber bevor Szabolcs Huszti den Ball zum letzten Mal ins Spiel bringen kann, gibt es im Karlsruher Strafraum Tumulte. Es wird gerangelt, geschubst, diskutiert, 96 ist vor allem mit Michael Tarnat und Hanno Balitsch beteiligt. Gefühlte fünf Minuten später ist der Eckball endlich in der Luft, Mike Hanke trifft per Kopf die Latte, von dort springt die Kugel KSC-Torwart Markus Miller an den Körper und von dort ins Netz. Hannover flippt aus. 3:2. Fans liegen sich in den Armen. Aber irgendetwas stimmt nicht, aus Jubel wird Enttäuschung. Das Tor zählt nicht, Schiedsrichter Knut Kircher hat zuvor ein Foul von Hanke gesehen. Dann ist das Fußball-Feuerwerk beendet.

2:2 also im ersten Heimspiel des Jahres. Das ist weniger, als 40 112 erwartungsfrohe Zuschauer gehofft hatten. Und mehr, als Hannover 96 an diesem Tag gegen die besseren Karlsruher verdient hat. Im Fußball gleicht sich alles irgendwann aus, heißt es immer. Manchmal geht das sogar ganz schnell. Beim 1:1 zum Rückrundenauftakt beim Hamburger SV waren es die „Roten“, die einen Sieg hätten einfahren müssen, weil sie großartig gespielt hatten. Diesmal hätte sich nach einer holprigen und über weite Strecken schwachen Leistung niemand beschweren können, wenn am Ende eine 1:3- oder 1:4-Niederlage gestanden hätte. Einmal Pech, einmal Glück, macht zusammen zweimal ein Unentschieden.

Die Partie gegen den Karlsruher SC bewies, was Hannover 96 nach wie vor fehlt: die Konstanz. Auch im neuen Jahr tut sich die Mannschaft schwer, einer starken Vorstellung zumindest eine gute folgen zu lassen. „Mit der 1. Halbzeit war ich sehr unzufrieden“, sagte Trainer Dieter Hecking, „und in der 2. Halbzeit hat sich meine Zufriedenheite nicht gesteigert.“ Und während er eine Mängelliste erstellte – kein Tempo, zu viele kleine Fehler, zu wenig Spielwitz –, rutschte ihm irgendwann das Wörtchen „Gewürge“ heraus.

Dabei sah es zur Pause so aus, als könnte 96 auch einmal mit einer mäßigen Leistung Erfolg haben. Einer der wenigen hellen Momente hatte gereicht, um mit 1:0 in Führung zu gehen: Nach Arnold Brugginks gut getretenem Freistoß beförderte Hanno Baltisch den Ball im Fallen mit links über die Linie (44. Minute). Ein solch glückliches Tor zum günstigen Zeitpunkt sollte eigentlich Sicherheit geben – tat es aber nicht. Nach 64 Minuten war aus dem 1:0 ein 1:2 geworden. Joshua Kennedy (61.) und Tamas Hajnal (64.) hatten mit ihren Toren die Karlsruher Klasse endlich auch im Ergebnis zum Ausdruck gebracht; beide Treffer fielen nach einem ähnlichen Strickmuster: Einmal ließ sich 96 hinten links (schwach wie lange nicht: Michael Tarnat), einmal hinten rechts überlaufen.
Was blieb, war die Unordnung in der hannoverschen Viererkette, begleitet auch von einem Mittelfeld, in dem vor allem Huszti (blieb vor dem 1:2 einfach stehen) und Jiri Stajner nicht bereit waren, bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Karlsruhe hätte das 3:1 durch Kennedy machen müssen (72.), durch Edmond Kapllani (82.) und Timm gab es weitere Riesenmöglichkeiten.

Am Ende zog 96 dank Rosenthal den Kopf noch aus der Schlinge und schaffte das 2:2. Aber ein Sieg, da waren sich alle einig, wäre nun wirklich ein wenig zu viel des Guten gewesen. Nächste Gelegenheit dazu: kommenden Sonntag gegen die Bayern.